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dass er sich nur aus der Casse dieser Akademie eine Pension verschaffen wolle, ohne weiter an ihren, ihm verächtlichen, Arbeiten Antheil zu nehmen. Ich musste auch obige Stellen anführen, damit man deutlich sähe, wie tief unter die Würde eines wahren Gelehrten Herr Fichte herabsinkt, und wie wüthend er in seiner Leidenschaft wird. Dass Herr Fichte in seiner Philosophie einseitig, und gegen seine Gegner intolerant ist, hat er freilich mit vielen anderen Philosophen gemein; aber ihm war es vorbehalten, in einer öffentlichen Schrift zu wünschen: dass sein Gegner aufgehenkt würde, damit er seine speculative Laufbahn beschlossen hätte." Würden wohl die Mitglieder irgend einer Akademie es eben wünschenswerth finden, die Herrn Schelling, Schad, Wagner, welche Herrn Fichte's Nachfolger und Schüler, sowohl in idealistischen Hirngespinnsten, als in Grobheit und Zanksucht sind, neben sich zu Collegen zu haben?" Nicolai stimmt

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sodann für das Einrücken des Herrn Ancillon des jüngeren als ordentliches Mitglied in die philosophische Classe,,,so wie es billig ist.“

Nicolai's Meinung drang durch, und mit Mehrheit einer einzigen Stimme wurde Fichte's Aufnahme in die Akademie abgelehnt. Fichten selbst, der 1805 als Professor nach Erlangen ging, hat diese Ablehnung wenig berührt. Ein Ersatz war, dass er 1809 Mitglied der Akademie der Wissenschaften zu München wurde. Die Volksstimme meinte, Fichte habe bloss deshalb nicht Mitglied der philosophischen Classe der Berliner Akademie werden können, weil er ein Philosoph gewesen. (Vergl. Fichte's Leben und literarischer Briefwechsel. Von seinem Sohne J. H. Fichte. 2. Auflage. Leipzig 1862. p. 357.) Was Fichte der Wissenschaft bedeutet hat, brauchen wir hier nicht auszuführen. Wie sehr sich Nicolai darin geirrt hat, Fichte's Ruhm für so ephemer und vergänglich zu halten, liegt in deutlichen Thatsachen vor. Selten ist eine Prophezeiung durch den Erfolg so gründlich widerlegt worden. Uebrigens ist es bekannt, dass auch Hegel, der andere grosse Lehrer der Philosophie an der Berliner Universität, es bis zum Mitgliede der philosophischen Classe der Berliner Akademie ebenfalls nicht hat bringen können. So gründlich und ausdauernd war die Mittelmässigkeit vertreten in der Philosophenclasse einer von Leibnitz gestifteten Akademie.

Lasson.

Lessing's Kampf gegen die französische Tragödie.

Zwischen Geschichte und Poesie ist, weil sie beide aus demselben Volksgeiste entstammen, nothwendig eine tief innerliche Verwandtschaft, die sich weiter sogar auf Religion und Philosophie erstreckt, denn auch diese scheinbar aller Einwirkung der Volksthümlichkeit entzogenen Mächte erliegen ihr vielfach und zwar nicht bloss in der Form. Diese tiefen Zusammenhänge nachzuweisen und so künstlerisch angelegte und vollendete Bilder der Volksgeister zu geben, wie sie geschichtlich langsam erwachsen sind, ist, seitdem durch die von Grund aus erneuerte Sprachwissenschaft, die geheimsten Verzweigungen der Vorstellungen des Menschen sicher nachgewiesen werden, eine Hauptaufgabe unserer heutigen philologischen und historischen Disciplinen geworden. Auf dem letzteren Gebiete hat für die Behandlung der europäischen Geschichte L. Ranke durch seine Entdeckung des Gegensatzes zwischen den romanischen und germanischen Völkern Epoche gemacht, indem durch dieselbe an die Stelle diplomatisch-militärischer Darstellungen eine wundervolle, farbenreiche Welt getreten ist, in welcher der Geschichtschreiber das tiefsinnige Drama des Kampfes um die Führerschaft der Geister in der europäischen Menschheit vor uns aufrollt. Der grosse Mann ich weiss wohl, dass er noch lebt, aber wann dürfte man dann von ihm reden, da er ja immer leben wird hat uns, indem er die Geschichte dreier Völker in der bedeutendsten Epoche ihrer Entwicklung darstellte, eine Reihe von Aufgaben vorgezeichnet, deren eine ich

hier näher charakterisiren möchte. Er hat damit, durch die Wahl der drei grossen Cultur- und Brudervölker, feindlicher Brüder freilich, auf den unauflöslichen Zusammenhang derselben hingewiesen, den lösen oder gar zerreissen zu wollen, in meinen Augen, ein Verbrechen an der Liebe, an der Bildung, an der Geschichte ist. So ist, seit dem vorbedeutenden Eide, den die karolingischen Brüder zu Strassburg sich schwuren, der Einfluss Frankreichs auf uns ein im Entwicklungsgange der Geschichte immer mächtiger und eingreifender geworden und, mag uns das nun lieb sein oder nicht, an allen unseren grossen Culturepochen, bis in das vorige Jahrhundert hinein, hat Frankreich einen hochbedeutenden Antheil sich zu vindiciren. Das umgekehrte Verhältniss war bis dahin nie eingetreten, mit Ausnahme der Reformationszeit, wo einerseits der französische Geist durch Calvin sich eine glänzende Genugthuung gab, andererseits die grosse Masse des Volkes die Neuerung aus sich ausstiess. Da nun, mit dem ideellen Einfluss, auch der politische wuchs und bisweilen stark genug war, wie er die deutsche Nation schon den Bildungsclassen nach, tief gespalten hatte, sie auch in zwei feindliche Lager zu treiben

man kann sich dabei an die, trauriger Zukunft volle, Scene erinnern, wo an den Ufern der Weser Arminius seinen Bruder Flavus, den Römerfreund bittet, sich zu erinnern: fas patriae libertatem avitam penetralis Germaniae deos matrem precum sociam -, so entstand doch endlich ein so erbitterter Gegensatz in der Nation, dass gerade in der Zeit, als der grösste Fürst des modernen Europas die rauhe vaterländische Eisenrüstung bereit willig gegen die goldglänzende des Gegners ausgetauscht hatte, ein gewaltiger Rückschlag erfolgte. Es ist der Anfang des grossen welthistorischen Kampfes, der bis 1815 gedauert hat, mit Rossbach und mit der Dramaturgie beginnt und mit Waterloo endigt. In den obenerwähnten drei Geschichts werken liegt nun aber, wie mir scheint, eine lebendige Aufforderung, sich Rechenschaft zu geben von der Natur jenes Einflusses, den der Proteus Frankreich bei so entgegengesetzten Eigenschaften des Charakters gerade auf Deutschland ausgeübt hat, von dem ich aber eine recht befriedigende Erklärung noch nicht gefunden habe. Es drängt sich nämlich hier die unwill

kürliche Frage auf warum war es nicht umgekehrt? und die andere, wie könnten wir jenen Einfluss, jetzt, nachdem Deutschland zum vollen geistigen Besitz seiner selbst gekommen ist, zurückgeben? Oder wäre gar Gefahr vorhanden, ihm noch einmal zu erliegen? Ich glaube es nicht, um so weniger, je mehr wir den Grund und die Natur jenes Einflusses erkennen, ́denn damit erfüllen wir das yvwd oavtor, die erste Bedingung wahrer Selbstständigkeit. Meine Bemerkungen zur Lösung dieser Fragen knüpfe ich an die französische Tragödie.

Wenn wahr ist, wie Vischer meint, dass Deutschland bestimmt sei, die ideale Tragödie der Zukunft hervorzubringen so hat Deutschland früh angefangen, sich dazu zu rüsten. Wer in Giesebrecht's deutscher Geschichte mit dankbarem Gemüth gegen den Verfasser, für den ich ein schönes Beiwort wüsste, wenn er nur Preussen nicht hätte verlassen können, die treffliche Schilderung der welterschütternden Fahrten französischer Ritterschaft gelesen hat

wie sie ausziehen über Land und Meer

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und um den Erdkreis zieh'n die Siegesbahn,"

wer die immer weitergreifenden Entdeckungen verfolgt, die auf dem Gebiete der mittelalterlichen Literatur in Bezug auf den Anschluss deutscher Dichterwerke an französische gemacht werden, selbst wenn wir, mit Karl Bartsch, ihnen erst die Seele eingehaucht haben, nein, nein!! der möge von keinem unheimlichen Gefühl sich überschleichen lassen, denn unser Deutschland ist es ja doch allein, welches die geistig-politischen Riesenkämpfe des Mittelalters durchgefochten hat, und dadurch, den stolzen Nachbar stolz überschattend, Centrum der europäischen Entwicklung geblieben ist! Schon zu der Zeit, als scheinbar nur kaiserlicher Ehrgeiz sich gegen Rom auflehnte konnte dies und ich betone es für den weitern Gang meines Vortrags nicht ohne tragischen Bruch der Gemüther geschehn. Eminent poetisch erscheint mir hier die Art deutscher Geschichte. Es ist die ästhetische Bedeutung des Wahlkönigthums, dass es, einen grossen, deutschen Stamm nach dem andern heranführend zum Kampfe, die ganze Fülle deutscher Charaktereigenthümlichkeit eröffnet, dass es immer volle Men

Archiv f. n. Sprachen. XXXII.

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schen, noch nicht versteinert durch den ererbten Besitz der höchsten Macht, unserer Sympathie darbietet. Aehnlich ist es mit den gegenüberstehenden Priestergestalten. Man hat ein Gefühl, als ob das Schicksal, nach dem tragischen Zeichen auf ihrer Stirn, sich seine Kämpfer auserwählen wollte. Am Ende des Kampfes weist Friedrichs II. Apostasie darauf hin, dass auch der volle geistige Bruch früher oder später eintreten muss. Wie untragisch und geschäftlich nüchtern ist dagegen der Kampf der französischen Staatsgewalt gegen das Papstthum! Das höchste Haupt der Christenheit treffen die Blitze des Vatikans. Und nicht lange dauerte es, so musste das ganze Volk, das deutsche Volk den kaiserlichen Kampf, den grossen Gang noch einmal wagen, um in unerhörtem Ringen, in qualvollen Wehen den deutschen Geist zur Welt zu bringen. Es war ein Ringen mit Gott, um die Himmelsleiter. Seit dieser Zeit, scheint mir, ist die Vermittlung zwischen Gott und Mensch die Hauptaufgabe deutschen Denkens und Lebens, zwischen dem Unendlichen und dem Einzelnen, dem Schicksal und dem Helden die edelste und tiefste Aufgabe deutscher Kunst und Poesie geblieben. Nur aus Herzen, welche um der höchsten Güter willen gelebt und gelitten hatten, konnte die Kunst der Versöhnung in so ergreifenden Klängen emporsteigen, nur diesem Volke aber selbst diesem kaum konnte es gelingen, auf dem Gebiete der höchsten Kunst den Hellenen würdig an die Seite zu treten, welchen im Heidenthume ja eine ähnliche Aufgabe zugefallen war, denn: παντες δε θεων χατεουσ ̓ ἀνθρωποι und άνδρες ἀθηναιοι, κατα παντα ὡς δεισιδαιμονεστέρους ὑμας θεωρω und

,,Dir ist's, o frommer Sophokles, gelungen

Den Punkt zu schau'n, wo Mensch und Gott sich scheidet ” Aber Frankreich hatte in der Krisis, mit einem Erfolge, welcher es geistig wieder unter uns stellt, das „,ense recidendum“ angewendet, wenn auch, nach dem Geschichtschreiber Calvin's, in keiner Kirche das Blut der Heiligen reichlicher floss - und der tiefe Abgrund, welcher Deutschland seitdem spaltete, gab uns in die Hände unseres Gegners. In den dreissig Trauerjahren schlug der fremde Einfluss die tiefsten Wurzeln. Nicht bloss, weil dem zerrissenen Deutschland, dem das siebenfache

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