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Wenden wir uns nun schliesslich zu der bedeutendsten seiner poetischen Schöpfungen, Evangeline (II, pag. 127), welche in mehrfacher Hinsicht unser Interesse in hohem Grade in Anspruch nimmt. Die frühere Geschichte der americanischen Colonieen ist voll von schrecklichen Zügen, und Evangeline, a tale of Acadie hat das Interesse dafür wieder aufgefrischt. Das besondere Ereigniss, welches uns die Erzählung schildert, ist freilich von den Historikern wenig beachtet, da es nur in der Reihe jener grossartigen Bewegungen, welche America und Europa aufregten, wie eine einzelne Thatsache dasteht, die überdies in einem entfernten Winkel der Erde sich ereignete und auf den Gang der grossen Weltereignisse keinen Einfluss ausübte. Evangeline ist ein in Hexametern geschriebener poetischer Roman, der einen historischen französischen Stoff behandelt und durch und durch eine metaphysische und romantische Färbung an sich trägt.

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L'Acadie, Cadie oder Neu-Schottland war ursprünglich eine Colonie der Franzosen, welche durch den Vertrag zu Utrecht (1713) von Ludwig XIV. an die Engländer abgetreten wurde. Die katholischen Fischer aus der Normandie hatten sich indessen von den puritanischen Bewohnern Pennsilvaniens stets sehr fern gehalten und wollten von ihrem neuen Könige nichts wissen. Sie waren und blieben Franzosen und suchten sich deshalb mit Hilfe der Indianer längere Zeit unabhängig zu erhalten; sie weigerten sich, gegen ihre Brüder in Canada unter den englischen Fahnen zu kämpfen und leisteten überhaupt dem neuen Beherrscher den hartnäckigsten Widerstand. Im Jahre 1749 wurden englische Colonisten nach Chibouctou geschickt, welches man Halifax benannte, aber der Geist der Abneigung wurde dadurch nicht gebrochen. Die Regierung sandte deshalb 1755 den General Monckton mit einer ansehnlichen Land- und Seemacht nach Neuschottland, um den englischen Forderungen mehr Nachdruck zu geben. Nachdem die Unterwerfung des Landes fast vollendet war, wurde auf den Rath von Lawrence, des Gouverneurs von Massachusetts, der Beschluss gefasst, die ganze Bevölkerung von Acadia nach anderen Provinzen zu übersiedeln, weil man sie theils für ihre Theilnahme an der hartnäckigen Vertheidigung des Forts Beauséjour glaubte bestrafen zu müssen, andrerseits aber auch, weil man fürchtete, dass sie sich mit den Bewohnern von Canada verbinden und die englischen Colonieen mit vereinten Kräften überfallen würden. Am 5. September mussten sich auf eine öffentliche Aufforderung des Obersten Winslowe alle waffenfähigen Männer in der Kirche von Grand-Pré versammeln, welche von Soldaten stark besetzt war. Nachdem sich 418 Männer eingefunden hatten, liess der Oberst die Trommel rühren, stieg dann an den Stufen des Altars hinauf und erklärte den Versammelten, dass ihnen alle ihre liegenden Güter genommen und dass sie mit ihren Familien in andere Provinzen gebracht werden sollten. Da sie ganz arglos ohne Waffen gekommen waren, so war jeder Widerstand unmöglich, und sie mussten deshalb der Gewalt weichen. Man schleppte sie nach Verlauf mehrerer Tage in verschiedenen Abtheilungen nach den Schiffen, wohin sie von den laut klagenden Weibern begleitet wurden; der Fanatismus, welcher sich gegen die vorläufig noch zurückgelassenen katholischen Frauen und

Kinder Luft machte, war entsetzlich: die wilde Horde sengte und brannte Alles nieder; man trennte sogar unglückliche Mütter von ihren Kindern, schaffte nach und nach Alle fort von ihrer Heimath und beging sogar die Barbarei, sie an verschiedenen Orten auszuschiffen, so dass der grösste Theil der Familien förmlich gesprengt war, und die einzelnen Glieder derselben unsägliche Mühe hatten, um sich wieder zusammenzufinden; Viele irrten auf diese Weise ohne allen Erfolg in dem fremden Lande umher und sahen die Ihrigen nie wieder. Hie und da freilich sammelten sich Einzelne aus dem friedlichen und frommen Volke und bildeten, z. B. in St. Domingo, Guyana und Louisiana einen neuen festen Verband; aber das Glück der Meisten war für immer vernichtet.

Das Gedicht erzählt uns nun, dass Evangeline, eine junge Acadierin von GrandPré, sich gerade in der Zeit mit Gabriel, dem Sohne eines Schneiders, Namens Basil, verlobte, als die grässliche Unthat ausgeführt werden sollte. Fern von ihrer Familie und dem Geliebten, und getrennt von allen Freunden und Verwandten wird sie an der Küste von Pennsylvanien ans Land gesetzt und irrt dann in Begleitung eines alten Priesters, der sie mit Rath und That unterstützt, traurig umher, um die Verlorenen wiederzufinden. Aber fruchtlos ist ihr Bemühen, vergeblich eilt sie über den Delaware durch Massachusetts und le Maine; nirgends findet sie auch nur die geringste Spur. Nach einer langen mühseligen Wanderung zieht sie auf gebrechlichem Fahrzeuge mit mehreren ihrer unglücklichen Leidensgenossen den Mississippi entlang und entdeckt endlich in Louisiana Basil, den Vater ihres Verlobten. Die Fahrt auf dem mächtigen Strome ist mit grosser Wahrheit und dem lebhaftesten hochpoetischen Gefühle geschildert, und man bewundert den grossartigen und lieblichen Wechsel der Scene mit Entzücken. Der unglückliche Gabriel hat sich mit gebrochenem Herzen zu den indianischen Jägern in den unfruchtbaren und steinigen Ebenen begeben, welche sich an dem Ozark-Gebirge hinziehen. Basil begleitet nun Evangeline auf ihren ferneren Wanderungen, auf denen sich ihr in Adayes ein Schimmer von Hoffnung zeigt. Aber alles Bemühen ist ohne Erfolg, und sie geht deshalb nach Philadelphia zurück und tritt daselbst in den Orden der barmherzigen Schwestern, um den Rest ihres Lebens der Pflege der Kranken und Unglücklichen zu widmen. Sie übt hier Barmherzigkeit und christliche Liebe in einer rührend frommen Weise und findet einst nach Verlauf vieler Jahre in einem armen Pestkranken, dessen Haare schon gebleicht sind und der bereits mit dem Tode ringt, ihren geliebten Gabriel wieder, welcher in ihren Armen sein Leben aushaucht, nachdem auch er seine Braut erkannt und ihr süsse liebe Trostesworte zugeflüstert hat. Sie vermag die neue Trennung nicht zu ertragen und folgt sehr bald dem Geliebten in ein besseres Leben.

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Das episch-lyrische Gedicht ist mit grösserer Sorgfalt und Geschicklichkeit geschrieben worden, als man sie sonst irgendwo bei Longfellow findet; besonders schön ist die Schilderung des gemüthlichen häuslichen Lebens in Acadia, während andrerseits die Ueppigkeit des südlichen Klima's mit voller Treue und Vollendung dargestellt ist. Sollten wir irgend etwas an dieser americanischen Idylle als mangelhaft bezeichnen, so wäre es, dass der geschilderten Liebe eigentlich alle Gluth der Leidenschaft fehlt; ausserdem hat der Dichter auch über die allmälige Entwicklung und über das Wachsen der gegenseitigen Zuneigung fast gar nichts gesagt, und es scheint beinahe, als habe sich die ganze Fülle seiner poetischen Kraft, all sein Interesse auf die Beschreibung des herrlichen und theuren Landes concentrirt. Grössere Wahrheit und Zartheit lässt sich nicht leicht finden, als sie der Dichter in seinem Bilde von dem ursprünglichen Zustande in Nova Scotia gezeigt hat, wo er uns die frommen, gastfreundlichen und glücklichen Be

wohner des Landes kennen lehrt. In der Schilderung dieser Sommer- und Herbstabende ertönt eine solche Musik und es schwebt über Allem ein so anmuthiger Zauber, dass man sich gar nicht wieder von dem Bilde trennen kann und mit dem Wechsel der Scene fast unzufrieden ist.

Besonders anziehend ist ferner die Darstellung von dem Charakter Evangeline's, und im Laufe der Erzählung wird sie, wie sich ihre Tugenden durch Geduld und religiösen Glauben entfalten, mit einer engelhaften Schönheit bekleidet. Das milde Sternenlicht gleicht dem Glanze ihrer Augen, und ihre Bewegungen scheint sie von dem sanften Dahingleiten der Wolken gelernt zu haben; viele Kritiker haben es dem Dichter fast nicht verzeihen können, dass er sie so schwere Prüfungen bestehen lässt.

Der zweite Theil von Evangeline ist überhaupt nicht ganz so schön als der erste, und so ergreifend auch die Beschreibung von der Angst und Sorge ist, in welcher unsere Heldin ihren Geliebten aufsucht, so hinterlässt das Ganze doch einen vorherrschend schmerzlichen Eindruck.

Die lyrische Poesie Longfellow's ist so lieblich, dass wenn man den Dichter mit den meisten seiner Zeitgenossen vergleicht, es gleichsam ist, als ob man aus einem rauhen Lande in einen orientalischen Garten kommt, in welchem das Plätschern der Wasserfälle oder die Musik der Vögel auf jedem Schritte unser erstauntes Ohr erfreuen. In seinen Gedanken herrscht überall die strengste geistige Schönheit des Ausdrucks nebst Lieblichkeit und Zartheit, und der Dichter beweist zugleich, dass er den mannigfaltigsten Gebrauch des Rhythmus völlig beherrscht. Sein Styl ist überall fliessend und correct, und nur selten läuft ihm eine kleine Nachlässigkeit im Ausdruck mit unter, wie dies z. B. in der Hymn to the Moravian Nuns der Fall ist. Sein Ausdruck ist zugleich äusserst einfach, ohne weithergeholte Epitheta was in America nicht gar häufig der Fall ist und in seinen Bildern ist er überall lieblich und wahrhaft keusch; einen ganz besonderen Reiz haben aber seine Schilderungen noch dadurch, dass bei dem Dichter die sächsischen Wörter vor dem lateinischen Elemente der Sprache bedeutend vorwiegen, und dass das von ihm gebrauchte Wort überhaupt oft wahre Bilder seiner Gedanken giebt.

Wir beschliessen diesen Abschnitt mit Anführung der beiden beliebtesten Nationalgesänge: Yankee Doodle von Sheckburg und Hail, Columbia von Hopkinson.

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Rallying round our Liberty;
As a band of brothers join'd,
Peace and safety we shall find.

Immortal patriots! rise once more;
Defend your rights, defend your shore;
Let no rude foe, with impious hand,
Let no rude foe, with impious hand,
Invade the shrine where sacred lies
Of toil and blood the well-earn'd prize.
While offering peace sincere and just,
In Heaven we place a manly trust,
That truth and justice will prevail,
And every scheme of bondage fail.
Firm united, &c.

Sound, sound the trump of Fame!
Let Washington's great name

Ring through the world with loud applause,
Ring through the world with loud applause:
Let every clime to Freedom dear
Listen with a joyful ear.

With equal skill, and godlike power,
He governs in the fearful hour
Of horrid war; or guides, with ease,
The happier times of honest peace.
Firm

united, &c.

Behold the chief who now commands,
Once more to serve his country, stands

The rock on which the storm will beat,
The rock on which the storm will beat:
But, arm'd in virtue firm and true,
His hopes are fix'd on Heaven and you.
When Hope was sinking in dismay,
And glooms obscured Columbia's day,
His steady mind, from changes free,
Resolved on death or liberty.

Firm united let us be,
Rallying round our Liberty;
As a band of brothers join'd,
Peace and safety we shall find.

Das Wort Yankee Doodle soll eigentlich einen Schimpfnamen bedeuten, etwa „Hans Tapps", welcher von den Engländern den Americanern spottweise beigelegt und im Laufe der Zeiten allmälig eine nationale Bezeichnung ward; Yankee wäre danach eine indianische Corruption des Wortes English. Dieses Lied hat unzählige Versionen, von denen viele äusserst geistlos sind, und es ist gewiss ein Zeichen von zunehmendem Geschmack, dass es in der neueren Zeit von „Hail, Columbia" fast ganz in den Hintergrund gedrängt worden ist, welches aber auch der Eitelkeit des Volkes mehr Vorschub leistet und dadurch schon allein grösseren Beifall gewinnen musste.

REDNE R.

Wie bei den Franzosen schreibt sich auch in America die politische Beredtsamkeit aus den Zeiten der Revolution her. Während indessen in Frankreich Niemand vorbereitet war, hatte sich in Nordamerica schon früher gleichwie in England vielfache Veranlassung zu öffentlichen Reden gefunden; jede Provincial - Versammlung war gleichsam eine Schule dafür, und schon die ersten Sitzungen und Beschlüsse des Congresses bezeugten in dieser Hinsicht das Vorhandensein einer tüchtigen Uebung und Ausbildung. Leider wurden aber in den ersten 20 Jahren die wichtigsten Verhandlungen bei verschlossenen Thüren erledigt, und es gab auch noch keine zuverlässigen Zeitungsberichte darüber *).

Die politische Beredtsamkeit bildet einen der wesentlichsten und besten Theile der americanischen National literatur; reichte auch der Zeitraum nach der Revolution noch nicht ganz aus, um aus den bisherigen Leistungen einen ganz besondern Styl und eine eigentliche Kunstschule hervorgehen zu lassen, so kann man doch zu nicht geringer Ehre der Nation nachweisen, dass sie auf diesem Felde Glänzendes geleistet hat. Bedenkt man dabei, welch lebhaftes Interesse jeder Americaner an der Politik nimmt, und dass gleich wie in Athen durch Wahlen, öffentliche Zusammenkünfte und Volksfeste die allgemeine Aufregung eigentlich stets wach erhalten wird, so sieht man, dass es in America zugleich nicht an Veranlassung fehlt, das vorhandene Talent zur Beredtsamkeit mehr und mehr auszubilden. In keiner Kunst haben die Americaner so viel Uebung gehabt und solch treffliche Fortschritte gemacht, als gerade in dieser. Die bisherigen Leistungen beweisen zugleich, dass sie dazu eine ausserordentlich grosse natürliche Anlage besitzen, wenngleich man andrerseits die eigentliche Kunst und den rechten Geschmack oft bei ihnen vermisst. Man sieht, dass sie die Alten nicht studirt haben, dass es ihren weitschweifigen Reden oft an Abrundung fehlt und dass man das Mittelstück und das Ende einer Gedankenentwicklung oft vergebens bei ihnen sucht; aber dennoch sind die Vorträge weit gewandter, inhaltsvoller und wirksamer als man dergleichen bei den meisten neueren Völkern findet, und wir brauchen nur an die bekannten Staatsmänner der neuesten Zeiten in America zu erinnern, um damit auf Redner hinzuweisen, welche voll von fester, tiefbegründeter, wissenschaftlich und praktisch abgerundeter Ueberzeugung wahrhaft Grossartiges auf diesem Felde geleistet haben.

Ein kindischer Geschmack, welcher leider in England ebensowohl als auch in America noch gegenwärtig seine Vertreter findet, beurtheilt die Reden freilich vorzugsweise nach ihrer Länge. Die wahre Ueberzeugung bedarf indessen keiner vielen Worte, in

* Unter den Hilfsmitteln, welche über diesen Gegenstand zu benutzen sind, müssen als die wichtigsten bezeichnet werden: Eloquence of the United States by Willison. Middletown Connect. 1827. Orations and Speeches on various occasions by Edw. Everett. Boston 1836. Sketches of the Life and character`of Patrick Henry by William Wirt. Philadelphia 1838. Speeches and forensic arguments by Dan. Webster. Boston 1838. The Statesmen of America in 1846 by Sarah Mylton Maury. London p. f. Longman. Living orators in America by B. L. Magoon. New York 1851. und von demselben Verfasser Orators of the American Revolution. N. Y. 1848.

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