ページの画像
PDF
ePub

Innern liegt der Grund des Aeußern, weil durch organische Kräfte alles von innen heraus gebildet ward, und jedes Geschöpf eine so ganze Form der Natur ist, als ob sie nichts anders geschaffen håtte.

Blick also auf gen Himmel, o Mensch! und erfreue dich schaudernd deines unermeßlichen Vorzugs, den der Schöpfer der. Welt an ein so einfaches Principium, deine aufrechte Gestalt, knüpfte. Gingest du wie ein Thier gebückt, wäre dein Haupt in eben der gefråßigen Richtung für Mund und Nase geformt und darnach der Gliederbay geordnet: wo bliebe deine höhere Geisteskraft, das Bild der Gottheit, unsichtbar in dich gesenket? Selbst die Elenden, die unter die Thiere geriethen, verloren es: wie sich ihr Haupt mißbildete, verwilderten auch die inneren Kräfte: gröbere Sinne zogen das Geschöpf zur Erde nieder. Nun aber durch die. Bildung deiner Glieder zum aufrechten Gange, bekam das Haupt feine schöne Stellung und Richtung; mithin gewann das Hirn, dies zarte ätherische Himmelsgewächs, völligen Raum sich umherzubreiten und seine Zweige abwärts zu versenden. Gedankenreich wölbte sich die Stirn, die thierischen Organe traten zurück, es ward eine menschliche Bildung. Je mehr sich der Schädel hob, desto tiefer trat das Gehör hinab, es fügte sich mit dem Gesicht freundschaftlicher zusammen, und beide Sinne bekamen einen innern Zutritt zur heiligen Kammer der Ideenbildung. Das kleinere Gehirn, die sproffende Blüthe des Rückens und der finnlichen Lebenskråfte trat, da es bei den Thieren herrschender war, mit dem andern Gehirn in ein untergeordnetes, milderes Verhältniß. Die Strahlen der wunderbarschönen gestreiften Körper wurden bei dem Menschen gezeichneter und feiner; ein Fingerzeig auf das unendlich feinere Licht, das in dieser mittlern Region zusammen und auseinander strahlet. So ward, wenn ich in einem Bilde reden darf, die Blume gebildet, die auf dem verlängerten Rückenmark nur empor sproßte, sich aber vorn weg zu einem Gewächs voll åtherischer Kräfte wölbet, das nur auf diesem emporstrebenden Baum erzeugt werden konnte.

Denn ferner: die ganze Proportion der organischen Kräfte eines Thieres ist der Vernunft noch nicht günstig. In seiner Bildung herrschen Muskelkräfte und sinnliche Lebensreize, die nach dem Zweck des Geschöpfes in jede Organisation eigen vertheilt sind und den herrschenden Instinkt jedweder Gattung bilden. Mit der

[ocr errors]

aufrechten Gestalt des Menschen stand ein Baum da, dessen Kräfte so proportionirt sind, daß sie dem Gehirn, als ihrer Blume und Krone, die feinsten und reichsten Säfte geben sollten. Mit jedem Aderschlag erhebt sich mehr als der sechste Theil des Blutes im menschlichen Körper allein zum Haupt: der Hauptstrom desselben erhebt sich gerade und krümmet sich sanft und theilt sich allmålig, also daß auch die entferntesten Theile des Hauptes von seinem und seiner Brüder Etrömen Nahrung und Wärme erhalten. Die Natur bot alle ihre Kunst auf, die Gefäße desselben zu verstårken, feine Macht zu schwächen und zu verfeinern, es lange im Gehirn zu halten, und wenn es sein Werk gethan hat, es sanft vom Haupt zurückzuleiten. Es entsprang aus Ståmmen, die, dem Herzen nahe, noch mit aller Kraft der ersten Bewegung wirken und vom ersten Lebensanfange an arbeitet die ganze Gewalt des jungen Herzens auf diese, die empfindlichsten und edelsten Theile. Die äußeren Glieder bleiben noch ungeformt, damit zuerst nur das Haupt und die inneren Theile auf's Zarteste bereitet werden. Mit Verwundern sieht man nicht nur das gewaltige Uebermaaß derselben, fondern auch ihre feine Structur in den einzelnen Sinnen des Ungebornen, als ob die große Künstlerin denselben allein zum Gehirn und zu den Kräften innerer Bewegung erschaffen wollte, bis sie allmålig auch die andern Glieder als Werkzeuge und Darstellung des Innern nachholt. Schon also im Mutterleibe wird der Mensch zur aufrechten Stellung und zu allem, was von ihr abhångt, gebildet. In keinem hangenden Thierleibe wird er getragen; ihm ist eine künstlichere Formungsståtte bereitet, die auf ihrer Basts ruht. Da siht der kleine Schlafende und das Blut dringt zu seinem Haupt, bis dieses durch seine eigne Schwere sinkt. Kurz, der Mensch ist, was er sein soll (und dazu wirken alle Theile), ein aufstrebender Baum, gekrönt mit der schönsten Krone einer feinern Gedankenbildung.

II.

Zurücksicht von der Organisation des menschlichen Hauptes auf die niedern Geschöpfe, die sich seiner Bildung nähern.

Ift unser Weg bisher richtig gewesen; so muß, da die Natur immer gleichförmig wirkt, auch bei niedrigern Geschöpfen dieselbe Analogie im Verhältniß ihres Hauptes zu dem gesammten Gliederbau herrschen, und sie herrscht auf die augenscheinlichste Weise. Wie die Pflanze darauf arbeitet, das Kunstwerk der Blume, als des Geschöpfes Krone, hervorzutreiben: so arbeitet der ganze Gliederbau in den lebendigen Geschöpfen, um das Haupt als seine Krone zu nähren. Man sollte sagen, daß der Reihe der Geschöpfe nach die Natur allen ihren Organismus anwende, immer mehr und ein feineres Gehirn zu bereiten, mithin dem Geschöpf einen freiern Mittelpunkt von Empfindungen und Gedanken zu sammeln. Je weiter ste hinaufrückt, desto mehr treibt sie ihr Werk: so viel sie nåmlich thun kann, ohne das Haupt des Geschöpfes zu beschweren und seine sinnlichen Lebensverrichtungen zu stören. Lasset uns einige Glieder dieser hinaufsteigenden organischen Empfindungskette, auch in der äußern Form und Richtung ihres Hauptes, bemerken.

1. In Thieren, wo das Haupt mit dem Körper noch horizontal liegt, findet die wenigste Ausarbeitung des Gehirns statt; die Natur hat ihre Reize und Triebe tiefer umher verbreitet. Würmer und Pflanzenthiere, Insekten, Fische, Amphibien sind dergleichen. In den untersten Gliedern der organischen Kette ist kaum noch ein Haupt sichtbar: in andern kommt's wie ein Auge hervor. Klein ist's in den Insekten, in den Fischen ist Haupt und Körper noch eins, und in den Amphibien behält es größtentheils noch seine Horizontallage mit dem ganzen kriechenden Körper. Je mehr es sich losmacht und hebet: desto mehr erwacht das Geschöpf aus seiner thierischen Dumpfheit; um so mehr tritt auch das Gebiß zurück und scheint nicht mehr die ganze vorgestreckte Kraft des horizontalen Körpers. Man vergleiche den Haifisch, der gleichsam ganz Rachen und Gebiß ist, oder den verschlingenden schleichenden Krokodill mit

feinern Organisationen, und man wird durch zahlreiche Beispiele auf den Sah geführt werden, daß: je mehr das Haupt und der Körper eines Thiers eine ungetrennte hori zontale Linie sind: desto weniger ist bei ihm zum erhöhetern Gehirn Raum, desto mehr ist sein hervorspringender, ungelenkiger Rachen das Ziel seiner Wirkung.

Je vollkommener das Thier wird, desto mehr kommts gleichsam von der Erde herauf: es bekommt höhere Füße, die Wirbel seines Halses gliedern sich nach der Organisation seines Baues: und nach dem Ganzen bekommt der Kopf Stellung und Richtung. Auch hier vergleiche man die Panzer- und Beutelthiere, den Igel, die Ratte, den Vielfraß und andre niedrige Geschlechter mit den edleren Thieren. Bei jenen find die Füße kurz, der Kopf steckt zwischen den Schultern, der Mund stehet lang und vorwårts; bei diesen wird Gang und Kopf leichter, der Hals gegliederter, der Mund kürzer; natürlicher Weise bekommt auch das Hirn dadurch einen höhern, weitern Raum. Man kann also den zweiten Eaß annehmen, daß: je mehr sich der Körper zu heben und sich das Haupt vom Gerippe hinaufwärts loszugliedern strebt: desto feiner wird des Geschöpfs Bildung. Nur muß dieser Saz, so wie der vorige, nicht nach einzelnen Gliedern, sondern nach dem ganzen Verhältniß und Bau des Thiers verstanden werden.

3. Je mehr an dem erhöhetern Kopf die Untertheile des Gesichts abnehmen oder zurückgedrångt werden : desto edler wird die Richtung desselben, desto verständiger sein Antlig. Man vergleiche den Wolf und den Hund, die Kaße und den Löwen, das Nashorn und den Elephanten, das Roß und das Flußpferd. Je breiter, gröber und herabziehender gegentheils die Untertheile des Gefichts find, desto weniger bekommt der Kopf Schädel und der Obertheil des Gefichts Antlig. Hiernach unterscheiden sich nicht nur die Thierarten überhaupt, sondern auch Eine und dieselbe nach Klimaten. Man betrachte den weißen nordischen Bår und den Vår wärmerer Länder, oder die verschiedenen Gattungen der Hunde, Hirsche, Rehe; kurz, je weniger das Thier gleichsam Kinnbacke, und je mehr es Kopf ist, desto vernunftähnlicher wird

seine Bildung. Um sich diese Ansicht klårer zu machen, ziehe man vom lezten Halswirbel des Thiergerippes Linien zur höchsten Scheidelhöhe, zum vordersten Stirnbein und zum äußersten Punkt der Oberkinnlade: so wird man in den mancherlei Winkeln nach Geschlechtern und Arten die mannichfaltige Verschiedenheit sehen; zu gleich aber auch inne werden, daß alles dies ursprünglich vom mehr oder minder horizontalen Gange herrühre und diesem diene.

Ich begegne mich hier mit dem feinen Verhältniß, das Camper über die Bildung der Affen und Menschen und unter diesen der verschiedenen Nationalbildungen gegeben hat h), indem er nåmlich eine gerade Linie durch die Höhlen des Ohrs bis zum Bøden der Nase, und eine andere von der höchsten Hervorragung des Stirnbeins bis auf den am meisten hervorragenden Theil der Oberkinnlade im schårfften Profil ziehet. Er meint in diesem Winkel nicht nur den Unterschied der Thiere, sondern auch der verschiedenen Nationen zu finden, und glaubt, die Natur habe sich dieses Winkels bedient, alle Verschiedenheiten der Thiere zu bestimmen und sie gleichsam stufenweise bis zum Schönsten der schönen Menschen zu erheben. Die Vögel beschreiben die kleinsten Winkel, und diese Winkel werden größer, je nachdem sich das Thier der menschlichen Gestalt, nåhert. Die Affenköpfe steigen von 42 bis zu 50 Graden; der legte ist dem Menschen ähnlich. Der Neger und Kalmucke haben 70, der Europåer 80 Grade, und die Griechen haben ihr Ideal von 90 bis zu 100 Graden verschönert. Was über diese Linie fällt, wird ein Ungeheuer: sie ist also das Höchste, wozu die Alten die Schönheit ihrer Köpfe gebracht haben. So frappant diese Bemerkung ist, so sehr freuet es mich), sie, wie ich glaube, auf ihren physischen Grund zurück führen zu können; es ist dieser nåmlich das Verhältniß des Geschöpfs zur horizontalen und perpendikularen Kopfstellung und Bildung, von der am Ende die glückliche Lage des Gehirns, so wie die Schönheit und Proportion aller Gesichtstheile abhängt. Wenn man das Campersche Verhåltniß also vollständig machen und zugleich seinen Grund erweisen

h) S. Camper's kleinere Schriften Th. 1. S. 15 u. f. Ich wünschte, daß die Abhandlung vollständig und auch die zwei Kupfertafeln dazu bekannt gemacht würden.

« 前へ次へ »