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richt über den Feldzug des Jahres 15 eine Einlage, und zwar eine an sehr ungeschickter Stelle eingefügte.

Nicht aus den Senatsakten stamme z. B. das II 88 Erzählte, nicht bloß weil die Notiz am Schluß des Buches und der Zeit nach am falschen Platze stehe (denn Arminius' Tod gehöre ins Jahr 21) und offenbar nachgetragen sei, sondern vor allem, weil die eigentümliche Berufung auf die scriptores senatoresque eorundem temporum keinen Sinn haben würde bei einem im Senatsprotokoll verzeichneten Aktenstück. Die rhetorische Literatur sei Tacitus ohne Zweifel geläufig gewesen: z. B. rühre sicher ein großer Teil der detaillierten Schilderung von Pisos Auftreten vor und nach dem Tode des Germanicus aus der, wie Plinius bezeugt, publizierten Rede des Vitellius her. Die Unterredung zwischen Tiberius und Agrippina IV 53 entstamme den Memoiren der jüngeren Agrippina, den Acta diurna die Verzeichnisse der in jedem Jahre vorgekommenen Todesfälle namhafter Personen, mit denen Tacitus den Jahresbericht zu schließen pflegt.

Man sieht, daß die Ausführungen Steins, über die ich oben berichtet habe, in gewissen Punkten von Mommsen bestätigt und ergänzt werden, während dieser die Frage, ob Tacitus selber die Senatsakten eingesehen habe, im entgegengesetzten Sinne beantwortet.

63) Conrad Cichorius, Zur Familiengeschichte Sejans. Hermes 1904 S. 461–471.

In Volsinii hat man eine Inschrift gefunden, an deren Anfang der Name des als Präfekt von Ägypten gestorbenen L. Seius Strabo, des Vaters des Sejan, mit Sicherheit ergänzt wird. Hier wird als Mutter des Seius Strabo Terentia, A. f., als seine Gattin Cosconia Lentuli Malugin. f.] Gallitta genannt. Unter Terentia A. f. ist

nach Cichorius die Schwester des A. Terentius A. f. Varro Murena, cos. 23 v. Chr., und der Gemahlin des Mäcenas, sowie des C. Proculeius zu verstehen. Diese verwandtschaftlichen Beziehungen erklären die glänzende Karriere des Seius Strabo. Die Mutter des Sejan hat man bisher vielfach Iunia genannt, weil Tacitus den Q. Iunius Blaesus, cos. 10 n. Chr., als avunculus des Sejan bezeichnet. Da der neue Fund diese Vermutung widerlege, so habe man, meint Cichorius, vielleicht anzunehmen, daß Blaesus mit einer Schwester von Sejans Mutter verheiratet gewesen sei. Cosconia Gallitta aber, die Mutter des Sejan, deren Name sich durch Adoption oder Benennung nach mütterlichen Verwandten erklären möge, stammte aus einem der allervornehmsten römischen Geschlechter, was mit der Angabe des Vellejus über Sejans mütterliche Herkunft stimmt. Denn Brüder der Cosconia waren die Konsularen Cossus Lentulus, cos. 1 v. Chr., P. Lentulus Scipio, cos. 2 n. Chr., und Ser. Lentulus Maluginensis, cos. 10 n. Chr., den Tac. Ann. lll 58. 71. IV 16 nennt. Der Vater dieser vier 24

Jahresberichte XXX.

Geschwister, Cn. Lentulus, muß, wie die Inschrift bezeugt, bereits den Beinamen Maluginensis geführt haben. Vettern des Sejan (consobrinos consulares Vell. II 127) waren P. Lentulus Scipio, cos. 24, Ser. Cethegus, cos. 24, Cossus Lentulus, cos. 25, Cn. Lentulus Gaetulicus, cos. 26, und Q. Iunius Blaesus, cos. 28.

Demnach war Sejan, der schon durch seine Mutter und Großmutter in die Kreise der ersten Gesellschaft Roms gehörte, kein Parvenu, und seine Bewerbung um die Hand der Witwe des Drusus erscheint nicht mehr als abenteuerliche Vermessenheit.

64) L. Parmeggiani, Claudia Atte, liberta di Nerone. Rivista di storia antica VIII 3/4 s. 455-465.

Eine Zusammenstellung dessen, was uns über Acte, die Freigelassene des Nero (welche, inschriftlichen Zeugnissen zufolge, die letzte Zeit ihres Lebens in Sardinien verbracht zu haben scheint), überliefert ist, und ein Versuch, über die Natur ihres Verhältnisses zu Nero, über die Frage, wie weit sie auf den Gang der Ereignisse Einfluß hatte, und ihren Charakter Klarheit zu gewinnen: sicherlich habe sie ihren Einfluß auf Nero niemals mißbraucht.

65) Léopold Constans, Corrections au texte de Tacite. Mélanges Boissier S. 133-134.

C. empfiehlt, Ann. I 51, da der Gebrauch der Dative itineri et proelio ohne ausreichende Parallelen sei, mit F. W. Otto paratus einzuschieben, das vor pars leicht habe ausfallen können. H. II 11 schlägt er vor sed lorica ferrea usui et ante signa pedes ire.

Berlin.

Georg Andresen.

7.

Tacitus' Germania.

Beiträge zur Kritik und Erklärung.

1. Die Bedeutung des codex Toledanus für die Germania

kritik.

Abbott entwirft in seiner Abhandlung über die Toledohandschrift der Taciteischen Germania (JB. 1903 S. 276-280) zwei Stammbäume der wichtigsten Hss. der Germania. In dem einen bildet die Hs. Enochs von Ascoli (der cod. Hersfeldensis), mit der er 1455 aus Deutschland nach Rom zurückkehrte, ein Mittelglied zwischen ihr und der Hs. B (Vat. 1862) und dasselbe Mittelglied auch zwischen ihr und Hs. E, dem Archetypus der von Müllenhoff so benannten E-Klasse der Hss., von dem die Toledaner Hs. abstammt; in dem andern wird B als der direkte Abkömmling von Enochs Hs. betrachtet, und in diesem Falle wird dann auch E zu einem direkten Abkömmling von Enochs Hs.

Zieht man nun auch nur das eine oder das andere in Betracht, so muß man die Lesarten dieser Toledaner Hs. als wertvoll ansehen für die Behandlung des Germaniatextes an den Stellen, wo die beiden vatikanischen Hss. 1862 und 1518 nebst der Leidener (b) und der Neapolitaner (c) schwanken; aber man darf auch mit Recht vermuten, daß der Stammkodex aller fünf Hss. jene Hersfelder Hss. gewesen ist.

Zunächst möchte ich über den Schreiber der Toledohs. eine kurze Bemerkung machen. 1, 11') hat er und zwar Ta, d. h. der zweite Korrektor, septimus in septimum korrigiert und darüber .N., d. h. enim, hinzugefügt. Dies ist unbedingt eine eigene Konjektur. Im Anschluß hieran muß man darauf achten, ob etwa noch mehr Konjekturen nachzuweisen sind, oder ob durch solche Konjekturen der Text im Sinne des Schreibers beeinflußt worden ist. 12, 10 lesen vier Hss. conciliis, T allein hat comitiis vielleicht verlesen oder verschrieben, oder ob er seine Kenntnis der römischen Staatsaltertümer zeigen wollte? Vgl. 13, 8 adolescentibus statt adulescentulis. 14, 2 findet sich wieder eine Konjektur von T: virtutem principis adaequare hat er in virtute principem adaequare umgewandelt; die Konstruktion adaequare aliquem aliqua re scheint er allein für richtig zu halten. 18, 12 schreibt T statt

1) Ich zitiere nach Halm, ed. 4.

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der Lesart der andern Hss. sic vivendum, sic pereundum (B hat pariendum): sic viventes, sic parientes; die Partizipien ergeben aber, wenn sie zu dem folgenden accipere bezogen werden sollen, keinen rechten Sinn, namentlich das parientes nicht. 29, 21 schreibt T collati, wo die andern Hss. collocati haben: er hat also conferre vor collocare den Vorzug gegeben, wahrscheinlich aus Versehen, da es nicht paßt. 29, 12 bieten die andern Hss. cetera similes; T2, d. h. der dritte Korrektor, hat über das a von cetera ein i geschrieben; er hat also den Akkusativ der Beziehung nicht verstanden. 29, 20 schreibt T par statt pars sollte er auch diese Stelle nicht verstanden und an das Adjektiv par gedacht haben? Auch das schöne Wort tam diu Germania vincitur (37, 10) hat T nicht verstanden, denn er schreibt tam diu in Germania vincitur, was ja eine äußerlich leichte Änderung sein mag, aber den eigentlichen Sinn völlig vernichtet. - 45, 22 haben die andern Hss. fecundiora igitur; T allein schreibt ergo statt igitur: warum, ist nicht einzusehen; sollte er die vorhergehenden Buchstaben ora als ergo gelesen und dann das folgende igitur als überflüssig weggelassen haben? Übrigens steht ergo in der Germania 19, 1 und 22, 13 stets an erster Stelle und ebenso fast immer in den anderen Werken. 46, 13 schreibt

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lesen.

Meiser

T sola spes, während die andern Hss. solae spes hat hier opes für spes konjiziert; aber in einer wertvollen Hs. steht der Singular, wonach opes nicht in dem Stammkodex gestanden haben kann; T aber schrieb sola, weil er lieber von der einzigen Hoffnung spricht, die in den Pfeilen liegt, als von den dichterisch verstandenen einzigen Hoffnungen.

Bei den angeführten Beispielen liegt die Abweichung von der La. der maßgebenden Hss. in dem Verlesen oder Verschreiben oder in dem mangelnden Verständnis; einige Male hat der Schreiber eigene Konjekturen aufgenommen, überall so durchsichtig und klar, daß man weitere Betrachtungen darüber nicht anzustellen braucht.

Was aber sonst in dem Toledaner Kodex als Randbemerkung zu finden ist, die Varianten und die Fehler, die dem T mit den vier Hss., BbCc, gemeinsam sind, das muß alles auch in dem gemeinsamen Stammkodex gestanden haben. Bestätigt wird dies durch folgende Tatsachen. Es fehlt 2, 21 etiam; 25, 8 est; 33, 5 invidere; 37, 8 si; 37, 22 versae; 45, 24 terrisque inesse crediderim quae vicini solis; 46, 10 sunt; 46, 24 ego; aber an fünf anderen Stellen ist das ausgelassene Wort hinzugeschrieben, das völlig mit der La. der anderen Hss. übereinstimmt, so 13, 15 cuique (an den Rand geschrieben von Ta); 14, 3 ac (von Ta); 14, 16 et (von Ta); 16, 4 et (über die Zeile geschrieben von Ta); 45, 26 litora (an den Rand geschrieben von T1). Abbott ist der Ansicht, daß die dreierlei Korrekturen, welche sich in der Toledaner Hs. finden, und die schon nach der verschiedenfarbigen Tinte deutlich zu

erkennen sind, alle von dem eigentlichen Schreiber Angelus Crullus Tuders, Stadtschreiber zu Foligno (1474), herrühren. Er meint, bei der mehrjährigen Arbeit habe er noch eine andere Hs. als den Archetypus von T, wahrscheinlich sogar zwei solche Hss. im Gebrauch gehabt. Das wäre ja möglich; nur bleibt es dann wunderbar, daß er die oben angeführten acht Lücken gar nicht bemerkt haben sollte. Ferner: alle fünf Hss. (TBb Cc) lesen. 3, 6 nec tam voces ille (= illae) quam virtutis concentus videntur: so stand also in der Hs. Enochs von Ascoli, dem codex Hersfeldensis; von dort war diese La. in alle von ihr abgeschriebenen Hss. hinübergenommen, und doch erkannte schon Rhenanus die Unhaltbarkeit des Plurals videntur nach dem Singular concentus, und so vollzog sich auch die Wandlung in vocis. 6, 10 lesen alle fünf Hss. galeae, was Rhenanus in galea verbesserte; denn obgleich Tacitus den Wechsel von Singular (cassis) und Plural (galeae) an und für sich liebt, so ist doch der Plural nach der distributiven Teilung uni alterive unmöglich. Das e stammt für alle fünf Hss. wieder aus der Hs. Enochs und ist von dem folgenden equi herübergenommen. 40, 9 steht in allen fünf Hss. ea, Rhenanus hat es in eo, auf nemus bezüglich, verbessert, und auch 41, 1 hat Rhenanus das Richtige erkannt, indem er das in allen Hss. be-findliche verborum in Sueborum veränderte. 16, 12 steht in allen fünf Hss. hiemi; 46, 16 heißt es ferarum imbriumque suffugium, A. IV 66, 11 malorum suffugium, und Tacitus liebt den Wechsel der Kasus; darum hat Reifferscheid hiemis vorgeschlagen: suffugium hiemis (vor..), receptaculum frugibus (für..). — 21, 14 steht in T ebenso wie in den vier anderen Hss. victus inter hospites comis, und diese La. hat Rhenanus ebensowenig angetastet wie die vorige (16, 12); dies tat erst Lachmann, der sein vinctum inter hospites comitas als 'unice verum' empfahl. Endlich steht 44, 9 in allen fünf Hss. ministrantur; aber da beide Sätze durch nec-nec gleichgestellt und verbunden sind, so ist ein solcher Wechsel, bei dem naves zu ministrantur Subjekt wäre und Suiones zu adiungunt, auch bei Tacitus nicht zu rechtfertigen. Daher muß man die Verbesserung des Lipsius ministrant als richtig anerkennen. Auch 35, 6 steht in T implet, wo nicht implentur, sondern implent zu lesen ist, und 37, 2 tenent, wo nicht tenentur, sondern tenent zu lesen ist.

Die oben genannten sieben Stellen waren so, wie sie selbst in dem cod. Hersfeldensis gestanden haben, der Verbesserung bedürftig, und für fast alle faud sich diese auch leicht. Erheblicher aber und erfreulicher ist der Gewinn, der der Germania des Tacitus dadurch zuteil wird, daß an einer Anzahl von Stellen, wo die Laa. in fast allen fünf Hss. übereinstimmen, an denen aber auch der Ausdruck korrekt ist, die Unsicherheit beseitigt wird, die man bisher in bezug auf den Text annehmen mußte oder wenigstens annehmen zu müssen glaubte. Ich hebe aus

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