ページの画像
PDF
ePub

17) Ludwig Schmidt, Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ansgange der Völkerwanderung 11. la: Quellen und Forschungen zur alten Geschichte und Geographie, herausgegeben von W. Sieglin. Heft 7. Berlin 1904, Weidmannsche Buchhandlung.

Für uns kommt aus dieser Publikation nur ein Passus aus der über die Quellen handelnden allgemeinen Einleitung in Betracht. Von Tacitus' Historien und Annalen heißt es S. 9, daß die die germanischen Beziehungen behandelnden Abschnitte wahrscheinlich größtenteils aus Plinius geschöpft und daher von ganz besonderem Werte seien. Auch die Germania beruhe nur auf abgeleiteten Quellen und sei ein Ausfluß der sentimentalen Bewunderung der vermeintlich paradiesischen Zustände eines Naturvolkes, wie solche bei hoch kultivierten Nationen häufig wiederkehre. Tacitus sei mehr Rhetor als Historiker; Unparteilichkeit habe er zwar angestrebt, dieses Ziel aber nicht erreicht.

18) Arthur Stein, Die Protokolle des römischen Senates und ihre Bedeutung als Geschichtsquelle für Tacitus. Jahresbericht der 1. deutschen Staatsrealschule in Prag 1904. 33 S.

Das letzte Drittel dieser Abhandlung ist der Frage gewidmet, ob Tacitus, der die Senatsakten einmal (Ann. XV 74) ausdrücklich als von ihm eingesehen anführt, diese nur an der einen Stelle benutzt oder durchgängig verwertet hat. S. beschränkt die Erörterung dieser Frage auf die Annalen, hauptsächlich deren erste Hälfte, und führt zugunsten der zweiten Alternative folgende Beobachtungen an: die Kenntnis nebensächlicher Details, die Genauigkeit des Berichtes in solchen Fällen, wo derselbe Gegenstand auf die Tagesordnung mehrerer Sitzungen gesetzt ist, die Wiedergabe von Reden und Anträgen, die abgelehnt wurden, auch bei Gerichtsverhandlungen, deren Kenntnis nur aus den Senatsakten zu schöpfen war, und die nach ethischen Gesichtspunkten getroffene Auslese der abgegebenen sententiae, die darauf schließen läßt, daß ihm ein reiches Material zur Verfügung stand. Es sei freilich nicht zu leugnen, daß auch Dinge berichtet werden, die nicht aus einer offiziellen Quelle stammen können, sondern in letzter Reihe auf die Zeugnisse von Augenzeugen zurückgehen müssen. Diese Beobachtung sei jedoch der Annahme, daß der Schriftsteller den größten Teil der Tatsachen selbst amtlichen Quellen verdanke, ebensowenig hinderlich, wie der Umstand, daß er die Tatsachen in ein für Tiberius ungünstiges Licht zu rücken pflegt. II 88 zitiere er statt der Senatsprotokolle die zeitgenössischen senatorischen Schriftsteller, um seine Befriedigung darüber kundzugeben, daß auch diese von altem Römerstolz erfüllt sind und sich in der Geschichtschreibung von ähnlichen Prinzipien, wie er selbst, leiten lassen (?). Auch in der Erwähnung der Todesfälle bedeutender Männer außerhalb des Zusammenhangs der Erzählung sei eine Spur der Benutzung der Senatsprotokolle zu erblicken. Denn

Tacitus habe diese Mitteilungen, die er, zwölf an der Zahl, regelmäßig an den Schluß der Jahresgeschichte stelle, weil sie sonst nicht unterzubringen waren (während er nur in fünf von den zwölf Fällen ausdrücklich sage, daß der Todesfall am Ende des Jahres stattgefunden habe), vermutlich deshalb seinem Geschichtswerke eingefügt, weil den Verstorbenen durch Senatsbeschluß ein funus publicum zuerkannt worden war.

Man wird, wie Hirschfeld angekündigt hat, nächstens hören, wie Mommsen über das Verhältnis des Tacitus zu den Senatsakten

geurteilt hat. Steins Argumente reichen nicht aus, um von der Richtigkeit der von ihm vertretenen Ansicht zu überzeugen.

19) W. Haker, Claudii apud Tacitum Ann. XI 24 oratio et una cum capite praecedente commentario critico et exegetico enarratur et cum oratione vere habita ita comparatur, ut, quid inde de omni orationum Tacitearum indole colligatur, eluceat. Progr. Malchin, Städt. Realgymn. 1904. 21 S.

Der Bericht über den Inhalt dieser Arbeit wird nicht viel mehr Raum einnehmen als der Titel. Für seinen historischkritisch-sprachlichen Kommentar hat Verf. Nipperdeys Ausgabe stark benutzt, auch einige Erklärungen Pfitzners sich zu eigen gemacht. Von Einzelheiten ist nur erwähnenswert, daß er 23, 17 an moreretur festhält (?) und dann im Anschluß an Urlichs vermutet qui Capitolio et arce Romana (als Ablative der Trennung) manubias deorum olim praedati sint.

Der Vergleich der Reste der echten Rede des Claudius, die Tacitus ohne Zweifel bekannt gewesen sei, da er aus den Senatsakten geschöpft habe, mit der ihm von Tacitus in den Mund gelegten führt den Verf. zu dem Ergebnis, daß auch die übrigen Reden bei Tacitus der Mehrzahl nach nicht völlig frei erfunden, aber in ähnlicher Weise wie die des Claudius umgestaltet worden seien.

20) H. de la Ville de Mirmont, Notes sur Tacite (Histoires livre IV). Revue des études anciennes VI (1904) 2 (Avril-Juin) S. 103–130. Der erste Abschnitt dieses Aufsatzes ist dem Lebenslauf des älteren Helvidius Priscus gewidmet (Ann. XVI 28), den Verf. mit dem Legionslegaten des Jahres 51 (Ann. XII 49) und dem Volkstribunen des Jahres 56 (Ann. XIII 28) identifiziert. Hiergegen vgl. Nipperdey zu XII 49. Die Äußerung des Marcellus H. IV S se...bonos imperatores voto expetere, qualescumque tolerare, die man vielfach als einen Ausspruch des Tacitus ausgegeben habe, sei von Tacitus nicht dem Marcellus in den Mund gelegt, sondern den Acta senatus entnommen, die überhaupt als die Hauptquelle des Berichts über die Senatssitzung c. 6-10 anzusehen seien (dies ist schwer zu beweisen). Dagegen sei die Rede des Vocula c. 58 ein rhetorisches Erzeugnis des Tacitus selber, der manche Gedanken aus Sallust und Livius geschöpft habe (man findet diese

Reminiszenzen bei Heraeus). Die c. 70 erwähnte ala Singularium unter Julius Briganticus sei von Vitellius gebildet worden; die Cadres habe vermutlich jene ala der Armee des Otho geliefert, welche von demselben Briganticus befehligt wurde (II 22) und ohne Zweifel aus Batavern bestand. Die Bedeutung der Bezeichnung Singulares bleibt zweifelhaft. Der Ertrag der Abhandlung ist, wie man sieht, gering.

21) Philippe Fabia, La lettre de Pompeius Propinquus à Galba et l'avènement de Vitellius en Germanie. Beiträge zur alten Geschichte IV S. 42-67.

[ocr errors]

Fabia deckt eine Differenz zwischen H. I 12 und 55 auf: dort heißt es, Pompeius Propinquus habe gemeldet, daß alle drei Legionen des obergermanischen Heeres revoltiert hätten; hier wird dies nur von den beiden Mainzer Legionen, der 4. und 22., berichtet, während von der 21., die in dem entlegenen Vindonissa stand, überhaupt nicht die Rede ist. Daß an der ersteren Stelle eine Ungenauigkeit nicht des Propinquus, sondern des Tacitus. oder seiner Quelle vorliegt, gehe daraus hervor, daß Galba sich I 16 (duae legiones) und 18 (quartam et duoetvicensimam legiones) über den wahren Tatbestand unterrichtet zeigt neue Nachrichten erhielt er erst nach der Adoption: I 19. 50 ferner daraus, daß, wenn Propinquus mit seinem Schreiben gewartet hätte, bis er erfahren hatte, daß die 21. Legion sich der Bewegung angeschlossen habe, er sicherlich die in Köln erfolgte Erhebung des Vitellius zum Imperator ebenfalls gemeldet haben würde; denn diese mußte in Trier früher bekannt sein als dort eine Nachricht aus Vindonissa eintreffen konnte. Die 21. Legion habe sich vermutlich am 3. Januar gegen Galba, ein wenig später für Vitellius erklärt. Dieselbe Ungenauigkeit wie I 12, wo der Schriftsteller sich deshalb mit einer allgemeinen Angabe1) begnüge, weil diese ausreichte, um hervorzuheben, welchen Einfluß die Nachricht auf die Entwickelung der Dinge in Rom hatte, liege I 57 (superior exercitus und scires... fuisse), I 56 (superiorem exercitum, wo Vitellius die Ausdehnung der Revolte im eigenen Interesse über

1) Summarische und ebendeshalb ungenaue Angaben findet man auch in den Annalen. Man vergleiche I 63 legiones classe, ut advexerat, reportat mit I 70 legionum, quas navibus vexerat, secundam et quartam decimam itinere terrestri P. Vitellio ducendas tradit; I 13 omnesque praeter Lepidum variis mox criminibus struente Tiberio circumventi sunt mit VI 47 invalido ac fortasse ignaro ficta pleraque ob inimicitias Macronis notas in Arruntium; III 19 una omnium Agrippae liberorum miti obitu mit IV 71 Iulia mortem obiit, wo einer Gewalttat nicht gedacht wird; IV 71 mit VI 4, woraus hervorgeht, daß incolumi Tiberio allein auf Lucanius Latiaris, nicht auf seine Genossen bezogen richtig ist. Auch facta et de mathematicis ... senatus consulta II 32 ist, wie wir aus einem Fragment des Ulpian wissen, eine summarische Angabe, deren Ungenauigkeit darin besteht, daß die hier gemeinten Senatsbeschlüsse sich auf zwei Jahre verteilen. Vgl. auch Nipperdey zu a Cheruscis Langobardisque II 46.

treibe) und wahrscheinlich auch I 50 (superioris Germaniae exercitus) vor.

In bezug auf den Charakter der Revolte bestehe zwischen I 12 und 55-57 Übereinstimmung: die Mainzer Legionen wollten nicht etwa die Republik wiederherstellen; sie erhoben sich nur gegen die Person des Galba; ihr Standpunkt war der vor kurzem von Vindex, Galba und Verginius vertretene. Somit seien die Worte in dem Briefe des Propinquus senatui ac populo Romano arbitrium eligendi permittere ein guter Kommentar zu dem Bericht I 55 senatus populique Romani... nomina sacramento advocabant, und mit Unrecht nenne Tacitus diese Namen oblitterata. Die Absicht der Mainzer Legionen, an Senat und Volk, sobald sie sich der Stimmung der übrigen germanischen Legionen versichert hätten, eine Gesandtschaft zu schicken (deren Ankündigung in dem Schreiben des Propinquus enthalten sei in den Worten imperatorem alium flagitare), sei durch ihren Anschluß an Vitellius hinfällig geworden. Die Eile, womit sie diesen Anschluß vollzogen, beweise, daß ihr Eid auf Senat und Volk, denen sie nur eine Scheinwahl einräumten, nicht ernst zu nehmen war (inane I 56 ohne Bedeutung') und einen Hintergedanken in sich barg, wie einst der des Vindex, Galba und vielleicht auch des Verginius. Denn dem Sohne des L. Vitellius (id satis videbatur I 9) gehörten die germanischen Heere schon vor dem 1. Jan. 69; in ihm glaubten sie, nachdem ihnen früher ein Führer gefehlt hatte (dux deerat 1 8), ihren Mann gefunden zu haben.

Durch einen Vergleich des taciteischen Berichts über die Erhebung des Vitellius mit dem der andern Zeugen, besonders des Plutarch, sucht Fabia sodann zu zeigen, daß die Darstellung des Tacitus zwar einiger Berichtigungen und Ergänzungen bedarf, im ganzen aber der der andern Berichterstatter überlegen ist, sowie daß Tacitus und Plutarch aus derselben Quelle schöpfen. Die wichtigste Ergänzung sei in dem enthalten, was Plutarch von einer Beratung der Offiziere und einer Rede eines derselben nach der Eidesleistung am 1. Januar erzählt. Dieser Bericht müsse als beglaubigt gelten; in der Rede des Offiziers habe Plutarch einen Teil der Gedanken der Anrede des Vaiens an Vitellius (H. I 52) entlehnt. Der Bericht sei kein Einschub: er stehe im Zusammenhange mit dem Vorhergehenden und mit dem Folgenden. Dadurch, daß Tacitus ihn unterdrückte, habe er die Sendung des Adlerträgers eines Teils ihrer Begründung, seine Meldung eines Teils ihres Inhalts und die Handlungsweise des Vitellius eines wichtigen Momentes in ihrer Motivierung beraubt.

22) Philippe Fabia, L'adhésion de l'Illyricum à la cause

Flavienne. Revue des études anciennes V S. 329-382.

Die Abhandlung enthält ein 'examen critique' der Kapitel H. IV 85. 86 und gelangt zu Ergebnissen, die dem Ansehen des Tacitus nicht günstig sind. Ihr Inhalt ist folgender.

Jahresberichte XXX.

22

Interim, das im Einklang mit der gleichmäßig überlieferten Chronologie, nach welcher die Revolte der orientalischen Truppen der der illyrischen vorausging, die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, die jetzt erzählt werden, mit den jüngsten der eben erzählten bezeichnet, gehört logisch nicht zu accelerata denn die Wirkungen des Ereignisses traten erst später ein, sondern zu dem Part. transgressi1), welches eigentlich den Hauptsatz bilden sollte2). Im zweiten Satze sollen die Worte imbutae... interfuissent, wie auch die folgenden Aquileiam progressae . . . egerant, die grammatisch nur von den beiden zuletzt genannten Legionen ausgesagt sind, von allen dreien gelten 3). Das zur Insurrektion treibende Motiv war bei allen illyrischen Truppen dasselbe: anstatt es durch eine einzige, für alle Truppen gültige Aussage zu bezeichnen, hat Tacitus es für die mösischen und die pannonischen Truppen gesondert angegeben, für die dalmatischen verschwiegen. Ebenso fehlt eine zusammenfassende Bemerkung über die gleichartige Haltung der drei Befehlshaber und deren Begründung; ferner die ausdrückliche Angabe, daß unter den illyrischen Heeren zuerst das mõsische sich erhob, und die Antwort auf die Frage, warum die dritte Legion die Initiative ergriff. Man findet diese Antwort II 74, wo aber, um sie ausreichend zu machen, aus Sueton zu transisset zu ergänzen ist sub exitu Neronis. Auch die Darstellung des Vorfalls in Aquileia bedarf einer Ergänzung aus Sueton; denn Tacitus verschweigt, daß die mösischen Truppen den Namen des Vespasian auf die Feldzeichen setzten. Außerdem wäre diese Episode besser an ihrer chronologischen Stelle, II 66, erzählt worden, wo, wie Sueton vermuten läßt, die Quelle sie hatte, zumal da so der kausale Zusammenhang des Ereignisses von Aquileia, das gegen Ende April stattfand, mit der Proklamation des Ti. Alexander gewahrt worden wäre. Am Schlusse des nächsten Satzes wäre ostendebant oder minitabantur angemessener als parabant). Daß das mösische Heer auch an die dalmatische Legion ein Schreiben richtete, darf man vermuten, obwohl Tacitus es nicht sagt. Wie sich Aponius bei der mösischen Revolte benahm, erfahren wir erst c. 96. Die Erzählung von dem Attentat des Aponius auf Julianus und dessen abenteuerlicher Flucht ist hier recht gleichgültig und hätte im vierten Buch (c. 39. 40) nachgeholt werden sollen. C. 86 scheint haud cunctanter zu be

1) Vgl. crebra post haec fama fuit Ann. XI 34 und XII 62 missas posthac copias, wo post haec zu prolocutum, posthac zu memorabant gehört. 2) Vgl. Nipperdey zu exerciti Ann. III 55, elapsam IV 64, quin et... appositum XII 57.

3) Es muß in der Tat auffallen, daß die Herausgeber an diesem unleugbar vorhandenen Fehler in der Ausdrucksweise des Tacitus bisher vorbeigeglitten sind.

4) Parabant steht vielleicht in dem Sinne von non modo minitabantur, verum etiam parabant und drückt somit aus, daß die Drohung nicht nur erfolgte, sondern auch keine leere war.

« 前へ次へ »