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Mit verbundenen Augen schreitet Sophie näher und näher dem Abgrunde zu.

Sie muss im Hause des Ministers mit dem Fürsten spielen und gewinnt viel. Das gehört den Armen:

„Heute sollen es die Kinder des Raths T bekommen, denen ich sagen werde, dass Euere Durchlaucht ihnen zu Lieb es so grossmüthig verloren haben."

Derby ist zugegen, er entfernt sich in der Absicht, wenn sie in das Haus des Rathes gehe, dort einzudringen und von seiner Liebe zu reden. Sie ist auch nicht lange dort angekommen, als er schon zu ihren Füssen liegt.

Eine Folge dieser Zusammenkunft ist üble Nachrede, die ihm vortrefflich passt, und zugleich hat er einen Fortschritt in Sophiens Vertrauen gemacht. Sie wird für seine Plane immer reifer.

Sie achtet auf keine Warnung des Schicksals, sie hört gar keine. Den Fürsten dürfte sie nicht ansehen, auch wenn ihr Leben auf dem Spiele stände, und doch hält sie es für Pflicht, sich an einem Maskenballe, wodurch der Fürst in der Prozessangelegenheit ihres Oheims günstig gestimmt werden soll, in der Art zu betheiligen, dass sie mit dem Grafen F., seinem Neffen, ihrem Onkel und ihrer Tante eine Schaar von spanischen Bettelmusikanten vorstellt, die in der Nacht auf die Strasse ziehen und vor den Häusern singen. Löbau und Charlotte erhalten von dem Fürsten, der von diesem Vorhaben benachrichtigt wird, die für Sophien bestimmten Maskenkleider, womit er ihr unversehens ein Geschenk machen will. Zwei Tage vor dem Balle wissen Hof und Stadt, dass sie von dem Fürsten ihren Anzug und Schmuck empfangen hat, und dass er selbst ihre Farben tragen wird. Ihr Gesang beim Feste ist bezaubernd. Seymour betrachtet sie, in einem schwarzen Domino an ein Fenster gelehnt, mit convulsivischen Bewegungen. Der Fürst tanzt zuerst im venetianischen Mantel mit ihr ein Menuet. Später kommt er in einer Maske von ihren Farben, nimmt sie, da eben deutsch getanzt wird, an der Seite ihrer

Tante, mit der sie sich im Stehen unterhielt, hinweg und durchfliegt mit ihr, einen Arm um ihren Leib geschlungen, die Länge des Saales. Sie sträubt sich, will sich loswinden; aber so oft sie dies versucht, drückt er sie fest an seine Brust. Er führt sie endlich zurück.

Einige Zeit nachher steht eine weisse Maske neben ihr: es ist Seymour, den sie nicht erkennt. Er fragt sie: „Ob sie denn alle Gesetze der Ehre und Tugend so sehr unter die Füsse getreten habe, dass sie sich in einer Kleidung und in einem Schmuck sehen lasse, welche der Preis von ihrer Tugend sein würden." Seymour entschlüpft durch das Gedränge und verlässt rasch die Stadt. Sophie eilt nach einem heftigen Auftritte mit ihrem Oncle und dem Fürsten fort nach Hause. Der Fürst ist sehr aufgebracht, er wirft Sophiens Tante vor,,,sie hätten ihm alle eine falsche Idee von dem Charakter des Fräuleins gegeben, und ihn lauter verkehrte Wege geführt."

Sophiens Ruf ist gesunken; Seymours Vorwürfe haben ihr das Herz zerrissen; mit ihren Verwandten ist sie zerfallen; den Fürsten hat sie schwer beleidigt, und sie hat von ihm ebensowohl für ihre Ruhe als für ihre Ehre zu fürchten; von der Welt abgeschnitten, auf den Umgang mit Rosinen eingeschränkt, fiberkrank, durch und durch verdüstert, kennt sie nur einen Wunsch, diesen verpesteten Ort zu verlassen und in einer gesunden, freien Luft wieder aufzuathmen. Aber von allen Seiten treten ihr unübersteigliche Schranken entgegen.

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Es giebt für sie auf der weiten, weiten Welt nur einen einzigen Ausweg: an der Seite eines Gatten zu entfliehen; dieses in ihren Verhältnissen furchtbare Problem legt ihr das Schicksal zur Lösung vor. Da wird sie in der unerträglichsten Verwirrung ihrer Besorgnisse und Zweifel von Derby Tag für Tag mit dem Anerbieten seiner Hand bestürmt. Schwer beleidigt durch anonyme Briefe, die er selbst geschrieben, soll sie den Trost von sich weisen, den ihr seine Achtung und Liebe anbietet? So willigt sie denn endlich in die schauderhafte Lüge, sich mit Derby zu vermählen!

Während die Aufmerksamkeit des Hofes durch ein grosses Festin in Anspruch genommen ist, findet die Trauung insgeheim in D. statt. Aber Derby lässt sie durch den Gesandtschaftssecretär John vollziehen, der die Rolle des Predigers spielt. Sophie entflieht in Mannskleidern, von Rosinen und dem elenden John begleitet. Derby bleibt, um allem Verdacht auszuweichen, noch einige Tage zurück und will ihr dann nach einem Dorfe nachreisen, wo sie ihn erwarten soll.

Der zweite Theil des Romans ist in der Erfindung der Fabel und in der Auffassung der Charaktere, bei zunehmender Abrundung und Lebendigkeit der Form und bei dem grösseren Hervortreten des lyrischen Elementes, viel einfacher und durchsichtiger.

Sophie lebt, nur in der Gesellschaft ihrer Leidensgefährtin Rosine, auf dem Dorfe. Sie ist sehr tiefsinnig und weint viel, sie macht sich Vorwürfe; aber sie ist entschlossen, ihren Gemahl zu beglücken. Nach vier Wochen kommt er. Der absolute Widerspruch in diesem Verhältnisse ist nicht auszugleichen; in aller Furchtbarkeit muss die Lüge sich entschleiern und rächen. Wie entginge es dem Scharfblicke des Lords, dass Sophie ihn nicht lieben kann, dass ihr Herz immer noch dem Nebenbuhler angehört? Eifersucht quält ihn, und er sieht nicht ein, warum er diese langweilige Ehe fortführen soll. Ohnehin wird ihn der Tod seines Bruders vielleicht bald nach England zurückrufen. Nach drei Wochen verlässt er die Unglückliche und schickt ihr durch John den Abschiedsbrief, in welchem er sie von dem mit ihr getriebenen frevelhaften Spiele in Kenntniss setzt. Sie zieht unter falschem Namen zu ihrer Freundin Emilia. Sie willigt in den Vorschlag einer drei Stunden von ihrem neuen Aufenthalte entfernt wohnenden reichen Frau, eine wohlthätige Schule in ihrem Hause zu errichten und als Gesellschafterin bei ihr zu leben. In verschiedenen philanthropischen Bestrebungen sucht sie sich selbst und ihren Jammer zu vergessen. Sie macht dann die Bekanntschaft einer liebevollen alten Dame, Lady Summers und folgt derselben auf ihr Landhaus in England. Die Ruhe und der Friede, den

sie hier findet, wird durch die von der Lady unterstützte Liebe des in der Nachbarschaft wohnenden philosophischen Lords Rich, dem sie nur eine tiefe Hochachtung widmen kann, gestört. Inzwischen bereiten sich viel härtere Verwicklungen ihres Schicksals vor. Die Lady zeigt ihr die Verbindung ihrer einzigen Nichte, Lady Alton, mit Lord Nord, sowie den baldigen Besuch ihres Bruders und der Neuvermählten an. Sie giebt ihr im Aufstehen einen Brief zu lesen, den das junge Paar geschrieben hat, und entfernt sich, um den Bedienten wieder abzufertigen. Der Brief ist von Derby! Die Lady erzählt ihr dann von dem grossen Reichthum und Ansehen des Lords, der durch den Tod seines Bruders einziger Erbe geworden sei. John ist es, der den Brief der Lady Summers überbracht und bei dieser Gelegenheit Sophie erkannt hat. Er schlägt seinem Herrn vor, sie entführen zu lassen. Derby bestimmt ihr denselben Ort, wo er vor einigen Jahren ein von ihm betrogenes Mädchen aufgehoben hat, in den schottischen Gebirgen auf den Gütern des Grafen von Hopton. Die Entführung gelingt. Sophie verlebt nun eine Reihe der trostlosesten Monate, unter der Aufsicht einer blutarmen Familie. Eifrig lernt Sophie die Sprache ihrer Hausgenossen, und sie erfährt von ihnen, dass die von den Eltern manchmal hart behandelte Lady nicht deren rechtes Kind, sondern das Kind jenes bei ihnen gestorbenen jungen Mädchens und des Lords Derby sei, der zum Unterhalte der Kleinen nichts mehr hergebe. Derby schickt Sophien Tapisseriearbeit, die er im Frühlinge holen lassen werde; er ahnt nicht, dass er ihr mit diesem Auftrage den Schlüssel ihres Gefängnisses übergibt.

Es ist ihr bekannt, dass Graf Hopton, dem die Bleiminen gehören, einige Meilen von ihr ein Haus besitzt, worin er sich manchmal einige Tage aufhält, dass er auf der letzten Reise eine verwittwete Schwester, Lady Douglas bei sich hatte, die er sehr liebt, und die ihn häufig besucht. Auf diese Dame baut Sophie ihre Hoffnungen.

Sie giebt ihren Hausleuten den Gedanken ein, ihre Tochter Maria bei der Lady unterzubringen, und lehrt das Mädchen alles hierzu Erforderliche; sie erstaunt über die Er

folge und hofft nun, durch ihre Schülerin der Lady bekannt zu werden und sich den Weg zur Freiheit zu bahnen. Maria geht mit ihrem Bruder und einer Stickerei zur Lady, um derselben ihre Dienste anzubieten. Die Dame fragt sie, voll Verwunderung über ihre Arbeit und ihre Antworten, wer sie unterrichtet habe. Durch die Auskunft, die ihr das dankbare Mädchen giebt, wird sie bis zu Thränen gerührt; sie verspricht Marien, sie gleich zu sich zu nehmen, kündigt den Eltern ihren Besuch an und lässt Sophie aufs Herzlichste grüssen.

Mitten in diese leuchtenden Hoffnungen fällt ein Donnerschlag! Wie der Satan in Menschengestalt erscheint John mit dem Auftrage seines erkrankten Herrn, zu ihm zu kommen, und mit dessen Anerbieten, sich von der Lady Alton scheiden zu lassen und die mit Sophien geknüpfte eheliche Verbindung zu bestätigen. Derby erklärt seinen Willen befehlend und drohend. Da Sophie alle diese Vorschläge mit Erbitterung zurückweist, schleppt sie John nach dem in der Nähe befindlichen alten Thurme. Als sie von einer langen Ohnmacht wieder zu sich kommt, liegt sie, von den Hausgenossen umgeben, auf ihrem Bette. Zum Sterben krank, bittet sie, den Geistlichen des Grafen zu rufen. Er kommt in Gesellschaft der Lady Douglas. Bei dem Geistlichen bezieht sich Sophie auf Lady Summers und bittet ihn zugleich, die von ihr an dieselbe geschriebene, hinter einem Bette liegenden Papiere zu holen. Lady Douglas nimmt Sophie zu sich und beauftragt die Hausleute, im Garten ein Grab aufzuwerfen und dem Lord Derby Sophiens Tod zu melden.

Seymour war auch nach Sophiens Flucht der Spielball des Verhängnisses oder vielmehr seiner eigenen Verblendung geblieben. Er war über das Verhalten Sophiens aufgeklärt worden und hatte auch ihre Vermählung, aber ohne den Namen ihres Gatten, erfahren; sein Vertrauen auf sie war wieder hergestellt. Da findet man unter John's zurückgelassenen Papieren ein zerrissenes Blatt, auf dem die von Sophiens Hand geschriebenen Worte stehen:

„Ich gehe in alle Ursachen ein, die Sie wegen der Verborgenheit unserer Verbindung angeben; sorgen Sie nur für unsere Trauung; denn

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