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aus folgte, auch freilich einer Reihe Krankheiten die Thür geöffnet, von denen das Thier nichts weiß und die Moskati m) bez redt herzählet. Das Blut, das seinen Kreislauf in einer aufrechten Maschine verrichtet, das Herz, das in eine schiefe Lage gedrängt ist, die Eingeweide, die in einem stehenden Behältniß ihr Werk treiben; allerdings sind diese Theile bei uns mehreren Gefahren der Zerrüttung ausgesezt als in einem thierischen Körper. Insonderheit, scheint es, muß das weibliche Geschlecht seine größere Zartheit auch theurer als wir erkaufen Indessen ist

auch hierin die Wohlthat der Natur tausendfach erseßend und mildernd: denn unsre Gesundheit, unser Wohlsein, alle Empfindungen und Reize unsres Wesens find geistiger und feiner. Kein Thier genießt einen einzigen Augenblick menschlicher Gesundheit und Freude: es kostet keinen Tropfen des Nektarstroms, den der Mensch trinkt; ja auch blos körperlich betrachtet, sind seine Krankheiten zwar weniger an der Zahl, weil sein Körperbau gröber ist, aber dafür desto fortwirkender und fester. Sein Zellengewebe, seine Nervenhåute, seine Arterien, Knochen, sein Gehirn sogar ist hårter als das unsre; daher auch alle Landthiere rings um den Menschen (vielleicht den einzigen Elephanten ausgenommen, der in seinen Lebensperioden uns nahe kommt) kürzer als der Mensch leben und des Todes dèr Natur, d. i. an einem verhårtenden Alter, viel früher als Er sterben. Ihn hat also die Natur zum långsten und dabei zum gesundesten, freudenreichsten Leben bestimmt, das eine Erdorganisation fassen konnte. Nichts hilft sich vielartiger und leichter, als die vielartige menschliche Natur; und es haben alle Ausschweifungen des Wahnsinns und der Lafter, deren freilich kein Thier fähig ist, dazu gehört, unsre Maschine in dem Maaß, wie sie in manchen Ständen geschwächt und verdorben ist, zu schwächen und zu verderben. Wohlthätig hatte die Natur jedem Klima die Kräuter gegeben, die seinen Krankheiten dienen, und nur die Verwirrung aller Klimate hat aus Europa den Pfuhl von Uebeln machen können, den kein Volk, das der Natur gemäß lebet, bei sich findet. Indessen auch für diese selbst errungenen

m) Vom körperlichen wesentlichen Unterschiede der Thiere und Menschen. Gettingen 1771.

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Uebel hat sie uns ein selbst errungenes Gute gegeben, das einzige, deffen wir dafür werth waren, den Arzt, der, wenn er der Natur folget, ihr aufhilft, und wenn er ihr nicht folgen darf oder kann, den Kranken wenigstens wissenschaftlich begräbt.

Und, o welche mütterliche Sorgfalt und Weisheit der göttlichen Haushaltung war's, die auch die Lebensalter und die Dauer unsres Geschlechts bestimmte! Alle lebendige Erdgeschöpfe, die fich bald zu vollenden haben, wachsen auch bald; sie werden früh reif und sind schnell am Ziel des Lebens. Der Mensch, wie ein Baum des Himmels aufrecht gepflanzt, wächst langsam. Er bleibt, gleich dem Elephanten, am långsten im Mutterleibe; die Jahre seiner Jugend dauern lange, unvergleichbar långer, als irgend eines Thieres. Die glückliche Zeit also zu lernen, zu wachsen, sich seines Lebens zu freuen und es auf die unschuldigste Weise zu genießen, zog die Natur so lange, als sie sie ziehen konnte. Manche Thiere sind in wenigen Jahren, Tagen, ja beinahe schon im Augenblick der Geburt ausgebildet: sie sind aber auch desto unvollkommener und sterben desto früher. Der Mensch muß am långsten lernen, weil er am meisten zu lernen hat, da bei ihm alles auf eigen erlangte Fertigkeit, Vernunft und Kunst ankommt. Würde nachher auch durch das unnennbare Heer der Zufålle und Gefahren sein Leben abgekürzt: so hat er doch seine sorgenfreie Lange Jugend genossen, da mit seinem Körper und Geist auch die Welt um ihn her wuchs, da mit seinem langsam heraufsteigenden, immer erweiterten Gesichtskreise auch der Kreis seiner Höffnungen sich weitete und sein jugendlich edles Herz in rascher Neugier, in ungeduldiger Schwärmerei für alles] Große, Gute und Schöne immer heftiger schlagen lernte. Die Blüthe des Geschlechtstriebes entwickelt sich bei einem gesunden, ungereizten Menschen spåter, als bei irgend einem Thier: denn er soll lange leben und den edelsten Saft seiner Seelen- und Leibeskräfte nicht zu früh verschwenden. Das Insekt, das der Liebe früh dienet, stirbt auch früh: alle keusche einpaarige Thiergeschlechter leben långer, als die ohne Ehe leben. Der lüsterne Hahn stirbt bald: die treue Waldtaube kann funfzig Jahre Leben. Für den Liebling der Natur hienieden ist also auch die Ehe geordnet; und die ersten frischesten Jahre seines Lebens soll er gar als eine eingehüllte Knospe der Unschuld sich

selbst leben. Es folgen darauf lange Jahre der männlichen und heitersten Kräfte, in denen seine Vernunft reift, die bei dem Menschen sogar mit den Zeugungskräften in ein den Thieren unbekanntes hohes Alter hinauf grünet, bis endlich der sanfte Tod kommt und den fallenden Staub sowohl, als den eingeschlossenen Geist von der ihnen selbst fremden Zusammenfügung erlöset. Die Natur hat also an die brechliche Hütte des menschlichen Leibes alle Kunst verwandt, die ein Gebilde der Erde fassen konnte; und selbst in dem, was das Leben kürzt und schwächt, hat sie wenig stens den kürzern mit dem empfindlicheren Genuß, die aufreibende mit der inniger gefühlten Kraft vergolten.

VI.

Zur Humanität und Religion ist der Mensch gebildet.

Ich wünschte, daß ich in das Wort Humanitåt alles fassen könnte, was ich bisher über des Menschen edle Bildung zur Vernunft und Freiheit, zu feineren Sinnen und Trieben, zur zartesten und stärksten Gesundheit, zu Erfüllung und Beherrschung der Erde gesagt habe: denn der Mensch hat kein edleres Wort für seine Bestimmung, als Er selbst ist, indem das Bild des Schöpfers unsrer Erde, wie es hier sichtbar werden konnte, abgedruckt lebet, Um seine edelsten Pflichten zu entwickeln, dürfen wir nur seine Gestalt zeichnen.

1. Alle Triebe eines lebendigen Wesens lassen sich auf die Erhaltung sein selbst und auf eine Theilnehmung oder Mittheilung an andre zurückführen; das organische Gebäude des Menschen giebt, wenn eine höhere Leitung dazu kommt, diesen Neigungen die erlesenste Ordnung. Wie die gerade Linie die festeste ist: so hat auch der Mensch zur Beschüßung seiner von außen den kleinsten Umfang, von innen die vielartigste Schnellkraft. Er steht auf der kleinsten Basis und kann also am leichteften seine Glieder decken; der Punkt seiner Schwere fällt zwischen die lenksamsten und stärksten Hüften, die Ein Erdengeschöpf hat

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und wo kein Thier die regsame Stärke des Menschen beweist. Seine gedrücktere eherne Brust, und die Werkzeuge der Arme eben an dieser Stellung, geben ihm von oben den weitesten Umkreis der Vertheidigung, sein Herz zu bewahren und seine edelsten Lebenstheile vom Haupt bis zu den Knien hinab zu schirmen. Es ist keine Fabel, daß Menschen mit Löwen gestritten und sie übermannt haben: der Afrikaner nimmt es mit mehr als Einem auf, wenn er Behutsamkeit, Lift und Gewalt verbindet. Indessen ist's wahr, daß der Bau des Menschen vorzüglich auf die Vertheidigung, nicht auf den Angriff gerichtet ist; in diesem muß ihm die Kunst zu Hülfe kommen, in jener aber ist er von Natur das fråf-, tigste Geschöpf der Erde. Seine Gestalt selbst lehret ihn also Friedlichkeit, nicht råuberische Mordverwüstung: der Humanität erstes Merkmal.

2. Unter den Trieben, die sich auf andre beziehen, ist der Geschlechtstrieb der mächtigste; auch Er ist beim Menschen dem Bau der Humanität zugeordnet. Was bei dem vierfüßigen Thier, selbst bei dem schaamhaften Elephanten, Begattung ist, ist bei ihm, seinem Bau nach, Kuß und Umarmung. Kein Thier hat die menschliche Lippe, deren feine Oberrinne bei der Frucht des Mutterleibes im Antlig am spåtesten gebildet wird; gleichsam die lezte Bezeichnung des Fingers der Liebe, daß diese Lippe sich schön und verstandreich schließen sollte. Von keinem Thier also gilt der schaamhafte Ausdruck der alten Sprache, daß es sein Weib erkenne. Die alte Fabel sagt, daß beide Geschlechter einst, wie Blumen, eine Androgyne gewesen, aber getheilt worden; sie wollte mit dieser und andern sinnreichen Dichtungen als Fabel den Vorzug der menschlichen Liebe von den Thieren verhüllt sagen. Auch daß der menschliche Trieb nicht wie bei diesen schlechthin einer Jahrszeit unterworfen ist (obwohl über die Revolutionen hiezu im menschlichen Körper noch keine tüchtige Betrachtungen angestellt worden), zeigt offenbar, daß er nicht von der Nothwendigkeit, sondern vom Liebreiz abhangen, der Vernunft unterworfen bleiben und einer freiwilligen Mäßigung so überlassen werden sollte, wie alles, was der Mensch um und an sich trägt. Auch die Liebe sollte bei dem Menschen human sein, dazu bestimmte die Natur außer seiner Gestalt auch die spätere Entwickelung, die Dauer und

das Verhältniß des Triebes in beiden Geschlechtern; ja sie brachte diesen unter das Gefeß eines gemeinschaftlichen freiwilligen Bundes und der freundschaftlichsten Mittheilung zweier Wesen, die sich durch's ganze Leben zu Einem vereint fühlen.

3. Da außer der mittheilenden Liebe alle andre zårtlichen Affekten sich mit der Theilnehmung begnügen: so hat die Natur den Menschen unter allen Lebendigen zum theilnehmendsten geschaffen, weil sie ihn gleichsam aus allem geformt und jedem Reich der Schöpfung in dem Verhältniß ähnlich organisirt hat, als er mit demselben mitfühlen sollte. Sein Fiberngebäude ist so elastisch, fein und zart, und sein Nervengebäude so verschlungen in alle Theile eines fibrirenden Wesens, daß er als ein Analogon der alles durchfühlenden Gottheit sich beinahe in jedes Geschöpf feßen und gerade in dem Maaß mit ihm empfinden kann, als das Geschöpf es bedarf und sein Ganzes es ohne eigne Zerrüttung, ja selbst mit Gefahr derselben, leidet. Auch an Einem Baum nimmt unsre Maschine Theil, sofern sie ein wachsender grünender Baum ist; und es giebt Menschen, die den Sturz oder die Verstümmelung desselben in seiner grünenden Jugendgestalt körperlich nicht ertragen. Seine verdorrte Krone thut uns leid; wir trauern um eine verwelkende liebe Blume. Auch das Krümmen des zerquetschten Wurms ist einem zarten Menschen nicht gleichgültig; und je vollkommener das Thier ist, je mehr es in seiner Organisation uns nahe kommt: desto mehr Sympathie erregt es in seinem Leiden. Es haben harte Nerven dazu gehört, ein Geschöpf lebendig zu öffnen und in seinen Zuckungen zu behorchen; nur der unersättliche Durst nach Ruhm und Wissenschaft konnte allmålig dies, organiz sche Mitgefühl betäuben. Zårtere Weiber können sogar die Zergliederung eines Todten nicht ertragen: sie empfinden Schmerz in jedem Gliede, das vor ihren Augen gewaltsam zerstört wird, besonders je zarter und edler die Theile selbst werden. Ein durchwühltes Eingeweide erregt Grauen und Abscheu; ein zerschnittenes Herz, eine zerspaltene Lunge, ein zerstörtes Gehirn schneidet und sticht mit dem Messer in unsre eignen Glieder. Am Leichnam eines geliebten Todten nehmen wir noch in seinem Grabe Theil: wir fühlen die kalte Höhle, die er nicht mehr fühlt, und Schauder überläuft uns, wenn wir sein Gebein nur berühren. So sym

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