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schen, eilt dem innern Vermögen gleichsam zum voraus. Hier aber schloß sich die Thür, und dem menschenähnlichsten Affen ist die Nede durch eigne Seitensåcke, die die Natur an seine Luftröhre hing, gleichsam absichtlich und gewaltsam versagt k).

Warum that dies der Vater der menschlichen Rede? warum wollte er das Geschöpf, das alles nachahmt, gerade dies Kriterium der Menschheit nicht nachahmen lassen, und versperrte ihm dazu durch eigne Hindernisse den Weg unerbittlich? Man gehe in Häuser der Wahnsinnigen und höre ihr Geschwäg: man höre die Rede mancher Mißgebornen und äußerst Einfältigen; und man wird sichh selbst die Ursache sagen. Wie wehe thut uns ihre Sprache und das entweihete Geschenk der menschlichen Rede! und wie entweiheter würde sie im Munde des lüsternen, groben, thierischen Affen werden, wenn er menschliche Worte, wie ich nicht zweifle, mit halber Menschenvernunft nachåffen könnte. Ein abscheuliches Gewebe menschenåhnlicher Töne und Affengedanken nein, die göttliche Rede sollte dazu nicht erniedrigt werden, und der Affe ward stumm, stummer als andre Thiere, wo ein jedes, bis zum Frosch und zur Eidere herunter, seinen eignen Schall hat.

Aber den Menschen baute die Natur zur Sprache; auch zu ihr ist er aufgerichtet und an eine emporstrebende Säule seine Bruft gewölbet. Menschen, die unter die Thiere geriethen, verloren nicht nur die Rede selbst, sondern zum Theil auch die Fähigkeit zu derselben; ein offenbares Kennzeichen, daß ihre Kehle mißgebildet worden, und daß nur im aufrechten Gange wahre menschliche Sprache statt findet. Denn obgleich mehrere Thiere menschenähnliche Sprachorgane haben: so ist doch, auch in der Nachahmung, keines der felben des fortgehenden Stroms der Rede aus unsrer erhabnen, freien, menschlichen Brust, aus unserm engern und künstlich verẻ schlossenen Munde fähig. Hingegen der Mensch kann nicht nur alle Schälle und Töne derselben nachahmen, und ist, wie Mon boddo fagt, der Mock-bird unter den Geschöpfen der Erde; sondern ein Gott hat ihn auch die Kunst gelehrt, Ideen in Töne zu prägen, Gestal ten durch Laute zu bezeichnen und die Erde zu beherrschen durch das

k) S. Camper's Abhandlung von den Sprachwerkzeugen der Affen, Philosoph, Transactions 1779. Vol. I.

Wort seines Mundes. Von der Sprache also fångt seine Vernunft und Cultur an: denn nur durch sie beherrschet er auch sich selbst und wird des Nachsinnens und Wählens, dazu er durch seine Organijation nur fähig war, mächtig. Höhere Geschöpfe mögen und müssen es sein, deren Vernunft durch das Auge erwacht, weil ihnen ein gesehenes Merkmal schon genug ist, Ideen zu bilden und sie unterscheidend zu firiren; der Mensch der Erde ist noch ein Zögling des Ohrs, durch welches er die Sprache des Lichts allmålig erst verstehen lernet. Der Unterschied der Dinge muß ihm durch Beihülfe tenes andern erst in die Seele gerufen werden, da er denn, vielleicht zuerst athmend und keichend, dann schallend und fangbar seine Ges danken mittheilen lernte. Ausdrückend ist also der Name der Morgenländer, mit dem sie die Thiere die Stummen der Erde nennen; nur mit der Organisation zur Rede empfing der Mensch den Athem der Gottheit, den Saamen zur Vernunft und ewigen Vervollkommnung, einen Nachhall jener schaffenden Stimme zu Beherrschung der Erde, kurz, die göttliche Ideenkunst, die Mutter aller Künste.

IV.

Der Mensch ist zu feinern Trieben, mithin zur Freiheit organisiret.

Man spricht sich's einander nach, daß der Mensch ohne Instinkt sei, und daß dies instinktlose Wesen den Charakter seines Geschlechts ausmache; er hat alle Instinkte, die ein Erdethier um ihn besizet ; nur er hat sie alle, seiner Organisation nach, zu einem feinern Verhåltniß gemildert.

Das Kind im Mutterleibe scheint alle Zuftånde durchgehen zu müssen, die einem Erdegeschöpf zukommen können. Es schwimmt im Wasser: es liegt mit offnem Munde: sein Kiefer ist groß, eh eine Lippe ihn bedecken kann, die sich nur spåt bildet; sobald es auf die Welt kommt, schnappt es nach Luft, und Saugen ist seine ungelernte erste Verrichtung. Das ganze Werk der Verdauung und Nahrung, des Hungers und Durstes geht instinktmäßig oder durch

noch dunklere Triebe seinen Gang fort. Die Muskeln und Zeugungskräfte streben eben also zur Entwicklung, und ein Mensch darf nur durch Affekt oder Krankheit wahnsinnig sein, so siehet man bei ihm alle thierische Triebe. Noth und Gefahr entwickeln bei Menschen, ja bei ganzen Nationen, die animalisch leben, auch thierische Geschicklichkeiten, Sinne und Kräfte.

Also sind dem Menschen die Triebe nicht sowohl geraubt als bei ihm unterdrückt und unter die Herrschaft der Nerven und der feinern Sinne geordnet. Ohne sie könnte auch das Geschöpf, das noch großentheils Thier ist, gar nicht leben.

Und wie werden sie unterdrückt? wie bringt die Natur sie unter die Herrschaft der Nerven? Lasset uns ihren Gang von Kindheit auf betrachten; er zeiget uns das, was man oft so thöricht, als menschliche Schwachheit bejammert hat, von einer ganz andern Seite.

Das menschliche Kind kommt schwächer auf die Welt, als keins der Thiere: offenbar weil es zu einer Proportion gebildet ist, die im Mutterleibe nicht ausgebildet werden konnte. Das vierfüßige Thier nahm in seiner Mutter vierfüßige Gestalt an, und gewann, ob es gleich Anfangs eben so unproportionirt am Kopf, wie der Mensch, zulezt`völliges Verhältniß; oder bei nervenreichen Thieren, die ihre Jungen schwach gebåren, erstattet sich doch das Verhältniß der Kräfte in einigen Wochen und Tagen. Der Mensch allein bleibt lange schwach: denn sein Gliederbau ist, wenn ich so fagen darf, dem Haupt zuerschaffen worden, das übermåßig groß im Mutterleibe zuerst ausgebildet ward und also auf die Welt tritt. Die andern Glieder, die zu ihrem Wachsthum irdische Nahrungsmittel, Luft und Bewegung brauchen, kommen ihm lange nicht nach, ob sie gleich durch alle Jahre der Kindheit und Jugend zu ihm und nicht das Haupt verhältnißmåßig zu ihnen wächst. Das schwache Kind ist also, wenn man will, ein Invalide seiner obern Kräfte, und die Natur bildet diese unablåssig und am frühesten weiter. Ehe das Kind gehen lernt, lernt es sehen, hören, greifen und die feinste Mechanik und Meßkunft dieser Sinne üben. Es übt fie so instinktmäßig, als das Thier; nur auf eine feinere Weise. Nicht durch angeborne Fertigkeiten und Künfte: denn alle Kunstfer tigkeiten der Thiere sind Folgen gröberer Reize; und wåren diese von Kindheit an herrschend da: so bliebe der Mensch ein Thier, so

würde er, da er schon alles kann, ehe er's lernte, nichts menschliches lernen. Entweder mußte ihm also die Vernunft als Instinkt angeboren werden, welches sogleich als Widerspruch erhellen wird, oder er mußte, wie es jezt ist, schwach auf die Welt kommen, um Vernunft zu lernen.

Von Kindheit auf lernte er diese, und wird wie zum künstlichen Gange, so auch zu ihr, zur Freiheit und menschlichen Sprache durch Kunst gebildet. Der Säugling wird an die Brust der Mutter über ihrem Herzen gelegt: die Frucht ihres Leibes wird der Zögling ihrer Arme. Seine feinsten Sinne, Auge und Ohr, erwachen zuerst und werden durch Gestalten und Töne geleitet; wohl ihm, wenn sie glücklich geleitet werden. Allmålig entfaltet sich sein Gesicht und hangt am Auge der Menschen um ihn her, wie sein Ohr an der Sprache der Menschen hangt und durch ihre Hülfe die ersten Begriffe unterscheiden lernet. Und so lernt seine Hand allmålig greifen; nun erst streben seine Glieder nach eigner Uebung. Er war zuerst ein Lehrling der zwei feinsten Sinne: denn der künstliche Instinkt, der ihm angebildet werden soll, ist Vernunft, Humanitåt; menschliche Lebensweise, die kein Thier hat und lernet. Auch die gezähmten Thiere nehmen nur thierisch einiges von Menschen an, aber sie werden nicht Menschen.

* Hieraus erhellet, was menschliche Vernunft sei: ein Name, der -in den neuern Schriften so oft als ein angebornes Automat gebraucht wird und als solches nichts als Mißdeutung giebt. Theoretisch und praktisch ist Vernunft nichts als etwas Vernommenes, eine gelernte Proportion und Richtung der Ideen und Kräfte, zu welcher der Mensch nach seiner Organisation und Lebensweise gebildet worden. Eine Vernunft der Engel kennen wir nicht: so wenig als wir den innern Zustand eines tiefen Geschöpfs unter uns innig einsehn; die Vernunft des Menschen ist menschlich. Von Kindheit auf vergleicht er Ideen und Eindrücke seiner zumal feinern Sinne, nach der Feinheit und Wahrheit, in der sie ihm diese gewähren, nach der Anzahl, die er empfångt, und nach der innern Schnellkraft, mit der er sie verbinden lernet. Das hieraus entstandene Eins ist sein Gedanke und die mancherlei Verknüpfungen dieser Gedanken und Empfindungen zu Urtheilen von dem, was wahr und falsch, gut und bose, Glück und Unglück ist; das ist seine Vernunft,

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das fortgehende Werk der Bildung des menschlichen Lebens. Sie ist ihm nicht angeboren: sondern er hat sie erlangt, und nachdem die Eindrücke waren, die er erlangte, die Vorbilder, denen er folgtez nachdem die innere Kraft und Energie war, mit der er diese mancherlei Eindrücke zur Proportion seines Innersten verband, nachdem ist auch seine Vernunft reich oder arm, krank oder gesund, verwachsen oder wohlerzogen, wie sein Körper. Täuschte uns die Natur mit Empfindungen der Sinne: so müßten wir uns, ihr zu Folge, täuschen lassen: nur so viele Menschen einerlei Sinne hätten, so viele täuschten sich gleichförmig. Täuschen uns Menschen, und wir haben nicht Kraft øder Organ, die Täuschung einzusehen und die Eindrücke zur bessern Proportion zu sammeln: so wird unsre Vernunft krüppelhaft und oft krüppelhaft auf's ganze Leben. Eben weil der Mensch alles lernen muß, ja weil es sein Instinkt und Beruf ist, alles, wie seinen geraden Gang zu lernen: so lernt er auch nur durch Fallen gehen und kömmt ́oft nur durch Irren zur Wahrheit; indessen sich das Thier auf seinem vierfüßigen Gange sicher forttrågt: denn die stärker ausgedrückte Proportion seiner Sinne und Triebe sind seine Führer. Der Mensch hat den Königsvorzug, mit hohem Haupt, aufgerichtet weit umher zu schauen, freilich also auch vieles dunkel und falsch zu sehen, oft sogar seine Schritte zu vergessen, und erst durch Straucheln erinnert zu werden, auf welcher engen Basis das ganze Kopf- und Herzensgebäude seiner Begriffe und Urtheile ruhe; indessen ist und bleibt er seiner hohen Verstandesbildung nach, was kein anderes Erdengeschöpf ist, ein Göttersohn, ein König der Erde.

Um die Hoheit dieser Bestimmung zu fühlen, lasset uns bedenken, was in den großen Gaben, Vernunft und Freiheit, liegt, und wie viel die Natur gleichsam wagte, da sie dieselbe einer so schwachen, vielfach gemischten Erdorganisation, als der Mensch ist, anvertraute. Das Thier ist nur ein gebückter Sklave; wenn gleich einige edlere derselben ihr Haupt emporheben, oder wenigstens mit vorgerechtem Halse sich nach Freiheit sehnen. Ihre noch nicht zur Vernunft gereifte Seele muß nothdürftigen Trieben dienen, und in diesem Dienst sich erst zum eignen Gebrauch der Sinne und Neigungen von fern bereiten. Der Mensch ist der erste Freigelass sene der Schöpfung: er stehet aufrecht. Die Wage des Guten

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