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33) Fritz Helmke, Die Wohnsitze der Cherusker und der Hermunduren. Progr. Emden 1903. 43 S.

Verf. nimmt, abweichend von Devrient (s. JB. XXVII S. 306) an, daß unter der Bacenis silva, welche nach Cäsar die Sueben von den Cheruskern schied, nicht bloß die Rhön, sondern auch deren nördliche Fortsetzungen zu verstehen seien, d. h. daß zu Cäsars Zeit das Eichsfeld und der Harz die nordwestliche und nördliche Grenze der Sueben gegen die Cherusker bildeten. Das obere Werratal und Thüringen waren suebisch, während die Chatten an der Eder wohnten und sich erst später nach Süden ausbreiteten. Aus den Berichten über die Feldzüge des Drusus ersieht man, daß ein Teil des Cheruskerlandes links der Weser lag. Im Jahre 11 v. Chr. erreichte er die Weser (in der Gegend von Karlshafen), nicht die Werra, wie Devrient glaubt; im Jahre 9 überschritt er die Werra (nicht die Weser), und zwar nördlich des Thüringer Waldes, und durchzog von hier aus das Cheruskerland. Die Gegend südlich vom Harz war also damals cheruskischer Besitz. In der Zeit zwischen Cäsars und Drusus' Feldzügen haben nämlich die Cherusker, wie es scheint, dieses Land erobert; das hier von ihnen unterworfene oder von hier verdrängte Volk sind die Hermunduren, ein suebischer Stamm, ausgegangen von dem suebischen Kernvolk der Semnonen an der mittleren Elbe. Domitius siedelte die vertriebenen Hermunduren in Franken an; sie sind mit den Donau-Hermunduren in Tacitus' Germania identisch. Einen anderen Teil der Hermunduren finden wir 19 n. Chr. in Böhmen; diese sind die Elbe aufwärts dorthin gezogen, nachdem sie einige Jahre zu beiden Seiten der Elbe im heutigen Königreich Sachsen gesessen hatten (Vell. II 106).

In der Darstellung der Kriegszüge des Germanicus schließt sich H. im wesentlichen an Dahms Ergebnisse (s. JB. XXIX S. 227) an; insonderheit entscheidet er die wichtige Frage nach der Lage des Grenzwalles der Angrivarier in demselben Sinne wie dieser. Zu dem Kampfe zwischen Marbod und Arminius vermutet er, daß mit Inguiomerus, der vielleicht im cheruskischen Thüringen seinen Wohnsitz hatte, wo die Mehrzahl der Bevölkerung aus unterworfenen Hermunduren bestand, Scharen thüringischer Hermundureu zu Marbod übertraten. Die Hermunduren, welche unter Vibilius den Catualda und später den Suebenkönig Vannius, dessen Reich an der March lag, stürzten, sind die oben erwähnten böhmischen Hermunduren; in ihrem Gebiete, im südlichen Böhmen, entspringt die Elbe, d. i. die Moldau. Den thüringischen Hermunduren gelang es, während der inneren Wirren unter den Cheruskern nach dem Tode des Arminius sich von der cheruskischen Herrschaft zu befreien; sie kämpften mit den Chatten im Jahre 58 um den heiligen Salzfluß, die Werra. Durch das Vorrücken der Chauken und Angrivarier nach Süden wurden die Cherusker auf

den Westrand des Harzes und die Gebiete nördlich davon begrenzt, bis sie in den Nachbarvölkern untergingen.

34) B. Bunte, Beiträge zur Geschichte der Friesen und Chauken. Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. und vaterl. Altertümer zu Emden XIV (1902) S. 104-146.

Diese Schrift bildet den zweiten Teil der JB. XXVII S. 305 besprochenen Untersuchungen. Daß Tacitus das rechtsrheinische Deutschland nicht mit eigenen Augen gesehen haben könne, sucht B. durch eine Kritik dessen, was er Germ. 35 über die Chauken erzählt, zu erweisen. Hier offenbare sich eine rhetorische Idealisierung des Charakters der Chauken, und in implent liege eine arge Übertreibung (unrichtig übersetzt B. adsequuntur 'geltend machen' und si res poscat 'sobald es die Umstände erlauben').

Eine Nachricht aus dem 13. Jahrhundert erwähne einen Ort Fle, der in einem untergegangenen Teile des friesischen Westergo gelegen zu haben scheine. Es sei daher glaublich, daß das castellum Flevum (Ann. IV 72) im südlichen Teile der heutigen Zuidersee, südlich von Staveren, gestanden habe.

Nach Plin. N. H. 25, 6 hatte Germanicus im Jahre 15, ehe er seine Fahrt nach der Ems unternahm, ein Lager in Friesland. Dieses sei wahrscheinlich im nördlichen Teil der jetzigen Provinz Friesland, am Borndiep, anzusetzen. Hierhin habe sich Germanicus auch im Jahre 16 begeben, nachdem er die Sturmflut überstanden hatte; ebendahin sei der Zug des Vitellius im Jahre 15 gerichtet gewesen, nicht an die Weser, wie Knoke meint (denn Ann. I 70 sei mit Lipsius ad amnem Vidrum Borndiep zu schreiben).

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Die hiberna castra duarum cohortium H. IV 15 seien im Lande der Kannenefaten, nicht weit von dem batavischen Lugdunum, zu suchen.

Die Existenz eines Kastells Amisia lasse sich aus Tacitus nicht erschließen. Ann. II 8 sei mit Seyffert zu schreiben classis Amisiae (ore) relicta laevo amne, d. i. ‘in dem Mündungsgebiete der Ems, und zwar an der linken Seite', in der Gegend von Weener. Der von Ptolemäus II 11, 28 erwähnte, nach der Ems benannte Ort Amisia habe jedenfalls weit von der Emsmündung und den Wohnsitzen der Chauken gelegen.

An das praesidium in Chaucis Ann. I 38 könne man nicht glauben, weil ein Detachement in dem weit entfernten Ostfriesland nicht denkbar sei. Es müsse in Chattis heißen (vgl. G. Zippel, JB. XXII S. 168): die Vexillarier hätten als ein Detachement der Mainzer Truppen in Heddernheim gelagert; hier habe auch das Kastell v Xarrois gelegen (Dio 54, 33). Der längst erhobene Einwand, daß diese Änderung an den Worten discordium legionum scheitere, insofern sie zeigen, daß es sich um ein Detachement des unteren Heeres handelt, scheint Bunte nicht bekannt geworden zu sein. Aliso verlegt er nach Hamm.

35) B. W. Henderson, The life and principate of the emperor Nero. With three maps and sixteen illustrations. London, Methuen. XIV u. 528 S. 8.

Nach Athenaeum 3978 S. 106 trotz einzelner Mängel, besonders in dem Urteil über Sueton und Cassius Dio, eine wertvolle Leistung. Nach F. T. Richards, Class. Rev. 1904 S. 57 enthält das Buch eine günstige Beurteilung des Kaisers, soweit die Überlieferung eine solche irgend gestatte.

36) Philippe Fabia, L'incendie de Lyon sous Néron. Revue d'histoire de Lyon III 1 (1904) S. 5–23.

Nach dem Vorgange Hirschfelds (Hermes 52, 294 und CIL. XIII S. 252) sucht Fabia die Schwierigkeiten zu lösen, die ein Vergleich zwischen Sen. ep. 91 und Tac. Ann. XVI 13 ergibt. Nipperdeys Annahme einer Lücke in der Tacitusstelle sei hinfällig; denn durch den Ausdruck urbis casibus, womit der Brand Roms von Jahre 64 gemeint ist, gebe Tacitus dem Leser deutlich genug zu verstehen, daß der Ausdruck cladem Lugdunensem denselben Sinn habe. Den Brand von Lyon habe Tacitus nicht bloß deshalb nicht erzählt, weil Lyon eine Provinzialstadt war (erzähle er doch Z. B. das Erdbeben in Asien II 47), sondern auch weil er nach der Beschreibung des Brandes von Rom, deren Einzelheiten z. T. auf jeden Brand einer großen Stadt passen, Wiederholungen vermeiden wollte, die um so eintöniger gewirkt hätten, als die Katastrophe Lyons sehr bald auf die Einäscherung Roms folgte. Er habe daher auch nur einen Brand Roms beschrieben, wie nur ein Erdbeben, und würde den Brand Lyons vermutlich gar nicht erwähnt haben, wenn Nero die Abgebrannten nicht unterstützt hätte.

Nach Seneca ging Lyon im 100. Jahre nach seiner Gründung unter, d. i. 58 n. Chr., während Neros Schenkung nach Tacitus erst 65 erfolgte. Da es nun gleich schwer begreiflich ist, daß diese Unterstützung sieben Jahre auf sich warten ließ, wie daß die Lugdunenser Rom unterstützten, ehe ihr eigener Schaden ausgeglichen war, so vermutete Nipperdey, daß bei Tacitus ein zweites Unglück der Lugdunenser zu verstehen sei. Nun erzählt aber Seneca, daß das Unglück von Lyon sich ereignete ubique armis quiescentibus. Daraus schließt Fabia (wie Hirschfeld), daß der Brief 91 nicht vor Mitte 63 geschrieben sein könne, d. h. nicht vor dem Ende des Partherkrieges, der von Anfang 58 bis in den Sommer 63 dauerte. Da ferner der Brand von Lyon zwischen deu Brand Roms und Senecas Tod (April 65) zu setzen ist, d. i. in das Ende des Jahres 64 oder in den Anfang des Jahres 65, so könne Senecas Brief nicht vor 65 geschrieben sein, im 107. Jahre nach Lyons Gründung. Man hat daher vorgeschlagen, bei Seneca septimus nach centesimus einzuschieben, zumal da die Wahl des Ordinalzahlworts die Ungenauigkeit noch auffälliger mache.

Nach Fabias Ansicht ist Senecas Zeitbestimmung wissentlich und absichtlich ungenau. Denn erstens entspreche die runde Zahl

dem Bedürfnis des oratorischen Stils; zweitens verschärfe die Verringerung der Zahl den Gedanken, daß die Dauer des Bestehens der Stadt nicht einmal die äußerste Grenze des menschlichen Lebens (120 Jahre) erreiche.

Senecas Brief enthalte zwar leise Anspielungen auf den Brand Roms, meide aber eine offene Parallele zwischen beiden Katastrophen. Durch eine solche habe Seneca gefürchtet, bei Nero anzustoßen, den man vom ersten Augenblick an der Brandstiftung beschuldigt hatte.

Wenn man vorgeschlagen habe, durch Änderung von quadragies bei Tacitus in quadringenties die Summe, die Nero der Stadt Lyon schenkte, zu verzehnfachen, so entspreche eine solche Erhöhung allerdings dem Maße der bei anderen Gelegenheiten ähnlicher Art gewährten kaiserlichen Geschenke; trotzdem sei die Änderung abzuweisen. Denn abgesehen davon, daß die Finanzen Roms damals zu stark in Anspruch genommen waren, als daß man annehmen könnte, Nero hätte eine so große Summe hergegeben, wäre die Konsequenz jener Änderung, daß die Lugdunenser ihrerseits 40 Millionen für Roms Wiederaufbau beigesteuert hätten, was nicht glaublich sei.

37) Karl Hofbauer, Die erste' Christenverfolgung. Beiträge zur Kritik der Tacitusstelle. Progr. Oberhollabrunn 1903. 47 S. Die Abhandlung bringt zwar nichts Neues, doch lohnt es sich, ihren Inhalt kurz zu skizzieren. Die Glaubwürdigkeit des Tacitus in seinem Bericht XV 44 ist durch den Zwiespalt der Anschauungen über seine Quellen und über die Art, wie er sie benutzt hat, nicht erschüttert worden. In subdidit reos liegt kein Anstoß; denn Nero hatte Ursache, den Volksunwillen zu beschwichtigen. Auch der Name Christiani ist bei Tacitus nicht auffällig, da der in Syrien zuerst gebrauchte Name im Jahre 64 bereits in Italien und Rom populär sein konnte. An der Verbreitung der Vorstellung von den flagitia der Christen, wobei man an thyesteische Mahlzeiten und ödipodeische Verbindungen zu denken hat, waren die Juden sicherlich stark beteiligt. Der römische Haß gegen die Juden wurde auf die Christen, deren Heimat Judäa war, übertragen; er wurde genährt durch die beleidigende Absonderung der Christen, die unpatriotisch und antinational erschien, und durch die geheimen nächtlichen VersammJungen: man sprach von Incest und Kindermord, von Zauberei und magischen Künsten. Alle diese Anklagen fassen sich zusammen in dem Schlagwort odium generis humani, welches die Gemeingefährlichkeit der Christen bezeichnet; hierauf bezieht sich auch sontes. Zu fatebantur ist zu ergänzen Christianos se esse: in dem Bekenntnis der Zugehörigkeit zum Christentum lag das Geständnis

des Verbrecherischen, das man untrennbar damit verbunden dachte. Coniuncti sunt ist nicht zu ändern und heißt wurden zugesellt'; convicti würde ein ordentliches Gerichtsverfahren voraussetzen, wovon bei Tacitus keine Rede ist: man schritt ein auf Grund der magistratischen Koerzition. Die Beschuldigung der Brandstiftung lag um so näher, als die Christen den baldigen Weltuntergang durch Feuer erwarteten. Multitudo ingens enthält keine Übertreibung: Rom war schon damals neben Judäa der Hauptherd des Christentums. Für die Aburteilung dispensierte man sich von der Beweisführung für das Verbrechen der Brandstiftung; die Christenqualität galt als hinreichend für die Verdammung. So wurde aus dem Brandprozeß ein Christenprozeß gemacht. Die Verfolgung blieb nicht auf Rom beschränkt, obwohl Tacitus von einer Ausdehnung über Italien und die Provinzen schweigt und eigene Gesetze gegen die Christen nicht erlassen wurden. So überdauerte die Christenverfolgung als Polizeimaßregel selbst Neros Regierung.

Dasselbe Thema behandelt der mir unbekannt gebliebene Aufsatz von V. Smialek, Des Tacitus Aussage über die ersten Christen, Eos VIII S. 22-37.

38) H. Stuart Jones, La chronologie des salutations impériales de Néron. Rev. archéol. 1904 Mars-Avril S. 263-272.

Jones nimmt die von Ed. Maynial in der Rev. archéol. 1901 S. 167 ff. (s. JB. XXVIII S. 303) behandelte Frage wieder auf, da er nicht mit allen Ergebnissen Maynials übereinstimmt.

39) E. Ritterling, Epigraphische Beiträge zur römischen Geschichte 1. Rhein. Museum 1904 S. 55-62.

R. macht es auf Grund einiger Carnuntiner Grabschriften und ihrer sprachlichen Eigentümlichkeiten wahrscheinlich, daß im Jahre 63 n. Chr., nachdem die legio XV Apollinaris, die seitherige Garnison von Carnuntum, in den Orient abgegangen war (Tac. Ann. XV 25), die legio X gemina aus Spanien nach Carnuntum versetzt worden ist. Dort befand sie sich noch zur Zeit von Galbas Erhebung, der damals nur eine einzige Legion, die legio VI victrix, unter sich hatte (Tac. H. I 16. V 16). Nach seinem Einzuge in Rom verlegte Galba die leg. X gemina in ihre alte Provinz zurück, und hier finden wir sie I. II 58 im April 69. Sie wurde an der Donau ersetzt durch die legio Hispana (H. I 6), welche den Galba nach Rom begleitet hatte, d. h. durch die legio septima Galbiana (H. II 11), die mit ihrem Legaten Antonius Primus (H. II 86) das Carnuntiner Lager bezog. In der zweiten Hälfte des Jahres 69, nachdem die VII Galbiana mit den übrigen illyrischen Legionen nach Italien gezogen war, scheinen Vexillarier des orientalischen Heeres, die Mucian herangeführt hatte, vorübergehend die Grenzwache an der Donau gehalten zu haben, bis eine

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