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Drum komm, o komm! mit Deinem Blick und Wort
Zu scheuchen alle meine Schmerzen fort.

Die wenigstens liess Dir Dein hart Geschick,
Drum komm, o komm! mit diesen mich beglück'.
An Deiner Brust lass Deinem Wort mich lauschen,
Am süssen Gift der Augen mich berauschen,
An's Herz gepresst, lass lange, lang' mich säumen
Gieb, was Du kannst das Andre lass mich träumen!
Doch nein! Ach lehr' mich and're Freuden schätzen,
An andrer Schönheit meinen Blick ergetzen,
Des Ew'gen Allmacht, Weisheit sein Gebot,
Lehr' mich vergessen Abelard für Gott.
Leipzig.

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Dr. A. Deetz.

Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim.

Der im Jahre 1772, also zwei Jahre vor Göthe's Werther herausgegebene Roman der Frau Sophie de la Roche „Geschichte des Fräuleins von Sternheim" ist zu einer Seltenheit geworden und dürfte schwerlich auch bei dem Eifer, womit jetzt unsere Nationalschriftsteller in neuen Ausgaben verbreitet werden, eine solche zu erwarten haben. Bei der gänzlichen Umgestaltung, die seitdem in dem Geschmacke des Publikums vorgegangen ist, werden auch fast nur Literaturhistoriker von Fach den Sinn und die Geduld haben, das Ganze vom Anfang bis zum Ende durchzulesen. Wir halten es darum bei der hohen Stelle, die der Verfasserin in der Geschichte des deutschen Geisteslebens und in ihrem Verhältnisse zu Wieland, Göthe, Merck, Fr. H. Jacobi und anderen berühmten Zeitgenossen gebührt, und bei der Anziehungskraft, die ihre schöne, reichegabte und edle Persönlichkeit in der Schilderung auch auf uns übt, für angezeigt, den Freunden unserer Literatur eine Reproduction und Analyse des einst so berühmten Werkes zu geben. Wir behalten uns vor, bei anderer Gelegenheit den Zusammenhang des Romans mit Sophiens Lebensgeschichte darzulegen. Es ist hierbei kaum nöthig, auf die verdienst- und geistvolle Schrift Ludmilla Assings „Sophie de la Roche, die Freundin Wieland's," noch besonders hinzuweisen.

Der Geschichte des Fräuleins von Sternheim wird eine ausführliche Erzählung von ihren Eltern vorausgeschickt.

Archiv f. n. Sprachen. XLV.

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Sternheim, ein edler, geistvoller junger Mann, ist so glücklich, den unbändigen Sinn des Barons von P., seines Universitätsfreundes, zu zügeln. Aus Liebe zu ihm wird Sternheim mit ihm Soldat, zeichnet sich im Kriege aus, avancirt zum Obersten und wird geadelt, durch einen Zufall werden die Freunde getrennt; aber sie bleiben durch einen Briefwechsel in ununterbrochener Verbindung. Baron von P. vermählt sich und lebt mit seiner Gattin, seiner Mutter und zwei Schwestern auf seinen Gütern in P. sehr glücklich. Hier besucht ihn nach Beendigung des Krieges Sternheim, kauft und bezieht ein benachbartes Gut. Schon vor seiner Ankunft hat Sophie, die ältere Schwester des Barons, die aus der ersten Ehe seines Vaters mit einer Lady stammt, und die zu aller sanften Liebenswürdigkeit einer Engländerin auch den melancholischen Charakter dieser Nation von ihrer Mutter geerbt zu haben scheint, durch Sternheims Briefe, die ihr Bruder im Familienkreise vorlas, und durch alles, was er von seinem Freunde erzählte, eine tiefe Neigung zu diesem gefasst. Ein stiller Gram ist auf ihrem Gesichte zu lesen, und sie zieht sich gern in die Einsamkeit zurück. Umsonst bittet sie der liebevolle Bruder, ihr das Geheimniss ihrer Seele anzuvertrauen. Eine kurze Zeit erheitert sie sich und in der hierdurch beglückten Familie stellt sich der Oberst unvermuthet ein. Aber auch dieser wird von einem düsteren Geiste befallen; er besucht seinen Freund seltener, ist dann einsilbig und geht bald wieder. Sophiens Melancholie erneut sich. Der Baron vermag aus dem verschlossenen Freunde nur unbestimmte Andeutungen herauszubringen: „Ehre und Edelmuth," sagt dieser zu ihm, „binden meine Zunge!" Als nun Sophie in einem Familienconcerte singt, entgeht es dem in einem Fenster stehenden, bei halb offenem Vorhange zuhörenden Obersten, dass die Gemahlin seines Freundes ihm nahe genug ist, um diese Worte von ihm zu vernehmen: „O Sophie, warum bist Du die Schwester meines Freundes! warum bestreiten die Vorzüge Deiner Geburt die edle, die zärtliche Neigung meines Herzens!" Er fürchtet nämlich, an Sophien und ihrer Familie ein Unrecht zu begehen, wenn er als neucreirter, einfacher Adeliger um die Hand einer Baronesse von altem Adel wirbt. P. und seine Gattin, die ihm das Vernommene be

richtet, denken nun freilich von der Sache ganz liberal; was werden aber die übrigen Familienglieder sagen? Frau v. P. fürchtet nicht so sehr die Vorurtheile Sophiens und ihrer Mutter, als eine Liebe, die das Mädchen schon lange in seinem Herzen trage. Als der Baron seiner Schwester den Wunsch ausdrückt, durch sie dem Freunde alle Wohlthaten zu vergelten, erklärt sie diesen für den einzigen Mann, den sie zum Gatten. begehre. Der Oberst erfährt von P. ihr Geständniss, wehrt sich aber aus Edelmuth eine Zeitlang, sein Glück zu ergreifen, P: wendet sich an seine Mutter und seine Schwester Charlotte. Der alten Frau wird es schwer, die traditionellen Begriffe zu überwinden. Die Bewerbungs- und EinwilligungCermonien gehen nun mit der steifsten Grandezza vor sich. Sternheim und Sophie leben dann in einer glücklichen Ehe, Sophie beschenkt ihren Gatten mit einer Tochter, die ihren Namen erhält. Im neunten Jahre des Kindes stirbt die Mutter zugleich mit einem neugeborenen Sohne. Der Baron P. stirbt, ohne Kinder zu hinterlassen. Sophie, die Heldin des Romans, wächst unter der Aufsicht ihres Vaters und ihrer Grossmutter, im Umgange mit dem edeldenkenden Pfarrer in S. heran und erhält die vortrefflichste Erziehung. In ihrem neunzehnten Jahre stirbt ihr Vater, nachdem er sie der Vormundschaft des mit Charlotte vermählten Grafen Löbau und des Pfarrers empfohlen hat. Nach dem Tode der Grossmutter verlebt Sophie ihre Trauerjahre im Hause des Pfarrers und knüpft mit Emilien, dessen Tochter, eine vertraute Freundschaft an.

Mit dem Augenblicke, wo Sophie von ihrer gewissenlosen Tante Charlotte an dem verdorbenen Hof in D. geführt wird, beginnt der eigentliche Roman.

Für Sophie kann das Leben eines solchen Hofes keinen Beiz haben; sie hat Heimweh nach dem schlichten Pfarrhause, nach ihrer theuren Emilia.

Sie schliesst sich im Drange nach Herzensfreundschaft einem Fräulein C** an, durch die sie einen Engländer kennen lernt, der gleich Anfangs ihre Neigung erweckt, der ihrer würdig ist, aber durch sein grillenhaftes Benehmen ihr Ver

derben mit heraufbeschwört und erst nach einer langen und schweren Leidenszeit alle Disharmonien ihres Lebens durch seine eheliche Verbindung mit ihr auflöst und mit ihr des reinsten Glückes theilhaftig wird.

Fräulein C** hatte ihr, während er auf einer kleinen Reise begriffen war, von ihm erzählt und dadurch ihr lebhaftes Interesse für ihn erregt.

Zwar ganz ohne weibliche Eitelkeit und Gefallsucht, freut sie sich doch, auf dem Balle, wo sie ihn zum erstenmale sieht, über ihren artigen Anzug.

„Ich war nur desswegen über meinen wohlgerathenen Putz froh, weil ich von zween Engländern gesehen wurde, deren Beifall ich mir in Allem zu erlangen wünschte. Der eine war Mylord G., englischer Gesandter, und der andere Lord Seymour, sein Neffe, Gesandtschafts-Cavalier, der sich unter der Anführung seines Oheims zu dieser Art von Geschäften geschickt machen, und die deutschen Höfe kennen lernen will. Der Gesandte macht mit seiner Figur, einer edeln und geistvollen Physiognomie, und einer gewissen Würde, die seine Höflichkeit begleitet, seinem Charakter Ehre. Ich hörte ihn auch allgemein loben. Den jungen Lord Seymour sah ich eine halbe Stunde in Gesellschaft des Fräuleins C**, mit der ich in Unterredung war, und mit welcher er als ein zärtlicher und hochachtungsvoller Freund umgeht. Sie stellte mich ihm als ihre neue, aber liebste Freundin dar, von der sie unzertrennlich sein würde, wenn sie über ihr eigenes und mein Schicksal zu gebieten hätte. Mylord machte nur eine Verbeugung, aber seine Seele redete so deutlich in allen seinen Mienen, dass man zugleich seine Achtung für alles was das Fräulein C** sagte und auch den Beifall lesen konnte, den er ihrer Freundin gab.' Wenn ich den Auftrag bekäme, den Edelmuth und die Menschenliebe mit einem aufgeklärten Geiste vereinigt in einem Bilde vorzustellen, so nähme ich ganz allein die Person und die Züge des Mylord Seymour; und alle, welche nur jemals eine Idee von diesen drei Eigenschaften hätten, würden jede ganz deutlich in seiner Bildung und in seinen Augen gezeichnet sehen. Ich übergehe den sanften männlichen Ton seiner Stimme, die gänzlich für den Ausdruck der Empfindungen seiner edeln Seele gemacht zu sein scheint; das durch etwas Melancholisches gedämpfte Feuer seiner schönen Augen, den unnachahmlich angenehmen und mit Grösse vermengten Anstand aller seiner Bewegungen, und was ihn von allen Männern, deren ich, in den wenigen Wochen, die ich hier bin, eine Menge gesehen habe, unterscheidet, ist, (wenn ich mich schicklich ausdrücken kann) der tugendliche Blick seiner Augen, welche die einzigen sind, die mich nicht beleidigten, und keine niedrige antipathische Bewegung in meiner Seele verursachten."

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