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Tempels zu Olympia darstellen und hat im Vordergrunde die Kypsele angebracht; Goethes schaffende Imagination zeigt in dem Bildchen das Innere der Kypsele selbst. Übrigens sind es altvertraute Vorstellungen, die hier in Goethes Seele in Flufs kommen. Schon im Märchen' in den Unterhaltungen der Ausgewanderten giebt es einen Tempel mit sitzenden Dämonen, worauf Richard M. Meyer in seiner Goethe-Biographie hingewiesen hat. Im Märchen steigt der in den Tiefen der Erde verborgene Tempel mit den sitzenden Dämonen ans Tageslicht, in Pandora senkt er sich vom Himmel nieder. In beiden Dich

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tungen weihen die Dämonen den Jüngling feierlich für seinen erhabenen Beruf ein, und man hat an den kurzen Weihesprüchen des Märchens einen Anhalt, sich vorzustellen, wie etwa in Pandora die Dämonen sich hätten vernehmen lassen. In beiden Dichtungen wird durch die aufgehende Sonne die Schlufsgruppe mit einem herrlichen Glanze überstrahlt. In diesen kleinen Einzelzügen bewährt sich die tief-innere Verwandtschaft der beiden Dichtungen.'

1 Diese Verwandtschaft bewährt sich auch darin, dafs bei beiden Visionen dem Dichter die Apokalypse vorschwebt. Für Pandora ist das oben bei Erörterung der Moria gezeigt worden. Für das Märchen habe ich Goethe-Studien II, 40 darauf hingedeutet, aber damals nicht bemerkt,

Die Beobachtung, dafs dieser Kupferstich den Dichter anregte, auch in Pandora einen Tempel mit sitzenden Dämonen einzuführen und dieses Allerheiligste von einem Vorhange verdecken zu lassen, zeigt zugleich, dafs die Conception des Dramas von Pandoras Wiederkunft mindestens bis 1802 zurückreicht. Goethe hat das Schriftchen später nicht wieder aus der Bibliothek entliehen, und das Bild ist so unbedeutend, dafs es nicht etwa für sich, ohne Beziehung auf den Pandorastoff, in Goethes Erinnerung dauern und fünf Jahre später zur Verwendung gelangen konnte. Goethe hat also schon 1802 unseren Tempel mit dem Vorhang und den sitzenden Dämonen aus dem Kupferstich herausgelesen. Das setzt aber einige Hauptlinien des Stoffes als schon gegeben voraus.

Bei dem kleinen Einblick in die Werkstatt des Poeten bewährt sich wieder die Milde und Güte von Goethes Natur, der über ein völlig unbedeutendes Bildchen nicht vornehm hinwegschaut, sondern es freundlich mit belebendem Auge betrachtet. Gewifs konnte er von sich sagen:

So bei Pythagoras, bei den Besten

Sals ich unter zufriedenen Gästen.

dafs Goethe eine Anzahl von Einzelzügen der Offenbarung Johannis für das Märchen verwendet hat. Ich hole das hier nach. Johannes führt sieben geheimnisvolle Könige vor, unter denen der Wissende sicben römische Kaiser zu verstehen hat. Das war für Goethe die Anregung, in seiner Apokalypse drei geheimnisvolle Könige darzustellen, Vorfahren Karl Augusts, die den Jüngling feierlich weihen. Das Eintreten des allgemeinen Glücks wird im Märchen angekündigt durch dreimaliges Ertönen der Worte: Es ist an der Zeit. In demselben bedeutsamen Sinne steht bei Johannes 16, 17 und 22, 10: Die Zeit ist nahe. Die Zauberbrücke des Märchens erscheint erst wie von Jaspis und Prasem, dann bei weiterem Herannahen der grofsen Verwandlung wie von Smaragd, Chrysopras und Chrysolith gebaut (Weim. Ausg. 18, 244). Das neue Jerusalem schildert Johannes 21, 19: Und die Gründe der Mauern und der Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelgesteine. Der erste Grund war ein Jaspis, der andere ein Saphir, der dritte ein Chalcedonier, der vierte ein Smaragd, der fünfte ein Sardonyx, der sechste ein Sardis, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topasier, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein Hyacinth, der zwölfte ein Amethyst.

So hat es denn seinen guten Sinn, wenn Goethe am 21. März 1809 zu Riemer sagt, sein Märchen komme ihm gerade so vor wie die Offenbarung St. Johannis.

Ihr Frohmahl hab ich unverdrossen

Niemals bestohlen, immer genossen.

Aber auch an dem dürftigen Tische der Niederen und Armen hat er gelegentlich nicht verschmäht, sich niederzulassen.

Weniger eingreifend als Heynes Schrift, aber doch auch merklich, hat auf Pandora die gleichzeitige Beschäftigung mit griechischen Philosophen, besonders Heraklit, gewirkt. Goethe studierte während der Dichtung an Pandora Buhles Geschichte der Philosophie (Tagebuch vom Ende September und Anfang Oktober 1807). Durch den Chorgesang der Schmiede zieht sich das Thema der älteren griechischen Philosophie von der Rangordnung der Elemente. Schmiede: 'Feuer ist obenan'. Buhle I, 316: 'So wie der Agrigentinische Weltweise dem Feuer eine Hauptrolle bei der Weltschöpfung gab, so erhob Heraklit aus Ephesus... dasselbe zum Grundwesen, von welchem alle übrigen Dinge herstammten.' Im Schema der Fortsetzung ist für den Chor der Handelsleute das Motiv angemerkt: 'Eris golden', also die Bedeutung des Wettstreits für die Menschenkultur. Buhle berichtet I, 318 von der Bedeutung, die Heraklit der Eris für alles Geschehen zuweist.

Kunst und Wissenschaft also werden durch die Dämonen im Tempel dargestellt. Es ist der Begriff von Kunst und Wissenschaft, wie ihn Goethe hatte und sein Leben hindurch bethätigt hat: nicht die gesonderten Thätigkeiten, wie sie berufsmäfsig betrieben werden, sondern schauendes Erkennen und Darstellen alles Grofsen und Würdigen.

Was kann der Mensch im Leben mehr gewinnen,
Als dafs sich Gott-Natur ihm offenbare?

Dieser heilige Tempel ist verhüllt, in anderer Gestalt, als Kypsele zur Erde herniedergekommen, und um sie hat sich ein Streit entsponnen. Wir haben Absicht auch hierin zu suchen. Nur der erste Theil ward fertig, zeigt aber schon, wie absichtlich dieses Werk unternommen und fortgeführt wurde.'

Von der hohen Offenbarung, die den Menschen hier wird, sagt Eos:

leiten

Zu dem ewig Guten, ewig Schönen

Ist der Götter Werk; die lafst gewähren.

Wie leiten nun die Götter zu Kunst und Wissenschaft? Sie geben sie nicht plötzlich, unvermittelt, sondern beide entwickeln sich aus der Religion, die Kunst und Wissenschaft eingeschlossen, verhüllt und mit buntem Zierat überdeckt enthält. Von der Religion gilt dann, was hier von der Kypsele gesagt ist: 'Der Einzelne kann sie ablehnen, nicht die Menge'. Die Religion hat, wie hier die Kypsele, die Gabe, die Leidenschaften in Zu- und Abneigung zu entfesseln. Und in allem, was die Winzer, Schmiede, Handelsleute, Krieger mit der Kypsele vorhaben, malt sich das Verhältnis der gutmütig Irdischen, Rohen zur Religion. Ein jeder verknüpft sie wohlmeinend und beschränkt mit seinen Zwecken und seinem Treiben.

Wie das Geistige, Höchste zunächst in den Formen der Religion auf Erden erscheint, die in sich die Keime von Kunst und Wissenschaft birgt, dem Auge der Menge verdeckt durch reichen äussern Schmuck blühender Fabelgestaltung, das wollte Goethe hier in bedeutendem Bilde zur Anschauung bringen. Verwandt ist damit der Spruch 690 (Loepers Ausgabe): 'Die Kunst ruht auf einer Art religiösem Sinne, auf einem tiefen, unerschütterlichen Ernst; deswegen sie sich auch so gern mit der Religion vereinigt.' Und die hier in sinnlich-poetischer Form sich darstellende Anschauung, dafs Kunst und Wissenschaft auf einer höheren Stufe geistiger Entwicklung dasselbe Bedürfnis befriedigen wie auf einer primitiveren die Religion, erscheint auch in dem zahmen Xenion:

Wer Wissenschaft und Kunst besitzt,

Hat auch Religion.

Wer diese beiden nicht besitzt,

Der habe Religion.

So stellt die Dichtung in symbolischer Form die höchsten Angelegenheiten der Menschheit dar. 'Das ist die wahre Symbolik, wo das Besondere das Allgemeinere repräsentiert, nicht als Traum und Schatten, sondern als lebendig augenblickliche Offenbarung des Unerforschlichen' (Spruch 273).

Diese höchsten Menschheitsgüter erschienen dem Dichter als der feste Anker in den Stürmen der Zeit. An Hirt, den 3. November 1806: Ihren Brief empfang' ich mitten unter den Kriegsunruhen. Was ist nicht seit dem 6. Oktober, von dem er

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datirt ist, alles vorgegangen, und schon hat sich der Strom, der bei uns durchbrach, auch bis über Sie weggewälzt. Gerade in cinem solchen Augenblicke ist es ein schöner Trost, wenn man aufs neue überzeugt wird, dafs nichts in der Welt beständiger ist, als frühe, auf Wissenschaft und Kunst und gründliche Thätigkeit gegründete Verhältnisse ... Was ächt ist, mufs sich eben in einem solchen Läuter-Feuer bewähren ...

So stellt sich die Pandoradichtung dar als die Ergänzung zum Vorspiele von 1807, dem sie auch im Stile verwandt ist. Dort weist Goethe auf die Pflichten hin, die einem jeden in der schweren Zeit obliegen:

Ces lohnt sich

Jeder selbst, der sich im stillen Hausraum
Wohl befleifsigt übernommnes Tagwerks,
Freudig das Begonnene vollendet.

was die Städte

Bauet, was die Staaten gründet:

Bürgersinn, wozu Natur uns

Eingepflanzt so Lust als Kräfte.

Diese Bürgertugend hat Goethe in den schlimmen Tagen selbst redlich geübt. Wir sehen ihn, wie er rettet, was zu retten ist. Gleich nach den ersten Schreckenstagen setzt er sich mit seinen Jenenser Freunden in Verbindung, damit der einzelne nicht im Gefühle hilfloser Isoliertheit verderbe, er schafft in seinem eigenen Hause klare, bürgerliche Verhältnisse und führt Christiane zum Altar, er sorgt bei den neuen Machthabern für das Weiterbestehen der Weimarischen und Jenaischen Anstalten für Kunst und Wissenschaft. So übt er, was er im Vorspiel empfiehlt:

Fromm erflehet Segen Euch von oben;

Aber Hülfe schafft Euch thätig wirkend

Selber.

Redliches Ausharren in aller Bedrängnis legt er im Vorspiel seinen Landsleuten ans Herz. Da spricht der erste Weimarische Bürger zu seinen Mitbürgern.

Dem gesamten Deutschland hat Goethe in der schlimmen Zeit Höheres zu sagen. v. Woltmann schreibt am 1. Oktober 1808 an Senator Smidt in Bremen: 'Hr. v. Goethe trägt sich mit der Idee, in dem bevorstehenden Winter einen Congress ausgezeichneter deutscher Männer in Weimar zu Stande zu bringen, damit

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