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sich des ergiebigen Stoffes sofort und es war höchst warscheinlich Juan Marti, ein Valencianer Advocat, der unter dem Pseudonym Mateo Lugan de Sayavedra eine sogenannte „Fortsetzung" herausgab, welche nicht ohne Interesse ist.

1605 erschien der ächte zweite Theil. Wir finden Guzman im Hause des französischen Gesandten zu Rom wieder. Auch von hier vertreiben ihn seine Nichtswürdigkeiten bald und er wendet sich nunmehr nach Siena, wo er im Hause eines Verwandten Aufnahme zu finden, hofft. Dort wird er um seine ganze Habe gebracht von einem Gauner, dem Aleman nebst einigen schmückenden Beiwörtern den Namen Sayavedra, beigelegt hat, natürlich um seinen unberufnen Contienador auf diese Weise zu züchtigen. Später verbinden sich die beiden jugendlichen Betrüger und durchziehen die Städte des nördlichen Italiens, besonders Mailand, Bologna und Genua, von wo aus sie nach Spanien übersetzen. Guzman wird nunmehr Kaufmann in Madrid, macht einen betrügerischen Bankerott, heiratet und setzt endlich, nach dem Tode seines Weibes, der Schamlosigkeit die Krone auf, indem er sich als Student zu Alcalá zum Eintritt in den geistlichen Stand vorbereitet. Glücklicherweise kommt es nicht zur Ausführung seiner heiligen Absichten. Er verliebt sich in ein hübsches Bürgermädchen, heiratet sie und lässt sich mit ihr in Sevilla nieder. Dort verlässt ihn seine junge Frau um mit einem Liebhaber nach Italien zu entlaufen. In grösster Armut und nicht im Stande, es bei seiner alten, schamlosen Mutter auszuhalten, wird er Mayordomo einer vermögenden Dame, beraubt dieselbe und wird auf die Galeeren geschickt, wo er das Glück hat, einer Verschwörung der Sträflinge auf die Spur zu kommen. Zur Belohnung für die Anzeige derselben wird er gänzlich begnadigt. — Damit endet seine Lebensbeschreibung ohne eigentlichen Abschluss. Ein dritter Teil, den Aleman schon geschrieben zu haben erklärte, ist nie veröffentlicht worden.

Wenn auch dieser Roman im Allgemeinen im Charakter der zuerst besprochnen gehalten ist, so ergeben sich doch, bei näherer Betrachtung, einige Besonderheiten für denselben. Der Held Guzman ist natürlich von Haus aus ein eben so nichtswürdiges Sujet als der gute Lazarillo, aber während der Letz

tere mit einem gewissen Behagen seine moralische Blösse aufzeigt, sucht Guzman öffentlich und vor der Welt als ein Ehrenmann zu gelten ein Bestreben, welches ihn in sittlicher Beziehung noch um eine Stufe niedriger Platz nehmen lässt. Damit nun der Leser über die Schlechtigkeiten, von denen das Leben des Guzman strotzt, nicht allzusehr in sittlichen Harnisch gerate, hat es der Verfasser für gut befunden, an passender Stelle längere moralische Betrachtungen zu inseriren, die einesteils sein Buch wirklich vor strengem Tadel sichern sollten, andrerseits aber überhaupt dem Geschmack der Zeit entsprechen, während sie uns wenig ansprechend erscheinen müssen. Ausser diesen Sermonen finden sich auch in die eigentliche Erzählung hin und wieder Novellen eingeflochten, sowie komische Abhandlungen, z. B. eine, welche gewissermassen das Statut der edlen Bettlerbrüderschaft bildet und ein ganzes System der Bettelei enthält.

Von den beiden andern bemerkenswerten spanischen Werken dieser Gattung, welche ich hier noch zu erwähnen habe, erschien das eine, der Escudero marcos de Obregon im Jahre 1618. Der Verfasser, Vicente Espinel, stammt aus Ronda, einer romantisch gelegenen Stadt im südlichen Teile des Königreichs Granada. Seine Lebensschicksale sind dunkel. Wir wissen nur, dass er in Salamanca studirt und zu den Freunden Lope de Vega's gehört hat. Wenn es auch anzunehmen ist, dass manche von den in dem erwähnten Buche erzählten Erlebnissen aus dem Schatz seiner eignen Erfahrung geschöpft sind, so tragen doch dafür andere wieder so sehr den Stempel der Fiction an sich, dass man diese Aufzeichnungen kaum als eine Selbstbiographie betrachten kann. Der Held des Romans tritt uns zuerst entgegen in der Rolle eines Stallmeisters im Hause eines Arztes, ein Posten, den er jedoch erst in seinen späteren Jahren bekleidete. Aus dem Gesagten geht schon hervor, dass wir es hier nicht mit einem jener Escudero's zu tun haben, welche einst hoch zu Ross ihrem ritterlichen Herrn zu Kampf und Sieg folgten und deren Carricatur wir in einem Sancho Panza belächeln. Die Escutero's der damaligen Zeit waren weiter nichts als eine Art von Bedienten und nahmen im Leben oft eine recht bescheidene, ja kümmerliche Stellung ein. Marcos de Obregon erzählt uns, dass er sein Verhältniss zu jenem Doctor

Sagredo gelöst habe, nachdem derselbe von Madrid weggezogen war. Auf einem Spaziergang in die Umgebungen der Hauptstadt überfällt den alten Escudero ein heftiger Sturm, vor dem er sich in einer Klausnerei zu bergen sucht. In der Person des Eremiten erkennt er einen alten Waffengefährten und erzält diesem seine Schicksale, ein Bericht, der natürlich bis auf seine Jugendjahre zurückgreift. Auch er hat früh das väterliche Haus verlassen, in Salamanca studirt, dann die Feder mit dem Schwert vertauscht, als Soldat Italien nach allen Richtungen durchstreift und sogar die Beschwerden einer Gefangenschaft in Algier ertragen müssen. Nach mannigfachen Gefahren, Verlegenheiten, Intriguen und andern Handlungen von zweifelhaftem moralischen Werte finden wir ihn, wie er sich am Eingang seines Buches schildert, als einen Menschen der zwar keine jugendlichen Torheiten mehr begeht, dem aber ein Leben voll bittrer Erfahrungen keine wirklich sittliche Haltung beibringen konnte. So haben denn die oft recht verständigen, nur etwas weitschichtigen moralischen Betrachtungen, in welchen er sich gern ergeht, in seinem eignen Verhalten einen gewissen Gegensatz, der für seine Characterstärke kein vorteilhaftes Zeugniss ablegt. Ich werde später noch einmal auf diesen Roman zurückkommen. Von spanischen Werken dieser Gattung will ich zunächst nach den 1646 erschienenen Estevanillo Gonzalez erwähnen. Es ist eine Selbstbiographie, welche für uns noch dadurch besonders interessant wird, dass der Erzähler Estevanillo Gonzalez, lange Zeit als Hofnarr und in andern Funktionen, im Dienste des aus den Annalen des dreissigjährigen Kriegs bekannten und durch Schiller uns menschlich näher gerückten Herzogs von Amalfi, Don Octavio Piccolomini de Aragon, gestanden hat. Unter den Erlebnissen des nicht ungebildeten Narren findet sich freilich eine ganze Menge von Abenteuern, die offenbar in das Gebiet der blossen Phantasie gehören, so dass Le Sage gradezu und ohne viel verändern zu müssen, aus dieser Lebensbeschreibung einen Roman machen konnte. In dieser Gestalt mag Estevanillo besser zu geniessen sein als im Original, welches sich durch einen gradezu ekelhaften Cynismus auszeichnet.

Obschon eins oder das andere der besprochenen Werke in

jeder Literatur seinen Platz behaupten würde, so ist es dennoch. nicht der spanische Boden, welcher den besten Roman dieser Gattung hervorgebracht hat, vielmehr blieb es einem Franzosen vorbehalten, das Muster einer novela picaresca zu liefern.

Alain-René Le Sage wurde 1668 zu Sarzeau auf der Halbinsel Rhuys (Basse Bretagne) geboren, nicht weit von Saint Gildas, wo Abailard Abt gewesen ist. Er machte seine Studien auf dem Collegium zu Vannes. Nach dem Tod seiner Eltern (der Vater, Notar und Amtsschreiber, starb im 14., die Mutter im 9. Lebensjahr ihres Sohnes), erhielt er in seinem Oheim einen nachlässigen Vormund. Im 22. Jahr kam er nach Paris, um Philosophie und Rechte zu studiren und führte einige Zeit lang ein sehr ungebundenes Studentenleben. 26 Jahre alt, heiratete er die 22jährige Tochter eines Pariser Bourgeois und scheint von da an ein häusliches Leben geführt zu haben, welches nur der Sorge um eine erträgliche Existenz für sich und die Seinen zugewendet war. Eine Zeit lang versuchte er es, von einem wirklichen Amt zu existiren und zwar als Bureauschreiber irgend eines Generalpächters in der Provinz, doch hielt er es nicht lange in dieser Stellung aus, sondern kehrte nach Paris zurück, wo er von nun an vom Ertrage seiner Schriften lebte. Er fand einen Beschützer in dem Abbé de Lyonne, einem der Söhne des Ministers gleichen Namens. Von diesem in die spanische Sprache und Literatur eingeführt, versuchte sich Lesage zuerst an Uebersetzungen, bis er endlich, 1707, mit zwei selbständigen Arbeiten hervortrat, nämlich dem Lustspiel Crispin, rival de son maître, und dem Roman Le diable boiteux. Dem vortrefflichen, 1709 aufgeführten Lustspiel Turcaret, welches eine durch ihre Kühnheit bemerkenswerte Satyre gegen das herrschende Finanzverwaltungssystem ist, folgten im Jahre 1715 die beiden ersten Bände des Gil Blas, ein Roman, auf welchen sich der Ruhm des Verfassers hauptsächlich gründet. Um diesen kurzen Lebensabriss gleich hier zum Abschluss zu bringen, wollen wir noch erwähnen, dass Lesage, nach dem Tod seines Lieblingssohnes, des vortrefflichen Schauspielers Montménil, sich nach Boulogne-sur-Mer mit seiner Frau und Tochter zurückzog, wo er, im Hause seines Sohnes, des Kanonikus, am 17. November 1747 starb.

Wir wenden uns nunmehr zu der Besprechung des Gil Blas, dessen beide letzte Bände 1724 und 1735 erschienen. Der Erfolg dieses meisterhaft geschriebenen Romans war sehr gross, so dass man von ihm eigentlich eine neue Epoche der Romanliteratur datiren muss. Hier war, im Gegensatz zu dem Pathos der grossen Dichter, welche den Glanz des französischen Parnasses bildeten, der hohe Flug romantischer Fiction aufgegeben und ein Gemälde des wirklichen Lebens geliefert worden, wie es treuer und anziehender kaum gedacht werden kann. Allerdings heben sich die in jenem Roman geschilderten Scenen auf dem Hintergrund eines fremden - des spanischen Volkslebens ab, welcher Franzose aber, besonders welcher Pariser, hätte nicht in seiner eignen Umgebung die Originale, welche in dem Roman so treu copirt waren, wiedererkannt? In Lesage's Doctor Sangrado (sollte wohl eigentlich sangrador heissen), dem „Aderlasser," glauben wir unsern Freund Purgon oder Desphonandres aus dem Molière wiederzusehen und erinnern uns unwillkürlich an den Refrain aus dem Malade imaginaire: clysterium donare,

postea seignare,

ensuite purgare.

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Die Torheiten der gens d'esprit und ihr schlechter Geschmack in Sachen der Literatur, das tolle Comödianten treiben, die miserable Justiz, deren Klauen beide Teile, der Unschuldige, wie der Maleficant, fast in gleicher Weise zu fürchten haben, die Günstlingswirtschaft und die schlechte Verwaltung der Minister von allen diesen Zuständen liefert der vortreffliche Roman ein treues Spiegelbild. Alles in Allem: man wird kaum zu weit gehen, wenn man im Gil Blas den Vertreter des allmählich auf die Weltbühne tretenden dritten Standes, den Vorläufer eines Figaro erblickt.

Es ist begreiflich, dass die Spanier mit dem Gefühl patriotischer Beklemmung einem Ausländer den ersten Preis erringen sahen auf einem Gebiet, welches doch eigentlich ihr nationales Eigentum war. Als daher aus der Mitte seiner eignen Landsleute der Vorwurf des Plagiats gegen Lesage geschleudert wurde, fand diese Anklage jenseits der Pyrenäen bereitwilligen Glauben. 1787 erschien zu Madrid eine Uebersetzung

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