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Sammlung Aufnahme gefunden haben. Nur zu oft sind wir bei unserer vergleichenden Lectüre auf unnöthige Abweichungen von dem Gedanken des Originals gestossen, auf willkürliche Veränderung der Bilder, auf Plattheiten und wässrigen Wortschwall, und manche der Uebersetzungen sind im Versmass und Strophenbau so verschieden von dem deutschen Gedichte, dass der eigenthümliche Charakter desselben nicht bewahrt worden ist.

Gleich die an der Spitze des Buches stehende Bearbeitung der Bürgerschen Lenore von Taylor, dem Verf. v. „Historic Survey of German Poetry, interspersed with various Translations" (3 vols. London 1829), wird von diesen Vorwürfen getroffen, obgleich, wie wir aus einer Anmerkung (S. 473) erfahren, Walter Scott gestand, dass diese incomparable version" ihm den Entschluss in die Seele gegeben habe, sich ganz der Poesie zu widmen. In durchaus unstatthafter Weise ist die Handlung von Deutschland nach England und aus der Zeit des siebenjährigen Krieges in die der Kreuzzüge verlegt worden, sodass an die Stelle des Königs Friedrich Richard Löwenherz getreten ist. Es liegt auf der Hand, dass dadurch das locale und nationale Gepräge des deutschen Originals verloren gegangen ist. Wilhelm ist nun nicht in die „Prager Schlacht" gezogen, sondern gegen ,,the paynim foes;" die Mutter vermuthet ihn nun nicht im fernen Ungerlande,"* sondern „among the heathen folk;" er kommt nun nicht mehr weit her geritten „von Böhmen, sondern über „land and sea." Und wenn es von dem Kreuzfahrer William heisst: „But he no word to her had writt An he were sick or well," so müssen wir gestehen, dass diese Vorstellung von einem aus Palästina mit seinem Liebchen in England correspondirenden Knappen des 13. Jahrh. nur eine komische Wirkung auf den Leser hervorbringen kann. Ob das Kreuzheer Richard's, wie die Grenadiere Friedrich's des Grossen, auch unter Trommelschlag marschirten (With blore of trump and thump of drum His fellow-soldyers came, Str. 2), will uns gleichfalls etwas zweifelhaft erscheinen. In Folge der Verlegung der Handlung ist nun auch für den „König und die Kaiserin" in der engl. Bearbeitung kein Raum mehr, und so ist in derselben die erste Hälfte der 2. Strophe ganz weggeblieben. Ebenso fehlt die erste Hälfte der 4. Strophe, ohne dass dafür ein Grund zu finden ist. Leider hat Hr. G. sich dadurch bestimmen lassen, auch den deutschen Text in dieser Verkürzung zu geben; denn nun ist nicht bloss die Deutlichkeit der Situation beeinträchtigt worden, sondern es hat auch der 5. Vers der 2. Strophe („und jedes Heer mit Sing und Sang“) sich eine bedenkliche Correctur gefallen lassen müssen. Das „und" derselben, das freilich beim Fehlen der 4 vorhergehenden Verse nicht stehen bleiben kann, ist nämlich in nun" geändert, dadurch aber eine so schwerfällige und ungewöhnliche Construction entstanden, die ein Dichter sich allenfalls erlauben, die man aber nicht in ihn hineincorrigiren darf. **

*So hat Bürger geschrieben, nicht „Ungarlande," wie der Abdruck unserer Sammlung hat. Gerade in dieser Ballade und im Munde von Lenorens Mutter ist die volksmässige Form des Namens durchaus erforderlich. Wir wollen diese Anmerkung benutzen, um Hrn. G. noch auf eine andere, sinnentstellende Variante des von ihm gegebenen Textes aufmerksam zu machen. Statt des „Ha sieh, Ha sieh, im Augenblick" in der 30 Strophe, steht nämlich bei ihm S. 22: „Hasi! Hasi!" als ob das eine Interjection wäre, wie Hu! Hu! oder dergl. S. 22, Z. 4 von unten muss es statt: Hang zwischen Rang u. s. w. heissen.

Tod und Leben

** Auch in der 15. Str. (S. 10 unten) haben wir eine unstatthafte Veränderung des Bürger'schen Textes bemerkt. Es muss nämlich nicht beissen: Ach, Wilhelm! 'rein, herein geschwind! sondern: Ach, W.! erst herein geschwind. Taylor übersetzt auch: O William, enter first my bowre.

Ueberdies ist durch die bezeichneten Auslassungen der Strophenbau dieser Ballade in höchst störender Weise alterirt worden. Während in derselben nämlich, wie in den meisten Bürger'schen Balladen, die Strophen aus zwei Theilen bestehen, der Hauptstrophe und der Nachstrophe (Aufgesang und Abgesang), die eine verschiedene Reimstellung haben (die erstere reimt kreuzweise, die letztere paarweise), folgen an den beiden genannten Stellen jedesmal zwei Nachstrophen, also 4 Reimpaare auf einander. Hr. G. hat freilich diesen für die Bürger'schen Balladen so charakteristischen Strophenbau schon dadurch unkenntlich gemacht, dass er das Original in vierzeiligen Strophen hat abdrucken lassen. Offenbar hat ihn dazu die Uebersetzung bewogen. Der gute Mr. Taylor hat nämlich gar keine Ahnung gehabt von dem eigenthümlichen Reize, den die Strophen der Lenore gerade durch den Wechsel der Reimstellung im Aufgesange und Abgesange darbieten, und hat es sich mit einfachen vierzeiligen Strophen bequem gemacht, in denen nur 2. Verse (der 2. mit dem 4.) reimen, alle aber eine betonte Silbe am Ende haben, sodass von der Musik der abwechselnden stumpfen und klingenden Reime des Originals in der engl. Bearbeitung nichts zu spüren ist. Es würde zu weit führen, im einzelnen nachzuweisen, wie oft die sonstigen musikalischen Elemente unserer Ballade, die zahlreichen und so wirksamen Alliterationen, Assonanzen, die absichtlichen Wiederholungen derselben Worte nicht die erforderliche Beachtung gefunden haben, und an wie manchen Stellen der poetische Ausdruck eine prosaische Abschwächung erfahren hat. Nur ein paar Beispiele. Man vergleiche: „Und horch! und horch! den Pfortenring Ganz lose, leise, klinglingling!" mit: „And soon she herde a tinkling hand That twirled at the pin;" „Herein, in meinen Armen, Herzliebster, zu erwarmen!" mit And give me one embrace, Awayte a little space;" „Hat's Raum für mich? Für dich und mich. Komm, schürze, spring und schwinge dich!" mit: And is there any room for me Wherein that I may creepe? There's room enough for thee and me Wherein that we may sleepe. All as thou lyest upon thy couch, Aryse, no longer stop; Graut Liebchen auch? der Mond scheint hell! Hurrah! die Todten reiten schnell! Graut Liebchen auch vor Todten? Ach nein, doch lass die Todten!" mit: Hurrah! the dead can ride apace; Dost feare to ride with me? The moon is bright, and blue the night; Dost quake the blast to stem? Dost shudder, mayde, to seeke the dead? No, no, but what of them? In den beiden fast wörtlichen Wiederholungen dieser Halbstrophe, sind bloss die Worte Wilhelm's wiedergegeben mit: Hurrah! the dead can ride apace; Dost feare to ride with me? Alles übrige fehlt, auch die Antwort Lenoren's mit ihrem jedesmal gesteigerten Ausdrucke der Angst. In der 28. Str. setzt sich bei Taylor die Anrede an Lenore fort, während bei Bürger Wilhelm zu seinem Rappen spricht. Diese hie und da herausgegriffenen Stellen werden genügen, unser obiges tadelndes Urtheil über die in Rede stehende Uebersetzung zu rechtfertigen.

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Wir können, wenn wir diese Anzeige nicht gar zu sehr ausdehnen wollen, nicht bei allen übrigen Uebersetzern, die zu unserer Sammlung beigesteuert haben, mit der gleichen Ausführlichkeit verweilen und müssen uns auf einige Bemerkungen beschränken.

Von demselben Taylor haben wir S. 88 noch eine Uebertragung des Monologs der Iphigenia (Act 1.). die wörtlich und treu, aber ohne allen dichterischen Schwung ist. Als Uebersetzer Bürger'scher Balladen ist er weitaus übertroffen worden von Rev. W. Skeat, dessen Lay of the brave man (S. 25) in der That vorzüglich gelungen ist und den Ton des deutschen Meisters oft in vollendeter Weise getroffen hat. Auch seine Uebertragungen Uhland'scher Gedichte verdienen Lob, obgleich er bisweilen zu wortreich ist. Den Herold" hat er in einem von grosser Gewandtheit zeugenden alliterirenden Gedichte nachgeahmt. Göthe wird repräsentirt durch Dr. Anster, Prof. Blackie, Theod. Martin, Aytoun, Shelley, Coleridge, Lady John

Manners, Lord Gower (Earl of Ellesmere), Mangan, u. at last, but not at least durch Peter Gardner, dessen Uebertragungen aus Faust das schottische Gewand nicht so natürlich steht, wie seinem Erlkönig. In dem Liede Gretchens (Act 4, Sc. 4) giebt auch er ein recht auffallendes Beispiel von willkürlicher Abweichung vom deutschen Original, die im Mangel an Verständniss der kunstvollen Oekonomie dieses Göthe'schen Gedichtes ihren Grund hat. In diesem tritt nämlich die Strophe: „Meine Ruh ist hin etc.“ dreimal unverändert auf, und zwar so, dass ihr das erste Mal 2, das zweite Mal 3 und zuletzt wieder 2 Strophen folgen. Wie drei Pfeiler ein Portal, dessen mittlere Bogenspannung die grösseste ist, so sollen diese drei Strophen das Gedicht tragen. Dass sie daher von Götbe mit Absicht ohne die mindeste Veränderung wiederholt worden sind, springt jedem sofort in die Augen, nur Mr. Gardner nicht, der zuerst übersetzt: „My peace is gane, My heart is sair, I'll be my self never Ah! nevermair," das zweite und dritte Mal aber ohne allen Grund die beiden letzten Strophen verändert in: „Rest find I nae way An' nevermair." Geschmacklos erscheint uns die letzte Strophe: "An kiss, kiss, kiss him. I'm fain for sic bliss; An' kissin', an' kissin', I'd dee on his kiss." Eine abnliche Zerstörung der Composition finden wir in der Uebertragung von Göthe's Zigeunerliede, wo Anster aus den 4 Versen der 2. Strophe nicht weniger als 13 gemacht hat, in denen er sonderbarerweise statt der sieben Wehrwölfe“ „seven war-wolves" kommen lässt. Auch in dem Gesange der Geister (Faust, Act 2, Sc. 5) ist er zu wortreich, ebenso wie Blackie in seiner Uebersetzung der 4. Sc. des 2. Actes, vor allem aber in der von Gretchens Gebet (Act 4, Sc. 7), das er, als wenn es für das Libretto einer modernen Oper bestimmt wäre, in einer nach Inhalt und Form ganz verfehlten Weise überträgt. Man höre nur den Anfang: O mother rich in sorrows, Bend down to hear my cry! O bend thee, gracious mother, to soothe mine agony! Thy heart with swords is pierced, And tears are in thine eye, Because they made thy dear son A cruel death to die. Die tiefen Gedanken Göthes in ihrem knappen und doch so schönen Gewande völlig wiederzugeben, ist den englischen Bearbeitern nur selten gelungen. Auch Rückert's gedankenschwere Kürze (die sterbende Blume, S. 391) hat in Blackie einen gar zu geschwätzigen Dolmetscher gefunden. Eine sehr gute Uebersetzung hat Garnett von Mignons Gesang geliefert, sowie Mangan in der von Gothe's Sänger. Der Letztere hat auch in einer freien Bearbeitung von Freiligrath's Gesicht des Reisenden Vorzügliches geleistet. Wie wenig auch in sonst trefflichen Uebertragungen die Bedeutung der Form des Originals beachtet worden ist, zeigt uns unter anderen auch Bulwer, der des Nadowessiers Todtenlied, in welchem Schiller schwermüthige Trochäen hat, in munter hüpfenden Jamben wiedergiebt und dadurch den Charakter des Gedichtes gründlich entstellt. Einen ähnlichen Vorwurf haben wir Martin und Aytoun zu machen, die in der guten Uebersetzung von Göthe's Zueignung zu den Gedichten die Ottaverime nicht beibehalten, sondern statt derselben achtzeilige Strophen mit 4 Reimen angewandt haben, ein Fehler, der uns bei Mad. Davies de Pontes noch um so erheblicher erschienen ist, weil ihre Uebertragungen von Körner's Gedicht „An die Königin Luise" und von dessen „Aufruf" auch inhaltlich sehr matt und farblos sind. Heine ist ziemlich schlecht weggekommen; Steele's Lorelei ist durchaus schülerhaft, und auch Miss Kroeker, die Tochter Freiligrath's, hat den Ton dieses Dichters nicht so gut getroffen, wie ihr das sonst, z. B. in den Uebersetzungen der Gedichte ihres Vaters, gelungen ist. Recht tüchtige Beiträge hat auch Hr. Dr. Baskerville geliefert, der seit Jahren unter uns lebt (jetzt als Director des internationalen Instituts in Godesberg bei Bonn), und dessen Uebertragungen sich durch treue Nachahmung des Originals wie durch Verständniss für die Feinheiten desselben auszeichnen. Vgl. besonders Chamisso's FrauenLiebe und Leben.

Enden wir damit unsere Musterung. Wenn uns nicht alle der in Hrn.

G.'s Buche vertretenen englischen Dolmetscher deutscher Dichter gefallen haben, wenn wir zu manchem Tadel berechtigt zu sein glaubten, so haben wir doch auch oft Veranlassung zu gebührender Anerkennung gehabt, und der Leser des Buchs wird finden, dass wir nur auf einen Theil des Guten aufmerksam gemacht haben. Selbstverständlich wird der Herausgeber durch unsere Ausstellungen in keiner Weise berührt; seine Arbeit bleibt nicht bloss für England, sondern auch für Deutschland eine so willkommene und dankenswerthe Gabe, dass wir sie mit Recht allen Literaturfreunden aufs wärmste empfehlen können. Er war an die vorhandenen Uebersetzungen gebunden und konnte keine besseren geben, als die, welche seiner Wahl vorlagen. Wenn es im Titel heisst: with the english versions of the best translators, nun, so weiss jeder, dass dies nur eine relative Bedeutung hat, dass das Beste darum noch nicht immer etwas Gutes ist.

Berlin.

Dr. W. Gerberding.

Programmens cha u.

Ueber den Gebrauch des Genitivs im Mittelhochdeutschen. Von
Gymnasiallehrer Dr. Nöldechen. Programm des Gym-

nasiums zu Quedlinburg, 1868. 33 S. 4.

Für die Casustheorie ist diese Abhandlung von Bedeutung. Die Localtheorie hat bekanntlich in neuester Zeit viele Anfechtungen erfahren, besonders hat in seinem letzten Programm Rumpel dieselbe sehr geistvoll zu-, rückgewiesen. Sie hat aber auch noch viele Anhänger, für sie tritt auch dies Programm auf, obgleich es sich nur auf eine Sprache und meist nur auf eine Periode derselben und sodann nur auf einen Casus beschränkt. Fur die Syntax des Genitivs ist die Abhandlung sehr wichtig, da das Vorkommen desselben mit ungewöhnlichem Fleisse verfolgt ist. Für die Erkenntniss der Casus ist bedeutungsvoll das Verhältniss der Casus zu den Präpositionen. Die ältere Periode der deutschen Sprache zeigt einen auffallenden Reichthum an Fällen, in denen durch den blossen Casus bezeichnet wird, was die neuhochdeutsche Sprache nur mit Hilfe der Präpositionen ausdrücken kann. Da die Präpositionen aus sinnlichen Raumbegriffen erwachsen sind, in älterer Zeit aber statt ihrer vielfach der blosse Casus steht, so, folgert der Verfasser weiter, spricht das für eine Localtheorie. Der Ausdruck mittelst der Flexion des Nomens ist unmittelbarer und wirksamer als der präpositionale; man lähmt die Schwungkraft der Sprache, wenn man im Neuhochdeutschen die kräftigere Ausdrucksweise, die Freiheit im Gebrauche der blossen Casus beschränken will; man sollte so viel als möglich die kurze Ausdrucksweise festhalten. In vielen Redensarten hält noch die edelere Sprache die freiere Construction fest, wo die gewöhnliche Prosa schon der Präposition nicht entrathen zu können meint, um so scheinbar deutlicher sich auszudrücken. Man sollte allgemein sich bemühen, die kürzere Weise einzuführen; wie das in manchen Fallen wohl möglich wäre, dafür finden sich manche beherzigenswerthe Andeutungen. Der Genitiv, so hält der Verfasser fest, bezeichnet ursprünglich die Richtung woher. Am deutlichsten tritt diese Bedeutung bei den Verbis der Trennung, Entfernung, Absonderung hervor. Diese betrachtet der Verfasser also zunächst und zwar zuerst die Verba des Weichens, Abgehens, Ablassens, Losmachens, Befreiens u. ä., darunter erlâzen (= entbinden): du solt mich des erlâzen, wofür wir jetzt minder anschaulich: Jemandem etwas erlassen, sagen, dann des Beraubens, Entbehrens, Bedürfens, ferner des Strebens, Begehrens, Bittens, Fragens u. ä., des Beginnens, Sichunterfangens u. ä., des Wartens, Hutens,

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