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behandelten Zeitraum wie dem 5. und 4. vorchristlichen Jahrhundert durch Stellung neuer Fragen nicht unbedeutende Ergebnisse abgewinnen lassen, und gerade für Xenophon war die Ausbeute nicht gering gewesen1).

B. hatte damals zwei verschiedene Methoden der griechischen Geschichtschreiber des 5. und 4. Jahrhunderts in der Art der Behandlung des Individuums nachzuweisen gesucht, die sog. indirekte Charakteristik (Thukydides und Xenophon als sein Fortsetzer in den Hellenika) und die direkte (Xenophon in der Anabasis).

In der vorliegenden kleineren Arbeit des der Wissenschaft leider so früh entrissenen Verfassers wird diese Unterscheidung an einigen Geschichtschreibern der späteren Zeit erprobt (Polybius, Livius, Tacitus u. a.), und es wäre eigentlich kein Anlaß, in diesem Berichte des Buches zu gedenken, wenn nicht auch in ihm einige treffliche Bemerkungen über unsern Historiker sich fänden (S. Vf., 43 f., 62 f., 67). Abgesehen davon, daß der Verfasser das Ergebnis des größeren Werkes für X. hier mehrmals kurz zusammenfaßt, hebt er ein ,,eigentümliches Ergänzungsmittel der indirekten Methode, wie schon bei Thukydides, so noch mehr bei X. hervor, daß nämlich bei dem ersten oder bedeutungsvolleren Hervortreten einzelner Personen kurze, charakterisierende Vermerke gemacht werden, besonders bei solchen, welche die Erzählung sonst gar nicht oder nur wenig berücksichtigt. Bei Hauptpersonen wie Agesilaos fehlen sie (s. a. Hauptwerk S. 43 ff.).

6) Otto Seeck, Die Entwicklung der antiken Geschichtschreibung und andere populäre Schriften. Berlin 1898, Siemenroth & Troschel. VIII u. 339 S. 8. 5 M.

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Anzeigen: F. Cauer, Berl. phil. WS. 1899 Sp. 338-342.
R. v. Scala, DLZ. 1899 Sp. 1105 f. J. Jung, N. phil. Rdsch. 1899
S. 134 ff. Erhardt, Mitt. a. d. hist. Lit. 1899 S. 129-134.
A. Bauer, Ztschr. f. d. öst. G. 1899 S. 757 0. Rev. crit. 1900
S. 382 f. K. J. Neumann, Hist. Z. 1900 S. 162.

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Von den sechs Aufsätzen, die in diesem Sammelbande vereinigt sind, bietet der erste ,,Die Entwicklung der antiken Geschichtschreibung" in seinem sechsten Abschnitte,,Memoiren und Tendenzgeschichte" (S. 89-103 zuerst erschienen in der Deutschen Rundschau 1896 S. 108 ff., 199 ff. -) willkommene Beiträge zu Xenophon (vgl. besonders S. 89 ff., 94 ff.). Diese sind frisch geschrieben und, wenn sie auch dem Fachmann nicht viel Neues sagen, doch recht nützlich, besonders deshalb, weil sie den Schriftsteller nicht für sich allein, sondern im Zusammenhange

1) Vgl. hierzu besonders F. Spiro, DLZ. 1897 Sp. 1730-1734; Lit. Zentralbl. 1897 Sp. 95-97; 0. Weißenfels, Ztschr. f. d. GW. 1897 S. 347352; 0. Jäger, Hum. Gymn. 1897 S. 50; Ztschr. f. d. öst. G. 1897 S. 757 ff.; O. Immisch, Berl. phil. WS. 1898 Sp. 1009-1017. Vgl. auch u. Nr. 6 und 7. 6

Jahresberichte XXX.

mit den Bestrebungen seiner Zeit und ihrer Wirkungen auf ihn betrachten. Der Titel mit den in der Xenophonliteratur der letzten Jahrzehnte oft gebrauchten Schlagworten scheint schon anzudeuten, um was es sich handelt; doch geht Verf. viel weiter als andere und rechnet (S. 95 ff.) außer der Anabasis die ganze Schriftstellerei Xenophons zum Gebiet der Tendenzgeschichte. Dem Memoirenwerk der Anabasis spendet S. Worte des höchsten Lobes. Im Gegensatz zu neueren Versuchen (Gomperz u. a., vgl. Nr. 3), auch an diesem Werk des Xenophon, das seit langer Zeit im Schulunterricht eine hervorragende Stelle einnimmt, herumzumäkeln, nennt er es (S. 95),,das höchste Muster der Memoirenliteratur, das neben unzähligen anderen selbst ein Cäsar seiner Nachahmung würdigte, ohne es übertreffen zu können“. Vgl. Nr. 2 (Gercke S. 114). Er rühmt die reizvolle Schmucklosigkeit des Ausdrucks, die an Lysias erinnere (vgl. jedoch auch Blaß, Att. Bereds. II S. 477), geht jedoch zu weit in der Annahme, daß sie überall beabsichtigte Kunst sei. Daß Einflüsse der Rhetorik (welcher Schriftsteller um die Wende des 5. und 4. Jahrhunderts hätte sich dieser mächtigen Bewegung entziehen können?) auch in der Anabasis anzunehmen sind, hat man ja neuerdings immer mehr erkannt (vgl. besonders die schon mehrmals erwähnte Dissertation von H. Schacht, Norden a. a. O., Bruns a. a. O. und unten Nr. 7), doch hat das seine Grenzen, und so bestimmte allgemeine Grundsätze, wie sie Verf. S. 90 ausspricht, werden sich schwerlich beweisen lassen. Die Bedeutung der Anabasis als des besten Werkes griechischer Memoirenliteratur tritt besonders hervor, wenn man sie mit den allerdings spärlichen, aber charakteristischen Resten der 'Enidηuía des Ion von Chios vergleicht, die von Seeck S. 91 ff. gut gewürdigt werden.

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Alle übrigen Werke Xenophons gehören nach ihm mehr oder weniger in das Gebiet der Tendenzgeschichte. Das ist im gewissen Sinne ja richtig, nur darf man nicht sagen (S. 95), die früheren Historiker hätten alle ,,ohne jeden Hintergedanken" geschrieben, nur,,um der Mit- und Nachwelt das Geschehene bekannt zu machen", und mit ,,Xenophon trete nun ein Umschwung ein, wofür die Schuld wohl in erster Linie die sokratische Philosophie treffe". Seeck selbst gibt schon Ausnahmen zu, die sich leicht vermehren ließen. Doch kommt es ja überhaupt hier weniger auf Einzelheiten an als auf die Gesamtauffassung, und da verleugnen auch Herodot und besonders Thukydides ihre ,,Tendenz" nicht im guten Sinne, wie kein rechter Historiker, der die Geschichte und die Geschicke seines Volkes miterlebt hat. Bis zur bewußten Unwahrheit", sagt Seeck (S. 98),,,ist X. vielleicht noch nicht fortgeschritten, aber er weiß sehr geschickt bald zu verhüllen, bald ins rechte Licht zu setzen, wie es ihm für seine Zwecke paẞt; ähnlich urteilte Gomperz (s. Nr. 3 zur Anabasis). Auch das bedarf der Berichtigung, ebenso wie die allgemeine Be

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merkung (S. 89), daß man Herodot und Thukydides durch Zusammenstellung mit Xenophon großes Unrecht tue. Mir will eher scheinen, daß Xenophons Beurteilung infolge der Zusammenstellung mit jenen auf falsche Wege geraten ist. Herodot und Thukydides waren ausschließlich Historiker, im strengeren Sinne eigentlich nur der letztere; Xenophon war vielseitiger, und er hat in der Anabasis und in mehreren der kleineren Schriften Eigenartiges und Vorzügliches geleistet. Wenn man aufhören wollte, die Hellenika, auf die jene abfälligen Urteile der Neueren sich hauptsächlich gründen, deshalb, weil sie nur ungefähr da einsetzen, wo Th. aufhören mußte, als ,,Geschichtswerk" mit dem des großen Vorgängers in Parallele zu setzen, und sie vielmehr als das nähme, was sie tatsächlich sind, eine schlichte Erzählung dessen, was der Verfasser der Zeit nach größtenteils miterlebt hatte und für mitteilenswert hielt mit starker Hervorhebung des Persönlichen und allgemein Menschlichen so wäre unserm Erzähler besser gedient. Hat doch gerade dieser Umstand im Verein mit der klaren, flüssigen Sprache auch dieses Werkman könnte es im besten Sinne,populär“ nennen so geeignet für die Jugend gemacht. Kann man Xenophon mit Kratippos und Theopomp wegen der dürftigen Reste, die uns von ihren Werken geblieben sind, nicht ernstlich vergleichen, so scheint mir die Zusammenstellung mit Thukydides, des Erzählers mit ,,dem" Historiker, wenig fruchtbar. Heute würde es gewiß niemandem einfallen, eine selbst gute populäre Geschichtserzählung, die etwa da antinge, wo einer der großen Historiker aufhörte, an diesem zu messen. Ob unsere Nachkommen so geschmackvoll sein werden, es zu tun, wenn vielleicht die slavische oder mongolische Flut die abendländische Kultur vernichtet hätte und von Geschichtlichem nur etwa Treitschke, Sybel und eine xenophontische Darstellung der Zeitgeschichte von 1848 oder 1871 ab übrig geblieben wäre?

Über die ganze Frage, wie X. als Historiker aufzufassen und zu beurteilen sei, vgl. jetzt besonders Ed. Meyer, Gesch. d. Alt. III S. 278 ff., dessen sachliche und fast überall den Kernpunkt treffende Ausführungen sich hoffentlich allmählich durchsetzen werden. Viel zu wenig gewürdigt war bisher besonders der Umstand, daß a. a. O. S. 278,,das Bestehen einer historischen Literatur über die Zeitgeschichte den Untergrund der Hellenika bildet". Für Xenophons philosophische Literatur ich gebrauche der Kürze halber diesen Ausdruck besonders für die Memorabilien, ist freilich Ähnliches in nächster Zeit schwerlich zu erwarten und bei der Eigenart dieser dialogischen Literatur auch kaum möglich (vgl. Nr. 3 Gomperz). Wie man sieht, bietet der Aufsatz von Seeck manche Anregung und fesselt den Leser auch durch gefällige Form.

Warum sind übrigens die einzelnen Aufsätze unseres Sammelbandes nicht nach Ort und Zeit ihres ersten Erscheinens gekenn

zeichnet? Es ist das doch nicht ganz bedeutungslos (vgl. auch unten Nr. 25 zu Taine, Die Anabasis).

Diejenigen übrigens, welche das merkwürdige Buch „Rembrandt als Erzieher" kennen, das im Jahre 1890 ein gewisses Aufsehen erregte, will ich bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß Seecks vielfach sehr treffende, mit Humor gewürzte Kritik (U. d. T.,,Zeitphrasen" 1891 zuerst veröffentlicht) hier S. 243331 wiederabgedruckt ist.

7) Adolf Bauer, Die Forschungen zur griechischen Geschichte 1888-1898 verzeichnet und besprochen. München 1899, Beckscher Verlag. IV u. 574 S. gr. 8. 15 M.

Anzeigen Schneider, WS. f. klass. Phil. 1899 Sp. 903-906.
Francotte, Bull. Belge 1899 S. 212-214. H. Swoboda, N. phil.
Rdsch. 1899 S. 509-513. E. Heidenreich, Mitt. a. d. hist. Lit.
1899 S. 392-395. A. Hauvette, Rev. crit. 1899, II, S. 427–428. -
B. Niese, N. Jahrb. f. d. klass. Alt. 1899, I, S. 438 f. V. Costanzi,
Riv. di fil. 1900 S. 115f. Lit. Zentralbl. 1900 Sp. 361.

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E. Schmidt, Ztschr. f.
Z. 84, 1900, S. 469 f.

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d. GW. 1900 S. 32-40. J. Kaerst, Hist.
J. Melber, Bl. f. d. GSW. 1900 S. 331-334.

P. Perdrizet, Rev. des ét. anc. 1900 S. 269-271.
Class. Rev. 1900 Sp. 368 f.

Whibley,

Bauers Bericht, ursprünglich für den Jahresbericht über Altertumswissenschaft bestimmt, dann aber wegen zu großen Umfangs als besonderes Buch gedruckt, hat (mit Ausnahme des Rezensenten im Class. Rev.) große Anerkennung gefunden und verdient sie auch. Was in den genannten Besprechungen, die auf Einzelheiten nur wenig eingehen, im allgemeinen gelobt worden ist, gilt auch von den Abschnitten, die der Besprechung der Xenophonliteratur gewidmet sind.

Das größere Werk von Bruns (s. o. S. 80) wird S. 181 ff. nach Gebühr gewürdigt, besonders Xenophons Eigenart in den Hellenika im Gegensatz zu Thukydides (S. 183 f.), der Einfluß des isokratischen Euagoras auf den xenophontischen Agesilaos und zwei Porträts der Anabasis (des Proxenos und Menon) (S. 187f.). Zu billigen ist, daß auch Hirzels Werk (Der Dialog, Leipzig 1895), wiewohl nicht geschichtlich im engeren Sinne, herangezogen wird. Hervorgehoben wird daraus der wichtige Gedanke, daß für Xenophons literarische Tätigkeit nacheinander Sokrates, Kyros und Agesilaos maßgebend gewesen sind. Von den sokratischen Schriften ist nach H. das Symposion das bedeutendste (hierüber urteilen fast alle Neueren anders), durch das die Symposienliteratur eröffnet wird. Seecks Werk (s. o. S. 81 ff.) wird gelobt, Nordens ,,Kunstprosa" (o. S. 79) nur eben erwähnt (S. 193), aber doch der künstmäßige Charakter der antiken Geschichtschreibung und der Einfluß der Rhetorik auf sie richtig hervorgehoben, ebenso sehr glücklich (S. 229 ff.) das Ergebnis der Forschungen von Bruns (a. a. 0.), daß die Vielseitigkeit von Xenophons Schriftstellerei und die ver

schiedenartigen Muster, denen er folgte (Thukydides, Sokrates, Isokrates) uns erst den,,ganzen Menschen" richtig kennen lehre und viele Seltsamkeiten einzelner Stellen wie ganzer Schriften in das rechte Licht rücke. So ist B. auch von der Echtheit des Agesilaos durch Bruns überzeugt worden (231 f.); nur darf man, füge ich hinzu, die Abfassung mit ihm nicht bald nach 374 ansetzen, wenn auch ein Einfluß des „,Euagoras" unverkennbar ist. S. 231 Z. 8 v. o. muß es übrigens,,Koronea" statt Haliartos" heißen.

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Bedeutungsvoll, weil heute noch lange nicht genug gewürdigt, ist ferner S. 182 A. 262 der Hinweis auf das schon von andern beobachtete Fehlen der modernen Anmerkungen bei antiken Schriftstellern und manche dadurch bedingte stilistische Eigenheiten des Textes selbst.

Eingehend beschäftigt sich B. mit den Untersuchungen von E. Schwartz über die Hellenika (S. 229 ff.), deren,,Verschweigungen“ dieser Gelehrte richtig erklärt hat (vgl. jetzt auch E. Meyer, Gesch. d. Alt. III S. 277 ff.); B. stimmt hier meist zu, während er sich über Schwartz' Ansicht, X. habe die Hellenika in den fünfziger Jahren in einem Zuge verfaßt, zurückhaltender äußert (S. 232). Diese seit Niebuhr oft, am eingehendsten von Nitsche (Progr. des Sophien-G. z. Berlin 1871) behandelte Frage ist nach Lage der Dinge schwerlich je bestimmt zu beantworten; vgl. die Übersicht von L. Langer (Eine Sichtung der Streitschriften über die Gliederung der Hellenika von Xenophon, Progr. Brünn 1897) und Nitsches Bemerkungen dazu Berl. phil. WS. 1898 S. 229 f.

Daß die Anabasis eine Tendenzschrift zur Rechtfertigung in eigener Sache" sein soll (S. 235), kann ich nicht zugeben; einzelne Stellen mögen so ausgelegt werden, an die Schrift als Ganzes muß man unbefangener herantreten. Kalinkas schon 1898 erschienene Ausgabe der 49qvaíwv ñolitɛía hat B. (S. 238 f.) noch nicht benutzt; Schölls Aufsatz (s. o. S. 66) wird mit Recht gerühmt, wenn B. auch nicht überall zustimmen kann; vgl. zum Charakter der Schrift jetzt auch Ed. Meyer, Forschungen z. alt. Gesch. II 1899 S. 401 fr.

Im Zusammenhang mit der Besprechung der Schriften zur aristotelischen Invaíov πolitɛía (S. 268 ff.) macht B. die Bemerkung (S. 274), daß,,die Geschichtswerke des Herodot, Thukydides und Xenophon wie die aller wirklichen Geschichtschreiber von bestimmten politischen Anschauungen getragen werden und, insofern also Geschichtschreibung und Politik zusammengehören, auch einen politischen Charakter haben". Das ist zweifellos richtig und würde, immer recht beachtet, auch in der Xenophonforschung manche irrige Hypothese nicht haben aufkommen lassen.

Im Gegensatze zu v. Wilamowitz, welcher (Aristoteles und Athen I S. 165 ff.) die Verwandtschaft von Hell. II 3, 19 und Arist. 49. лоλ. 36, 2 so erklärte, daß Aristoteles die Programmschrift

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