Deiner Mutter Leichnam dorten, Mich nun hast Du ihrem Körper Immer wird es wiederkehren, Immer steigen, immer sinken, Sich verdüstern, sich verklären, Er gebot ja buntem Fittig, Klarem Antlitz, schlanken Gliedern Mich zu prüfen, zu verführen; Sohn, ich sende Dich dem Vater! Ihm ist Keiner der Geringste Ruhend lauschen tausend Ohren, Heb' ich mich zu seinem Throne, Und ich werd' ihn freundlich mahnen, Was ich denke, was ich fühle Es ist hier nicht der Ort, auf die tiefsinnigen religionsphilosophischen Gedanken näher einzugehen, welche Goethe dieser indischen Legende, die manche Vergleiche mit Elementen der christlichen Mythen zulässt, einverleibt hat; der Hauptgrundgedanke dürfte sich wohl darin zusammenfassen lassen, dass vor Brama kein Ansehen gilt und dass der Höchststehende und Edelste in der Stunde der Versuchung dem Geringsten gleichsteht. Als Schluss folgt noch der Dank des Paria: Grosser Brama, nun erkenn' ich, Und verschliessest auch dem Letzten Keines von den tausend Ohren; Alle hast Du neu geboren. Wendet euch zu diesen Frauen, Die der Schmerz zur Göttin wandelt, Den, der einzig wirkt und handelt. Das Aufsehen, welches die neu erschlossenen Quellen der indischen Poesie in Europa machten, fand, wie bereits erwähnt, vorzugsweise in Deutschland Anklang. Eine Reihe bedeutender Dichter und Sprachforscher beschäftigten sich mit der Ueber tragung und Erklärung derselben. Zu Goethe's Zeit übersetzte der Orientalist Kosegarten, der Sohn des Dichters gleichen Namens, mehrere indische Werke, namentlich das Panchatantra, oder die fünf Bücher indischer Fabeln; später folgten Schlegel, Rückert, Bopp u. A., welche theils durch getreue Uebersetzungen, theils durch Bearbeitung einzelner Theile sich um diesen Zweig der Literatur verdient gemacht haben. Was den deutschen Lesern ganz besonders anziehend an diesen freinden Geistesblüthen erscheinen musste, war neben der zarten Empfindung namentlich die Pracht der Naturschilderung. Die eigenthümliche üppige Schönheit der unermesslichen indischen Wälder, deren hohe Bäume von wuchernden Schlingpflanzen bedeckt sind, der Glanz tausendfarbiger Blüthen, die mit süssem Duft die Sinne umweben, dann die Stille des majestätisch fliessenden heiligen Stromes, an dessen Ufern eine gestaltenreiche Thierwelt wohnt alles dieses findet sich in den Dichtungen der Inder mit lebhaftem Natursinne geschildert. Dieser lebhafte Natursinn steht im innigsten Zusammenhange mit der Lehre von der Seelen wanderung, welche auf die indischen Sagen ihrerseits wieder von grossem Einflusse war und namentlich den Thieren oft eine höhere Intelligenz beilegt. Elephanten und Affen nehmen, an den Kriegszügen mitunter in sehr selbständiger Weise Theil, Gazellen und Antilopen sind die Freundinnen und Gespielinnen der Königstöchter, oder der Trost einsam Büssender. So unter Andern in einer Episode aus dem Mahabarata, die uns Friedrich von Schack in seinen Stimmen vom Ganges sehr schön wiedererzählt. Dort hat sich nämlich der Sohn der Sakuntala, deren Geschichte ebenfalls ursprünglich aus dem Mahabarata entnommen ist nach langer segensreicher Regierung als Einsiedler in den Wald zurückgezogen, um nur dem Anschauen Brama's zu leben. Eines Tages fand er am Stromesrande eine junge hilflose Antilope, die er zu sich nahm und an welche sein Herz sich anschloss. Durch dieses Geschöpf wurde sein Sinn wieder vom Schöpfer selbst abgezogen: es war ihm gleichsam als Versuchung zugesandt, und da sein Sinn sich wieder erdenwärts durch ein Gefühl gewendet hatte. so musste er nach dem Tode, statt zu Brama, dem Urgeist. heimzukehren, nochmals eine Körperform durchwandern, indem er als Gazelle wiedergeboren wurde. In dieser Dichtung kommt ein Gebet des Barata vor, worin es unter Anderm schön und erhaben heisst: Höchster Welthort! Sonne des Lebendigen! In dem Lotoskelch der ganzen Schöpfung Schwebst Du als ihr Duft! Die Andacht bist Du Vor längerer Zeit unternahm Professor Holtzmann in Heidelberg eine sehr verdienstvolle Arbeit, indem er die beiden grossen indischen Sagenkreise einem genauen Studium unterwarf, aus dem Mahabarata sowohl wie aus dem Ramajana den eigentlichen Kern herausschälte, und alsdann auch noch mehrere der schönsten Episoden daraus selbständig bearbeitete. Unter dem Titel „die Kuruinge" giebt Holtzmann den dem Mahabarata zu Grunde liegenden Vernichtungskampf zwischen den Geschlechtern der Söhne des Kuru und des Pandu, welche beide von göttlichem Ursprunge sind. Die geschilderten Kampfesscenen nehmen oft einen etwas verwirrenden Charakter an, ohne jedoch der Grossartigkeit in Gruppirung und Scenerie zu ermangeln. Von den Episoden aus dem Mahabarata ist besonders die von Bopp und Rückert und neuerdings ebenfalls von Holtzmann bearbeitete Erzählung „Nal und Damajanti“ viel bekannt. Die unbegrenzte Treue der Königstochter Damajanti, welche ihrem Gatten Nalas ins tiefste Elend folgt, und selbst von ihm verlassen, ihm dennoch treu verbleibt und ihn wieder aufsucht, gehört zu den rührendsten Zügen dieser uralten heiligen Dichtungen der Inder. Im Ramajana wird die siebente Menschwerdung des Wischnu gefeiert, von dessen sechster Incarnation als Parasurama bei Gelegenheit der von Goethe bearbeiteten Legende die Rede war. · Die Einleitung ist wieder eine Erzählung von ergreifender Schönheit. Dasaratha, Ajozja's Beherrscher, als dessen Sohn Wischnu |