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Schwert durch das Herz gestossen wurde, das unter einem Richelieu geeinigte Frankreich gegenüberstand, wir waren ja nicht unterworfen, nicht einmal besiegt worden; nein, weil die mit der Bruderfeindschaft tief vergifteten Gemüther in Deutschland selbst einen neutralen Boden den Boden der Bildung nicht finden konnten. Indem Frankreich, seinem

Wesen getreu, jene ihm von Deutschland gekommenen religiösspeculativen Gegensätze mit dem Uebertritt Heinrich's IV. zurückwies und, auf tieferem literarischen Gebiete, die Anfänge in Montaigne und mehr noch Rabelais, mit Boileau verwarf wie oft möchten diese Namen bei ihm vorkommen? fand es, im äusserlichen Anschluss an die griechische, aber im innerlichsten Bunde mit der römischen Antike, die neue neutrale Bildung. Um diese letztere Bemerkung wahr zu finden, sehe man auf einen Normalmenschen der damaligen Zeit, wie St. Evremond war, der lebt und webt in den Römern. Die edlen Formen dieser Bildung gefunden und sie von Descartes bis Charles Perrault auf fast alle Gegenstände des Denkens und Fühlens angewendet zu haben, die Schöpfung der modernen Prosa, die Hervorbringung eines ersten Ideals des gesellschaftlichen Lebens und die Stellung, welche den Frauen in ihm angewiesen wurde, die wenigstens augenblickliche Versöhnung der Stände in der Arbeit für das Wohl des Ganzen, die Einführung des Bürgerthums auf ein grossartiges Feld der bedeutsamsten politischen Thätigkeit im engsten Anschluss an den Monarchen, und endlich sein König Ludwig XIV., der, als man 1648 in Paris meinte, les rois ne sont plus de mode," ihnen zeigen wollte, dass es noch Könige gab: das waren die Grundlagen der geistigen Macht Frankreichs in seinem grossen Jahrhundert. Aber die Centralschöpfung war doch das französische Theater das erste stehende, nach Rosenkranz Ausdruck, seit denen von Syrakus und Athen und vielleicht fühlte das Ludwig, als er Molière's Tod königlich beweinte. Warum? nur das Theater, in seiner blitzartigen, eben durch die Darstellung unwiderstehlichen Einwirkung, an einem Abend Massen elektrisirend, ausgerüstet mit einem Style, welcher bleiben wird, wenn auch das Uebrige zusammenfallen sollte nur das Theater konnte unserer deutschen Literatur das Herz

ausbrechen und beinahe wäre es so weit gekommen. Schon baute und verzierte Gottsched gewissenhaft den Käfig, in welchem er Deutschlands Trutznachtigall regelrechteren Gesang lehren wollte, schon hatte Juno - Theresia Wolken zusammengetrieben von West und Ost und Süd, schon wünschte Voltaire den Deutschen mehr Geist und weniger Consonanten, da erschient ihr Geisterfürsten, Friedrich und Lessing, da leuchtete dein Wetterstrahl, Rossbach, da sandtest du Zürnender deine apollinischen Geschosse, da jauchzte das Volk, da zog Deutschlands Welttag herauf!

Aber nicht vom Kritiker wollte ich reden, nein, von unserm grossen deutschen Dichter Lessing. Wozu braucht ein Kritiker das Treiben unruhiger, brausender Jugend, wozu das läuternde Ringen um Versöhnung in den Schmerzen des Menschenlooses?

aber der Dichter braucht das Alles, und wer hätte es mehr besessen als Lessing? Wie? strebt bei diesem seltenen und wunderbar organisirten Geiste nicht Alles zur Production, ist nicht jede Studie der Keim zu einer solchen und sein Leben, krystallisirt es sich nicht immer von Neuem in vollgültigen, dichterischen Bildungen, in denen der Geist der Zeiten sich wiederspiegelt? Um die Ausgeburt der Hässlichkeit, den erdentstammten Python zu erlegen, musste Apollon vom Himmel herniedergestiegen und mit strahlender Schönheit umkleidet sein; so tödtlich sie waren, die blossen Pfeile reichten nicht aus.

Doch halt, Gleichnisse können weit führen und dieses hat mich schon viel zu weit geführt ich wünschte nur meine innerste Ueberzeugung auszusprechen, dass keine Kritik der Welt die Fessel der gallischen Knechtschaft gebrochen haben würde, man denke an die Schlussworte der Dramaturgie, wenn ihr nicht neue Schöpfungen zur Seite gestanden hätten. Ist es nicht leicht begreiflich, dass nur solche für die weiteren Kreise der Nation Bedeutung haben konnten? Denn ins Theater können viele gehen, die Dramaturgie lesen, schon wenigere. In der Verbindung freilich beider Kräfte muss man die glänzende, einzige Ausrüstung Lessing's zu seinem hohen Werke bewundern. Wie dem aber auch sei, ich spräche lieber, weil freier und muthiger, von dem Werke des Dichters, denn seine Kritik ist

das sage

ich vorläufig
seres heutigen Standpunktes.

überwunden, ist nicht mehr die un

Das Werk, in dem Lessing mit einem Instinct, welcher allein das Bewusstsein eigener Leistungsfähigkeit verräth, und nach zehnjähriger Vorbereitung, seine Angriffe vor allem auf die französische Tragödie richtet, die Dramaturgie, wird selbst in wissenschaftlichen Kreisen, denen aber ästhetische Studien ferner stehen, noch immer als der Köcher eines Odysseus angesehen, der die fremden Eindringlinge erlegt und dann seine Pfeile für den Nothfall zu beliebigem Gebrauche hinterlassen hätte. Man meint, man brauche da nur hineinzugreifen; dem ist nicht so. Wo wäre denn in unseren Tagen die Kritik der Dramaturgie unangetastet und unangefochten geblieben? Ihre Grundlage ist die Auslegung des Aristoteles an jener berühmten Stelle über die Erregung von Mitleid und Furcht und die Reinigung tov Te duarov, um mit derselben Auslegung die französische Tragödie aus den Angeln zu heben; es ist für Lessing der archimedische Punkt nun wohl, hat ihm nicht Jakob Bernays – παλαια τε πολλα τε είδως - in einer Abhandlung, von der Brandis sagt, sie sei selbst in lessing'schem Geiste geschrieben, diesen Punkt entrissen nach seiner eigenen Ueberzeugung wenigstens? Findet er nicht, dass man in Lessing's Geiste die Tragödie ein moralisches Correctionshaus nennen dürfte? Ich habe mich hineingewagt in das gelehrte Getümmel, trotz des πυξ τε παλαισμοσύνῃ τε και ἁλμασιν ήδε лodeσow hier nur einige Namen aus dem Katalog der Kämποδεσσιν pfer: Kock, Stahr, Susemihl, Fränzel, Zell, Walz, Spengel, Brandis. Es sind, wie man sieht, Athenienser darunter, nicht alle sind Lessing's Gegner, aber ich wünschte wohl, Beispiele geben zu können erlaubte es die Zeit wie seltsam oft seine Vertheidiger die Dramaturgie studirt und haben. Dem Freunde der französischen Tragödie solche noch sehen lassen dürfen, ich bekenne, ihrer etwa 80 für meine Zwecke durchgearbeitet zu haben ist nicht etwa die Stelle schmerzlich, wo die Dramaturgie sagt, die französische Tragödie sei keine Tragödie, denn vielleicht giebt ihr Freund das zu wohl aber die heftige, wo es heisst, sie sei das wässerigste, schaalste Zeug von der Welt! Lassen Sie

vergessen wenn sich

mich, meine Herren, die bedenkliche Aeusserung H. Hettner's anführen: „Wir müssen den gewaltigen Dichtungen Corneille's und Racine's wieder gerecht werden!" Was hätte Lessing dazu gesagt? Und hieran müsste sich die Geschichte der Kritik der französischen Tragödie in Deutschland seit Lessing anschliessen, die da vielleicht doch mehr respectable Bekanntschaften aufweisen würde, als man ihr das so zutrauen sollte; ich übergehe natürlich hier die dahin einschlagenden, von mir gesammelten zahlreichen Aeusserungen aber ich nenne auch hier die bedeutendsten ihrer Vertheidiger und Freunde: Prutz, Ed. Arndt, K. Fränzel, Mor. Carrière, Jul. Schmidt, Rosenkranz, Maasz in Neubrandenburg, der ihr sein Leben gewidmet hat und nur Lessing selbst mehr hätte schonen sollen, zahlreiche Verfasser von Schulprogrammen und Aufsätzen im Archiv. Um die französische Tragödie anzugreifen, hat Lessing Bundesgenossen aus Frankreich angenommen; nicht immer beachtet man hinlänglich seine starken Aeusserungen über den Einfluss Diderot's auf ihn, unter anderen die, wo er desselben Père de Famille als ein Stück nennt, welches in dunkler Nacht Licht gebracht hätte, welches sich lange, warum nicht immer auf der Bühne erhalten würde!-- meine Herren, ich frage nicht indiscret, wie viele von uns haben es gelesen; ich frage getrost, wie viele von uns haben es gesehen; und wäre vielleicht nur ehrenhalber mit jenem hervorragenden Individuum die Gattung bezeichnet, wo ist, zunächst in den Werken unserer beiden anderen Heroen, das häusliche Drama, in welchem Lessing, wie sich beweisen lässt, die Zukunft der deutschen Bühne sah?

Diese Thatsachen vorgetragen, wie es mir bei der Kürze der hier mir zugemessenen Zeit nicht anders gelingen wollte beweisen doch immer, dass in Bezug auf die Kritik der Dramaturgie ein Umschwung eingetreten ist. Aber welches ist sein positives Ziel? Vielleicht giebt es uns Ebert an, da, wo er in der Einleitung zur ersten speciellen deutschen, ich sage deutschen Untersuchung über die Geschichte der französischen Tragödie, nachdem er von der vieljährigen europäischen Herrschaft derselben gesprochen hat, also schliesst: ,,Das sind Erfolge, die bis dahin leider mehr den Zorn der ästhetischen Literarhistoriker, als ihren Scharfsinn zu erklären

herausgefordert haben!" Wenn ich an meine oben gegebene Charakteristik des Zeitalters Ludwig's XIV. und seiner Bildung erinnern darf, so ergab sich da, dass die Stärke dieser Bildung in ihrer Form bestand. Wie, wenn diese Form die Schule des deutschen Geistes gewesen wäre? Doch, wer wüsste das nicht, wer gestände das nicht, wenn auch murrend und widerstrebend, zu? Nun dann lasst auch der französischen Tragödie ihre Form, denn sie bedurfte ihrer, bedurfte der straffsten Anziehung der Regeln, um den Regellosen zu fesseln, bedurfte ihrer Einheiten, ihrer Hofsphäre, ihrer gewählten Sprache, und ihres mächtigen Rüstzeuges, des Alexandriners! Denn auch diesem haben Deutsche sich nicht geschämt, sein Recht werden zu lassen, eben jener Ebert, Tycho Mommsen, Viehoff, ja selbst deutsche Dichter, Rückert, Freiligrath, Geibel. Und man vergesse nicht, was Schiller von ihr und dem Gallier sagt:

Ein heiliger Bezirk ist ihm die Scene,
Verbannt aus ihrem festlichen Gebiet
Sind der Natur nachlässig rohe Töne,
Die Sprache selbst erhebt sich ihm zum Lied.
Es ist ein Reich des Wohllauts und der Schöne,
In edler Ordnung greifet Glied in Glied;
Zum ernsten Tempel füget sich das Ganze,
Und die Bewegung borget Reiz vom Tanze.

Ich nehme die Gedanken meiner Einleitung wieder auf. Zur
Abwehr brauchen wir die Kritik der Dramaturgie nicht mehr,
wenn sie auch stets eine deutsche Geistes that bleiben wird,
seitdem wir Nathan den Weisen, den edelsten, nur in Deutsch-
land gefundenen Ausdruck der Bestrebungen des 18. Jahrhun-
derts, Wallenstein und Iphigenie haben. Das 18. Jahrhundert
sah nichts historisch, wir Alles. Das heisst, wir wollen vor
allem die Dinge in ihrem innersten Wesen verstehen und,
haben sie bedeutend gewirkt, so fühlen wir unpartheiisch
das Bedürfniss, ihre Berechtigung nachzuweisen. In der
politischen wie in der Culturgeschichte gilt L.
gilt L. Ranke's
Wort: „Nur auf die Erkenntniss der grossen Motive und
ihrer Erfolge kann es uns ankommen." Ich gehe daran, in
kurzen Zügen das Gegenbild dessen zu zeichnen,
was ich

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