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Kenntnissen der Leberwundenen auszufüllen. Sie fanden, daß sich durch die Bemühungen einiger Wenigen, sogleich Licht über das ganze Volk verbreitete; und daß ihnen die Wissenschaften gar bald im Verkehr des Lebens vorleuchten würden, wenn sie nur erst die Kenntnisse früherer Zeiten in ihrer eignen Sprache besäßen. Sie machten sich sofort vor allen Dingen an die Arzneykunst, und Philosophie, und trugen die besten griechischen Autoren in diesen Fächern, ins Arabische über. Ob sie sich auch an die Dichter wagten, ist nicht bekannt. Ihr gelehrter Eifer war groß, aber von kurzer Dauer, und erlosch vermuthlich eh sie Zeit fanden, die schönen Künste zu den nüzlichen zu fügen.

Das Studium der alten Literatur ward in Europa durch den Einfall der nordischen Völker unterbrochen, welche das römische Reich stürzten, und neue Staaten und Sprachen über seinen Ruinen aufführten. Es darf nicht befremden, wenn die damalige allgemeine Verwirrung die Aufmerksamkeit der Menschen von den Wissenschaften ablenkte: die Sieger wie die Besiegten hatten tausend Schwierigkeiten zu begegnen, tausend nahe und drüfende Uebel zu verbessern, und wenig Muße, mitten unter

den Gewaltthätigkeiten des Kriegs, den Schreknissen der Flucht, den Mühseligkeiten einer gezwungenen Auswan derung, oder dem Tumult einer noch unsichern Eroberung, auf spekulative Wahrheiten auszugehen; die Freuden der Einbildungskraft zu kosten; die Geschichte der Vorzeit fennen zu lernen; oder die Lebensbeschreibungen großer

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Männer zu studieren. Kaum aber war das anarchische Chaos in einige Ordnung getreten, so entfalteten Kunst und Wissenschaft wieder ihre Blüthen im Schimmer des Friedens. Als Leben und Eigenthum wieder gesichert waren, da kehrte der verwilderte Mensch alsbald zur Bequemlichkeit, und zum Genusse zurük; fand in den Wissenschaften eine unverfiegbare Quelle des Ver. und betrachtete die Uebersezkunst als ein Hauptmittel zu denselben.

gnügens,

Durch einen Zusammenstoß von mancherley Ursachen, erwachte endlich die Europäische Welt ganz von ihrer Le. thargie; und Künste, welche lange Zeit in geheimen Dunkel der Klöster getrieben worden waren, wurden die Lieblinge aller denkenden Menschen. Jede Nation wett eiferte mit ihren Nachbarn um den Preis der Gelehr samkeit: dieser anstekende Wetteifer breitete sich vom Súd nach dem Nord aus; und Wißbegierde, und die Ucbersez. kunst fanden so ihren Weg nach Frankreich, England, Deutschland.

Wer die Geschichte der Englischen Literatur studiert, der wird, finden, daß die llebersezkunst schon frühzeitig unter den Britten getrieben wurde; daß aber einige ent. weder ganz irrige, oder zuweit getriebene Grundsäze Schuld waren, daß der Erfolg durchaus nicht der Unstrengung entsprach.

Chaucer, den man gewöhnlich als den Vater der Englischen Dichtkunst betrachtet, hat eine Uebersezung

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des Boëtius,, über den Trost der Philosophie"

hinterlassen ein Buch, welches überhaupt der Lieb ling des Mittelalters gewesen zu seyn scheint, von König Alfred selbst ins Angelsächsische übersezt, und mit einem reichen, dem Aquinas zugeschriebenen Commentar vers sehen wurde. Man darf annehmen, daß Chaucer® einem so berühmten Schriftsteller mehr als gemeine Sorgfalt gewiediet haben werde: und doch strebte er nicht höher, als nach einer buchstäblichen Uebersehung, und würdigte den poetischen Theil des Buchs zur gemeinen Prose herab, um durch den Zwang des Silbenmases, seiner knechtischen Treue nichts zu vergeben,

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Im Jahr 1490 führte Carton die Buchdruckerkunst in England ein. Gleich das erste in englischer Sprache gedruckte Buch war eine Uebersezung. Carton war zugleich Dollmetscher und Drucker,, der Zerstörung von Troja“ eines Werks, welches in jener Kinderzeit der Aufklärung, für das beste über die alte Fabelwelt galt, und wenn gleich jezt durch eben so unbedeutende Acerren ver schlungen, doch bis zu Anfang des gegenwärtigen Jahr. hunderts in Carton's rauhem Englisch gelesen wurde.

Carton fuhr fort wie er angefangen hatte, und drukte, außer den Gedichten von Gower und Chaucer, nichts als Uebersezungen aus dem Französischen, worin sich die Verfasser so sklavisch an das Original banden, daß die Sprache nicht das mindeste dabey gewann, und man blos englische Worte in ausländische Formen einges

feilt fand. Co wie die englische Literatur weiter fort. rúkte, nahm sie auch neue Werke in ihrer Sprache auf, ohne daß jedoch die Ucbersezkunst sehr verbessert wurde; wenn gleich in andern Sprachen bessere Methoden auf. gestellt waren. Erst zu den Zeiten der Königin Elisa, beth, kamen die Britten auf die Entdekung, daß durchaus mehr Freiheit zur Schönheit; und Schönheit un umgänglich zu einer allgemein guten Aufnahme erforderlich sey. Damals machte man mit verschiedenen Italienischen Dichtern Versuche, welche das Lob und die Dankbarkeit der Nachwelt verdienen.

Doch vergaß man die alte Sitte und Regel nicht sobald Holland überschwemmte die ganze Nation mit buchstäblichen Uebersezungen; und was das sonderbarste war, man trug dasselbe knabenhafte Wortgeklimper harts nåckig auf die Dollmetschungen der Dichter über. Diese ungereimte Methode beobachtete Jonson in seiner Ueber, sezung des Horaz: und geschah's, weil es unter den Menschen mehr Gelehrsamkeit als Genie giebt; oder — weil die Bestrebungen jener Zeit mehr auf Kenntnisse als auf Vergnügen gerichtet waren: - die ängstliche Ge, nauigkeit Jonson's fand mehr Nachahmung, als die Ele ganz des Fairfax; und May, Candys, und Holiday begnügten sich mit der undankbaren Arbeit, Zeile vor Zeile überzutragen, wiewohl nicht mit gleichem Glüke; denn May und Sandys waren Dichter, und Holiday blos Echulmann, und Wortklauber."

Feltham scheint es als ein bekanntes Gesez der poetischen Dollmetschung vorauszusezen, daß sie weder mehr noch weniger Zeilen, als das Original enthalten dürfe und dieses belachenswerthe Vorurtheil ist so lange im Gang geblieben, daß Fanshaw's Uebersezung des Guarini, als der erste kühne Versuch gepriesen wurde, die hergebrachten Fesseln zu zerbrechen, und die Muse in thre natürliche Freiheit einzusezen.

Bey dem allgemeinen Wetteifer des Genies und des Wizes, welchen die Restauration hervorbrachte, schüttelten auch die Dichter jene Fesseln von sich, und banden die Uebersezkunst nicht länger an knechtische Genauigkeit. . Reformationen aller Art sind aber selten das Werk reiner Tugend, oder der ununterstüzten Vernunft; und die Kunst ward mehr durch Zufall, als durch Grundsaz und Ueber. zeugung verbessert. Die Schriftsteller der vorhergehenden Periode besaßen mehr Gelehrsamkeit als Genie; verstanden sich mehr darauf, die Meinungen und Anspielungen der Alten zu erklären, als ihre Schönheiten aufzufassen und darzustellen: den Mangel an poetischem Geiste, suchten fie hinter einem gelehrten Apparat zu versteken, und übersezten darum nach dem Buchstaben, um ihre Treue zum Schirm ihrer Roheit und Geschmaklosigkeit zu machen. Die Schöngeister zu Karl's Zeiten besaßen selten mehr als leichte und oberflächliche Kenntnisse, und waren nur darauf bedacht, ihre Dürftigkeit unter den prismatischen Farben einer lachenden Phantasie zu versteken: sie dolle

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