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XXXII. Band, 3. und 4. Heft.

Abhandlungen.

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Seite

257

Friedrich Nicolai im Kampfe gegen den Idealismus. Von Lasson
Lessing's Kampf gegen die französische Tragödie. Von Goldbeck. 287
Ueber indische Sagen. Von Dr. A. Glaser
Französische Uebersetzungskunst und französische Kritik. Von K
Laubert.

303

321

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Shakspeare Illustrated by The Lex Scripta. (Continued.) Von W. L.
Rushton

Lo libre de l'estoria e de la vida de Tobias, bon home e iust. Von
Julius Wollenberg

337

353

Sitzungen der Berliner Gesellschaft für das Studium der neueren
Sprachen.

375

Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Ueber die Zeit des Heliand. Von Dr. H. Middendorf. (Hölscher.)
Martin Opitz von Boberfeld. Von H. Palm. (Dr. Sachse.)
Walther von der Vogelweide identisch mit Schenk Walther von Schipfe.

Von E. H. Meyer. (Hölscher.)

Germania. Herausgegeben von F. Pfeiffer. (Dr. Sachse.)

Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. (Dr. Sachse.)

Deutsche Literaturbilder. Von J. L. Schäfer. (Hölscher.).

429

430

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434

439

441

Fichte, ein Vorbild des deutschen Volkes. Von L. Eckardt
Lessing und Goeze. Von Boden. (Lasson.)

Göthe in den Jahren 1771 bis 1775. Von B. R. Abeken. (Hölscher.) 442 Lessing der Philosoph. Von Dr. J. Jacoby

444

445

445

.

Ein Wort über meine „Erläuterungen zu Klopstock's Oden." Von H.
Düntzer

451

Noch ein Wort zu Düntzer's Erläuterungen. Von Dr. Laas
Stoffe und Aufgaben zu deutschen Aufsätzen.

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Demogeot, Histoire de la Littérature Française. E. Gerusez, Histoire

de la Littérature Française. (K. Laubert.)

Traité de versification française, par G. Weigand. (Dr. Muret.)
Li Romans dou chevalier au lyon, von Chr v. Troyes, herausg. von Dr.
W. L. Holland. (G. B.)

Praktischer Lehrgang zur Erlernung der italienischen Sprache. Von
H. v. Petit. (G. L. Staedler.)

Programmenschau.

De Reinmaro de Zweter. Von B. Hüppe

464

464

466

Der spieghel der leyen. Mitgetheilt von Dr. B. Hölscher. (Dr. Sachse.) 466
Die Augsburger Mundart. Von Dr. A. Birlinger. (Dr. Sachse.) .
Die deutschen Familiennamen. Von Dr. Andresen. (G. B.).
Was hat man bei der praktischen Erlernung neuerer Sprachen beson-
ders zu beachten? Von Dr. Laubert. (Dr. Muret.) . .

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Friedrich Nicolai

im Kampfe gegen den Idealismu s.

Die wissenschaftlichen Zustände unserer Zeit geben wenige Beispiele von heftiger Polemik. Diese Erscheinung könnte vielleicht auf das gesteigerte Bewusstsein der auch bei verschiedenen Ausgangspunkten gemeinsamen Arbeit an der einen grossen Aufgabe der Beförderung der Erkenntniss gedeutet werden. Es liegt ihr aber weit mehr die Thatsache zum Grunde, einmal dass. prinzipielle Gegensätze heute in weit geringerem Masse hervortreten, und dass andererseits die Persönlichkeit sich weit mehr in der Richtung verliert und weit weniger selbstständige Geltung beansprucht. Es ist in das wissenschaftliche Treiben ein mehr mechanischer, handwerksmässiger Charakter gekommen. In naiveren Zeiten hat eine lebhafte Polemik nicht selten eine wesentliche Bedeutung für die Entwicklung des nationalen Geistes, oder es sprechen sich doch in ihr gegenüberstehende Ueberzeugungen und Richtungen in höchst charakteristischer Weise aus. Deshalb verdienen solche persönlichen Zusammenstösse, wenn nur die einander bekämpfenden Gegner bedeutend genug sind, wohl genauer betrachtet zu werden. Das Wiederaufleben lassen, der erneute Anblick solcher veralteter Streitigkeiten möchte am ehesten dann ein wohlthuendes Interesse erregen, wenn der Sieg intensiver geistiger Tüchtigkeit über irgend ein schlechtes Princip, das etwa im Besitz einer ihm nicht gebührenden Macht sich befände, das verletzende Gefühl mildert, das feindselige Begegnung von Gegnern auf wissenschaftlichem Gebiete immer hervorruft. Ein solches Schauspiel aber gewährt der Streit zwischen den Idealisten und Nicolai.

Es ist dies kein Streit, der etwa nur entlegenere Fragen der

Archiv f. n. Sprachen. XXXII.

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strengen philosophischen Wissenschaft berührte. Die classische Epoche der deutschen Poesie ist gleichzeitig mit der Blüthezeit der deutschen Philosophie eingetreten, und zwar so, dass der Einfluss des speculativen Gedankens auf die geistige Eigenthümlichkeit wenigstens des einen der beiden Hauptvertreter jenes goldenen Zeitalters klar am Tage liegt. Die innere Gemeinsamkeit des Geistes, der den deutschen Idealismus in der Poesie wie in der Wissenschaft hervorgebracht hat, erscheint ebenso deutlich auch in dem gemeinsamen Gegensatze, den die Philosophie und die Poesie zu bekämpfen haben. Als einen bei aller persönlicher Unbedeutendheit durch äussern Einfluss bemerkenswerthen Vertreter der Gesinnung, die sich den Heroen unserer Poesie, wie unserer Philosophie feindlich gegenüberstellte, dürfen wir den Buchhändler Friedrich Nicolai bezeichnen.

: Es ist bekannt, wie Schiller und Göthe nicht abgelassen haben, auf den eben genannten Schriftsteller die Pfeile eines vernichtenden Spottes abzuschiessen. Er spielt unter den von den Xenien Getroffenen eine Hauptrolle; wo Göthe vollständige Verkehrtheit bezeichnen wollte, hat ihm sehr oft Nicolai herhalten müssen, besonders im Faust. Ebenso entschieden haben Kant, Fichte sich gegen Nicolai wenden müssen, und insbesondere des Letzteren Zwist mit Nicolai bildet aus einem doppelten Grunde eine interessante Episode in der deutschen Literaturgeschichte: einmal weil er Fichte'n zu einer Streitschrift den Anlass gegeben hat, die zu den meisterhaftesten polemischen Schriften irgend einer Literatur zählen möchte; andererseits weil der tiefe Gegensatz der wissenschaftlichen Speculation und des sogenannten gesunden Menschenverstandes, der Wissenschaft und der unwissenschaftlichen Aufklärung, ein Gegensatz, der für die deutsche Literatur am Ende des vorigen und zu Anfange dieses Jahrhunderts äusserst wichtig ist, kaum irgendwo so klar und mit solcher Bestimmtheit sich ausgesprochen hat, als in diesem Streite.

Als Kant seine Reform der Philosophie unternahm, war die herrschende Richtung des Philosophirens die der Popularphilosophen, Männer nicht übler Art, aber gewohnt, ohne wissenschaftliche Schärfe und ohne Sicherheit der Methode mehr die persönliche Gesinnung und das Gemüth walten zu lassen, als die zersetzende Macht der Dialektik. Die Schriften dieser Männer richteten sich naturgemäss an eine grössere Menge; wer nur zu den „Gebildeten" gehörte, konnte sie verstehen und wurde von ihnen in den Stand gesetzt, über die wichtigsten

Fragen, die ein gemüthliches Bedürfniss an die räthselhaften Mächte des Daseins stellt, sich eine Art von Urtheil zu bilden und eine Art von Urtheil abzugeben.

Kant, der die Gegenstände des Nachdenkens dieser Männer mit der grössten wissenschaftlichen Strenge behandelt, musste jene Leute auf doppelte Weise in Erstaunen und Verwirrung versetzen. Einmal dadurch, dass er eine Menge von Dingen, die sie für ganz unzweifelhaften und gesicherten Besitz ansahen, in Zweifel stellte und ihnen in entschiedenster Weise den Boden, auf dem sie mit so grossem Sicherheitsgefühl sich heimisch geglaubt hatten, unter den Füssen wegzog. Andererseits dadurch, dass er eine Sprache zu reden sich unterstand, die, so sehr sie dem tiefen Ernste seiner Untersuchungen angemessen war, von der gefühligen und eleganten oder geschwätzigen und gedankenlosen Redeweise der herkömmlichen Weltweisheit um ein Unendliches abstand. Er lud dadurch auf sich das unverzeihliche Unrecht, dass er das, womit sich alle Welt zu beschäftigen das Recht in Anspruch nahm, dem Verständniss Weniger vindizirte und in das innere Heiligthum der Wissenschaft zurückschob, wohin nur Tiefe und ernste Sammlung äusserst Wenigen den Zugang offen erhielt.

Der

So lebhaft die Thätigkeit war, die Kant's Principien allmählich in den Schulen der Wissenschaft bei Lehrern und Schülern anregten, ebenso lebhaft war der Widerspruch, den seine Manier und seine Resultate bei der grossen Menge der Philosophirenden fanden. gesunde Menschenverstand empörte sich gegen den Idealismus und seine Formeln. Zu einem der Hauptredner dieser Gesinnung machte sich Friedrich Nicolai, und seine ,,Allgemeine deutsche Bibliothek" war ein Sammelplatz für diejenigen, die etwas gegen die verstiegene Speculation Kant's und seiner Jünger auf dem Herzen hatten, wie für diejenigen, die gegen die idealen Kunstprincipien unserer grossen Dichter ihre Einwendungen vorzubringen beabsichtigten.

Die speculativen Resultate Kant's wurden durch die Fichte's überboten; der Gegensatz der „Verständigen" musste also zu der Fichte'schen Denk- und Redeweise noch viel stärker werden. Vor dem grossen Philosophen von Königsberg hatte man noch einigen Respect empfinden müssen, weil er schon bei Jahren und offenbar über die erste Hitze der Jugend hinaus, ferner weil er im Besitze einer ungemeinen Celebrität war, und weil er doch Manches gesagt hatte, das offenbar Scharfsinn bewies und auch sich ganz gut hören liess von dem Stand

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punkte der verständigen Leute aus. Fichte dagegen war noch ein verhält nissmässig junger Mann. So allgemein unter denen, die etwas von der Sache verstanden, die Anerkennung seiner hervorragenden Talente auch war, so wenig konnte er doch der Natur der Sache nach dauernd einen grösseren Anhang gewinnen, und bald stand er ziemlich vereinzelt da zwischen solchen, die von seinem Standpunkte aus über ihn hinausgegangen, und solchen, die hinter ihm zurückgeblieben waren. Seine Art und Weise ferner war noch viel ungebehrdiger, als die Kant's; seine Resultate noch kühner, unbegreiflicher, dunkler; seine Rede noch zuversichtlicher und für das populäre Verständniss undurchdringlicher. Gegen den musste und durfte man sich also schon etwas mehr erlauben, und so wurde er für Nicolai eine Art von Prügelknaben, an dem er alle seine Galle und seinen väterlich züchtigenden Zorn gegen den Idealismus ausliess nebst derjenigen Art von geistreichem Spotte, die ihm zu Gebote stand. Wir müssen hier auf Nicolai's Person mit einigen Worten eingehen.

Nicolai, ein „unstudirter Buchhändler," würde schon deshalb in der Geschichte der deutschen Literatur unvergessen bleiben, weil Les sing dereinst eine folgenreiche Verbindung mit ihm einging. Es wäre aber auch sonst ungerecht, verkennen zu wollen, dass er einmal seine Zeit gehabt hat, in der er etwas bedeutete. Es war eine Zeit, wo er theils durch geschäftliche, theils durch freundschaftliche Verbindungen begünstigt einen vortheilhaften Einfluss ausübte, indem er sich auf die Seite dessen schlug, was im Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung eben an der Zeit war. Nicht nur durch buchhändlerische Unternehmungen, die besonders durch Lessing's Betheiligung eine weitgreifende Bedeutung erlangten, sondern zum Theil auch durch eigene Schriften übte er einen wesentlichen Einfluss auf die Bildung und Richtung seiner Zeitgenossen. Seine Wirksamkeit hatte ihren Höhepunkt in seinen nicht ohne Lessing's Billigung gebliebenen „Briefen, den jetzigen Zustand der schönen Wissenschaften betreffend" 1755, in der „Bibliothek der schönen Wissenschaften," die von 1757 ff. unter seiner Mitwirkung erschien, und noch mehr in den berühmten „Briefen, die neueste Literatur betreffend" 1759 - 1766, in denen Lessing zum ersten Mal die Kraft seiner genialen Kritik übte. In dem, was Nicolai selbst beitrug, stellte er sich auf Seiten der Schweizer in ihrem Streite gegen Gottsched, billigte, wenn auch mit Kühle und Vorsicht, Klopstock's Bestrebungen und wies auf die englische Literatur als das beste Vor

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