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Inhalt.

XLV. Band, 3. u. 4. Heft.

Abhandlungen.

Werther's Leiden und der literarische Kampf um sie. Von Georg Zim

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Seite

241

Die Kindheit der Sprache mit Rücksicht auf die Sprache der Kindheit. Von
Dr. Mieck

299

Neues über Daniel Defoe. Von F. Callin

313

321

Das russische Helden-Epos. Von S. Ewreinoff
Lateinisch und Romanisch. Mit Bezug auf Scholle's Auffassung der Toch-
tersprachen und Steinthal's eigenthümliche Beurtheilung des Romanischen.
Von Alb. Benecke

Philarète Chasles über Fritz Reuter. Von M. Maass

Ueber die diakritischen Zeichen im Französischen. Von Heinr. Schulz.
Le Légat de la Vache à Colas de Sedege. Complainte Huguenote "du
XVIe siècle. Von C. Hoeting.

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Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Ueber die Sprache Jacob Grimm's von Karl Gustav Andresen. (H.)
Die Idee einer rationellen Universal-Dolmetschersprache von Augustin Staffler.
(Dr. Püschel)

337

373

381

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401

. 425

Philosophia Patrum Versibus Praesertim Leoninis, Phythmis Germanicis Adiectis, Juventuti Studiosae Hilariter Tradita. Confluentibus, Rud. Frid. Hergt. (J. Frank.)

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Materialien zu deutschen, französischen und englischen Arbeiten. Themata, gesammelt von W. Bertram. (M. Mass.) .

L. de Belloc. De la formation de mots en allemand. Complément indispensable de toute grammaire allemande. (F. S.)..

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430

431

435

436

437

437

Dr. C. Abel. Ueber Sprache als Ausdruck nationaler Denkweise. (F. S.)
R. Hildebrand. De la réforme de l'enseignement supérieur. (F. S.)
De Francicae linguae recta pronuntiatione, Theodoro Beza auctore. (F. S.) 439
Dr. S. Nagel. Französisch-englisches etymologisches Wörterbuch innerhalb
des Lateinischen. (F. S.)

440

Miscellen.

Seite 443-478.

Bibliographischer Anzeiger.

Seite 479-480.

Beilagen:

2 von Herren A. Asher & Co. in Berlin.
Von Herrn C. F. Windaus in Gotha.

Werther's Leiden

und der literarische Kampf um sie.

Goethe's Dichtung und Wahrheit enthält in sehr bedeutsamen Zügen eine Entstehungsgeschichte des Werther und eine Beleuchtung des Verhältnisses, worin dieses Buch zu seinem Zeitalter stand. Der Dichter bezeichnet hier im Wesentlichen die Gesichtspunkte, aus denen er sowohl die persönliche, als die literarhistorische Bedeutung seines Werkes auffasst. Er gedenkt der finsteren Stimmung, des Lebensüberdrusses, der sich damals der jüngeren Generation bemächtigt habe, und der durch den Verkehr mit der englischen Literatur zur entschiedenen Entwicklung gekommen sei. ,,In einem solchen, Elemente", fährt er fort, „bei solcher Umgebung, bei Liebhabereien und Studien dieser Art, von unbefriedigten Leidenschaften gepeinigt, von aussen zu bedeutsamen Handlungen keineswegs angeregt, in der einzigen Aussicht, uns in einem schleppenden, geistlosen, bürgerlichen Leben hinhalten zu müssen, befreundete man sich in unmuthigem Uebermuth mit dem Gedanken, das Leben, wenn es einem nicht mehr anstehe, nach eigenem Belieben allenfalls verlassen zu können. Diese Gesinnung war so allgemein, dass eben Werther deswegen die grosse Wirkung that, weil er überall anschlug und das Innere eines kranken, jugendlichen Wahnes öffentlich und fasslich darstellte." Auch Goethe litt an dieser Krankheit und befreite sich von derselben nur mit schweren Anstrengungen. Er lachte sich zwar zuletzt

Archiv f. n. Sprachen. XLV.

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selbst aus, warf alle hypochondrischen Fratzen hinweg, und beschloss zu leben. Um dies aber mit Heiterkeit thun zu können", musste er „eine dichterische Aufgabe zur Ausführung bringen, wo alles was er über diesen wichtigen Punkt empfunden, gedacht und gewähnt, zur Sprache kommen sollte." Den äusserlichen Stoff zu dieser Production bot ihm die tragische Geschichte Jerusalem's; innerlich drängte ihn hierzu (neben der fortwirkenden Liebe zu Charlotte Buff) die peinliche Lage, in die er durch sein Verhältniss zu Maximiliane Brentano, geb. de la Roche gerathen war. Die unglückliche Neigung zu der

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Gattin eines Freundes hatte den Selbstmord Jerusalem's herbeigeführt. Goethe wurde von einer ähnlichen Leidenschaft bewegt und indem er seinen Werther in der Aufregung derselben schrieb, hauchte er ihm alle die Gluth ein, „, welche keine Unterscheidung zwischen dem Dichterischen und dem Wirklichen zulässt." Die jüngeren Freunde des Dichters wurden mächtig davon ergriffen. Freilich war es hier abermals der Stoff, der eigentlich die Wirkung hervorbrachte, und so waren sie grade in einer der meinigen entgegengesetzten Stimmung: denn ich hatte mich durch diese Composition mehr, als durch jede andere aus einem stürmischen Elemente gerettet, auf dem ich durch eigene und fremde Schuld, durch zufällige und gewählte Lebensweise, durch Vorsatz und Uebereilung, durch Hartnäckigkeit und Nachgeben, auf die gewaltsamste Art hin und wider getrieben worden. Ich fühlte mich, wie nach einer Generalbeichte, wieder froh und frei, und zu einem neuen Leben berechtigt. Das alte Hausmittel war mir diesmal vortrefflich zu statten gekommen. Wie ich mich nun aber dadurch erleichtert und aufgeklärt fühlte, die Wirklichkeit in Poesie verwandelt zu haben, so verwirrten sich meine Freunde daran, indem sie glaubten, man müsse die Wirklichkeit in Poesie verwandeln, einen solchen Roman nachspielen und sich allenfalls selbst erschiessen: und was hier im Anfange unter Wenigen vorging, ereignete sich nachher im grossen Publicum, und dieses Büchlein, was mir soviel genützt hatte, ward als höchst schädlich verrufen. Die Wirkung dieses Büchleins war gross, ja ungeheuer, und vorzüglich deshalb, weil es genau in die rechte Zeit traf. Denn wie es nur eines geringen Zündkrauts bedarf, um eine gewaltige

Mine zu entschleudern, so war auch die Explosion, welche sich hierauf im Publicum ereignete, deshalh so mächtig, weil die junge Welt sich schon selbst untergraben hatte, und die Erschütterung deswegen so gross, weil ein jeder mit seinen übertriebenen Forderungen, unbefriedigten Leidenschaften und eingebildeten Leiden zum Ausbruch kam. Man kann von dem Publicum nicht verlangen, dass es ein geistiges Werk geistig aufnehmen solle. Eigentlich ward nur der Inhalt, der Stoff beachtet, wie ich schon an meinen Freunden erfahren hatte, und daneben trat das alte Vorurtheil wieder ein, entspringend aus der Würde eines gedruckten Buchs, dass es nämlich einen didaktischen Zweck haben müsse. Die wahre Darstellung aber hat keinen. Sie billigt nicht, sie tadelt nicht, sondern sie entwickelt die Gesinnungen und Handlungen in ihrer Folge und dadurch beleuchtet und belehrt sie."

Es bleibt der Biographie Goethe's überlassen, die durch den Werther vollzogene Selbstbefreiung des Dichters zu beurtheilen, sowie auch das Verhältniss des Romanes zu den oben berührten wirklichen Vorgängen ins Licht zu setzen. Was uns hier zunächst beschäftigt, ist die Einwirkung des Buches auf sein Zeitalter, und in dieser Hinsicht geben die Bemerkungen des Dichters alle zum Verständniss erforderlichen Winke.

Das jüngere Geschlecht jener Tage wurde deshalb vom Werther so mächtig ergriffen, weil dieser, und zwar gerade zur rechten Zeit, die geistige Krankheit, an der es litt, zur vollkommenen Darstellung brachte, weil er den sentimentalen Titanen das Wort aus dem Munde nahm. Goethe schüttelte mit seiner Dichtung eine wuchtige Last von seinem Herzen; das Auge ward ihm helle, und er fasste Muth zu einem neuen Leben. Anders verhielt es sich aber mit denen, die sich, in der gefährlichen Luft des Zeitalters lebend und athmend und von dessen Ideen durchdrungen, dem Werke hingaben und von seiner dichterischen Grösse und Schönheit berauscht wurden. Sie vermochten die Gestaltung vom Stoffe um so weniger zu trennen, als Goethe diesen nicht zur objectiven künstlerischen. Freiheit herausgebildet, sondern das Naturdasein desselben durch die Darstellung bestätigt hatte. So lag es in dem Geiste und der Haltung des Werther selbst, dass er wohl den Dichter,

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