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Worauf beruhet die Kunst des Arztes, als eine Dienerin der Natur zu sein und den tausendfach-arbeitenden Kräften unfrer Drganisation zu Hülfe zu eilen? Verlorne Kräfte ersezt sie, matte stärkt, überwiegende schwächt und båndigt sie; wodurch? durch Herbeiführung und Affimilation solcher oder entgegengeseßter Kråfte aus den niedern Reichen.

Nichts anders sagt uns die Erzeugung aller lebendigen Wesen: denn so tief ihr Geheimniß liege, so ists offenbar, daß organische Kräfte im Geschöpf zur größesten Wirksamkeit aufblühten und jezt zu neuen Bildungen streben. Da jeder Organismus das Vermögen hat, niedere Kräfte sich selbst zu assimiliren, so hat er auch das Vermögen, sich, gestärkt durch jene, in der Blüthe des Lebens fortzubilden und den Abdruck sein selbst mit allen in ihm wirfenden Kräften an seiner statt der Welt zu geben.

So gehet der Stufengang der Ausarbeitung durch die niedrige Natur, und sollte er bei der edelsten und mächtigsten still stehen oder zurückgehen müssen? Was das Thier zu seiner Nahrung bedarf, sind nur pflanzenartige Kräfte, damit es pflanzenartige Theile belebe; der Saft der Muskeln und Nerven dient nicht mehr zur Nahrung irgend eines Erdwesens. Selbst das Blut ist nur Naubthieren eine Erquickung; und bei Nationen, die durch Leidenschaft oder Nothdurft dazu gezwungen wurden, hat man auch Neigungen des Thiers bemerkt, zu dessen lebendiger Speise sie sich grausam extschlossen. Also ist das Reich der Gedanken und Reize, wie es auch seine Natur fordert, hier ohne sichtbaren Fort- und llebergang und die Bildung der Nationen hat es zu einem ersten Gesez des menschlichen Gefühls gemacht, jedes Thier, das noch lebt in seinem Blut, zur Speise nicht zu begehren. Offenbar sind alle diese Kräfte von geis ftiger Art; daher man vielleicht mancher Hypothesen über den Nervensaft als über ein tastbares Vehikulum der Empfindungen hätte überhoben sein mögen. Der Nervensaft, wenn er da ist, erhålt die Nerven und das Gehirn gesund, so daß sie ohne ihn nur unbrauchbare Etricke und Gefäße wåren; sein Nugen ist also körperlich und die Wirkung der Seele nach ihren Empfindungen und Kråften ist, was für Organe sie auch gebrauchen möge, überall geistig.

Und wohin kehren nun diese geistigen Kräfte, die allem Einn

der Menschen entgehen? Weise hat die Natur hier einen Vorhang vorgezogen, und läßt uns, die wir hierzu keine Sinne haben, in das geistige Reich ihrer Verwandlungen und Nebergånge nicht hin-' einschauen; wahrscheinlich würde sich auch der Blick dahin mit unsrer Eristenz auf Erden und alle den finnlichen Empfindungen, denen wir noch unterworfen sind, nicht vertragen. Sie legte uns also nur Uebergånge aus den niedern Reichen und in'den höhern nur aufsteigende Formen dar; ihre tausend unsichtbare Wege der Ueberleitung behielt sie sich selbst vor; und so ward das Reich der Ungebornen die große vaŋ oder der Hades, in welchen kein menschliches Auge reichet. Zwar scheinet diesem Untergange die bestimmte Form entgegen zu stehen, der jede Gattung treu bleibt, und in welcher sich auch das kleinste Gebein nicht verändert; allein auch hievon ist der Grund sichtbar: da jedes Geschöpf nur durch Geschöpfe seiner Gattung organisirt werden kann und darf. Die feste ordnungsreiche Mutter hat also die Wege genau bestimmt, auf denen eine organische Kraft, sie sei herrschend oder dienend, zur sichtbaren Wirkfamkeit gelangen sollte, und so kann ihren einmal bestimmten Formen nichts entschlüpfen. Im Menschenreich z. B. herrscht die größeste Mannichfaltigkeit von Neigungen und Anlagen, die wir oft als wunderbar und widernatürlich anstaunen, aber nicht begreifen. Da nun auch diese nicht ohne organische Gründe sein können: so ließe sich, wenn uns über dies Dunkle der Schöpfungsstätte einige Vermuthung vergönnt ist, das Menschengeschlecht als der größe Zusammenfluß niederer organischer Kräfte ansehen, die in ihm zur Bildung der Humanität kommen sollten.

Aber nun weiter? der Mensch hat hier das Bild der Gottheit getragen und der feinsten Organisation genoffen, die ihm die Erde geben konnte; foll er rückwärts gehen und wieder Stamm, Pflanze, Elephant werden? oder stehet bei ihm das Rad der Schöpfung still, und hat kein andres Rad, worein er greife? Das leßté låsset sich nicht gedenken, da im Reich der obersten Güte und Weisheit alles verbunden ist und in ewigem Zusammenhange Kraft in Kraft wirket. Schauen wir nun zurück und sehen, wie hinter uns alles aufs Menfchengebilde zu reifen scheint und sich im Menschen wiederum von dem, was er sein soll und worauf er absichtlich gebildet worden, nur die erste Knospe und Anlage findet: so müßte aller Zusammenhang, alle

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Absicht der Natur ein Traum sein, oder auch Er rückt, (auf welchen Wegen und Gången es nun auch sein möge,) auch Er rückt weiter. Lasset uns sehen, wie die ganze Anlage der Menschennatur uns darauf weise.

IV.

Das Reich der Menschenorganisation ist ein System geistiger Kräfte.

Der vornehmste Zweifel, den man sich gegen die Unsterblichkeit organischer Kräfte zu machen pflegt, ist von den Werkzeugen hergenommen, durch die sie wirken; und ich darf behaupten, daß gerade die Beleuchtung dieses Zweifels uns das größeste Licht, nicht nur der Hoffnung, sondern der Zuversicht ewiger Fortwirkung anzünde. Keine Blume blühet durch den äußerlichen Staub, den groben Bestandtheilen ihres Baues; viel weniger reproducirt sich durch densel ben ein immer neu wachsendes Thier, und noch weniger kann durch die Bestandtheile, in die ein Hirn aufgelöset wird, eine innige Kraft so vieler mit ihr verbundener Kräfte, als unsre Seele ist, denken. Selbst die Physiologie überzeugt uns davon. Das åus, ßerliche Bild, das sich im Auge malet, kommt nicht in unser Gehirn: der Schall, der sich in unserm Ohr bricht, kommt nicht mechanisch als solcher in unsre Seele. Kein Nerve liegt ausgespannt da, daß er bis zu einem Punkt der Vereinigung vibrire: bei einigen Thieren kommen nicht einmal die Nerven beider Augen und bei keis nem Geschöpf die Nerven aller Sinne so zusammen, daß ein sichtbarer Punkt sie vereine. Noch weniger gilt dieses von den Nerven des gesammten Körpers, in dessen kleinstem Gliede sich doch die Seele gegenwärtig fühlt und in ihm wirket. Also ist's eine schwache unphysiologische Vorstellung, sich das Gehirn als einen Selbstdenker, den Nervensaft als einen Selbstempfinder zu denken; vielmehr find es allen Erfahrungen zufolge eigne psychologische Gesebe, nach denen die Seele ihre Verrichtungen vornimmt und ihre Begriffe verbindet. Daß es jedesmal ihrem Organ gemåß und demselben harmonisch geschehe, daß, wenn das Werkzeug nichts

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taugt, auch die Künstlerin nichts thun könne u. f.; das alles leidet keinen Zweifel, åndert aber auch nichts im Begriff der Sache. Die Art, mit der die Seele wirkt, das Wesen ihrer Begriffe kommt hier in Betrachtung. Und da ist's

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1. unlåugbar, daß der Gedanke, ja die erste Wahrnehmung, damit sich die Seele einen äußern Gegenstand vorstellt, ganz ein andres Ding sei, als was ihr der Sinn zuführet. Wir nennen es ein Bild; es ist aber nicht das Bild, d. i. der lichte Punkt, der auf's Auge gemalt wird, und der das Gehirn gar nicht erreichet; das Bild der Seele ist ein geistiges, von ihr selbst bei Veranlassung der Sinne geschaffenes Wesen. ruft aus dem Chaos der Dinge, die sie umgeben, eine Gestalt hervor, an die sie sich mit Aufmerksamkeit heftet, und so schafft sie durch innere Macht aus dem Vielen ein Eins, das ihr allein zugehöret. Dies kann sie sich wieder herstellen, auch wenn es nicht mehr da ist: der Traum und die Dichtung können es nach ganz andern Gesezen verbinden, als unter welchen es der Sinn darstellte und thun dies wirklich. Die Rasereien der Kranken, die man so oft als Zeugen der Materialität der Seele anführt, sind eben von ihrer Immaterialität Zeugen. Man behorche den Wahnsinnigen und bemerke den Gang, den feine Seele nimmt. Er geht von der Idee aus, die ihn zu tief rührte, die also sein Werkzeug zerrüttete und den Zusammenhang mit andern Sensationen störte. Auf sie beziehet er nun alles, weil sie die herrschende ist und er von derselben nicht los kann; zu ihr schafft er sich eine eigne Welt, einen eignen Zusammenhang der Gedanken, und jeder seiner Irrgange in der Ideenverbindung ist im höchsten Maaß geistig. Nicht wie die Fächer des Gehirns liegen, combinirt er, selbst nicht einmal, wie ihm die Sensationen erscheinen: sondern wie andre Ideen mit seiner Idee, verwandt sind, und wie er jene zu dieser nur hinüber zu zwingen vermochte. Auf demselben Wege gehn alle Associationen unsrer Gedanken: sie gehören einem Wesen zu, das aus eigner Energie und oft mit einer sonderbaren Idiosynkrasie Erinnerungen aufruft und nach innerer Liebe oder Abneigung, nicht nach einer äuBern Mechanik Ideen bindet. Ich wünschte, daß hierüber aufrich)-tige Menschen das Protocoll ihres Herzens, und scharfsinnige Beob achter, insonderheit Aerzte, die Eigenheiten bekannt machten, die

fie an ihren Kranken bemerkten; und ich bin überzeugt, es wären lauter Belege von Wirkungen eines zwar organischen, aber dennoch eigenmächtigen, nach Geseßen geistiger Verbindung wirkenden Wesens.

2. Die künstliche Bildung unsrer Ideen von Kindheit auf erweiset dasselbe, und der langsame Gang, auf welchem die Seele nicht nur spåt ihrer selbst bewußt wird, sondern auch mit Mühe ihre Sinnen brauchen lernt. Mehr als Ein Psycholog hat die Kunststücke bemerkt, mit der ein Kind von Farbe, Gestalt, Größe, Entfernung Begriff erhålt und durch die es sehen Iernet. Der körperliche Sinn lernt nichts: denn das Bild_malt sich den ersten Tag auf's Auge, wie es sich den lezten des Lebens malen wird; aber die Seele durch den Sinn lernt messen, vergletchen, geistig empfinden. Hiezu hilft ihr das Ohr, und die Sprache ist doch gewiß ein geistiges, nicht körperliches Mittel der Ideenbildung. Nur ein Sinnloser kann Schall und Wort für einerlei nehmen; und wie diese beiden verschieden sind, ists Körper und Seele, Organ und Kraft. Das Wort erinnert an die Idee, und bringt fie aus einem andern Geist zu uns herüber; aber es ist ste nicht selbst, und eben so wenig ist das materielle Organ Gedanke. Wie der Leib durch Speise zunimmt, nimmt unser Geist durch Ideen zu, ja wir bemerken bei ihm eben die Geseze der Assimilation, des Wachsthums und der Hervorbringung, nur nicht auf eine körperliche, sondern eine ihm eigne Weise. mit Nahrung überfüllen, daß er sich dieselbe nicht zuzueignen und in Auch Er kann sich sich zu verwandeln vermag: auch Er hat eine Symmetrie seiner geistigen Kräfte, von welcher jede Abweichung Krankheit, entweder Echwachheit oder Fieber, d. i. Verrückung wird: auch Er endlich treibt dieses Geschäft seines innern Lebens mit einer genialischen Kraft, in welcher sich Liebe und Haß, Abneigung gegen das mit ihm Ungleichartige, Zuneigung zu dem, was seiner Natur ist, wie beim irdischen Leben äußert. Kurz, es wird in uns, (ohne Schwärmerei zu reden) ein innerer geistiger Mensch gebildet, der seiner eignen Natur ist und den Körper nur als Werkzeug gebraucht, ja der seiner eignen Natur zufolge auch bei den årgsten Zerrüttungen der Organe handelt. Jemehr die Seele durch Krankheit oder gewaltsame Zustände der Leidenschaften von ihrem Körper getrennt

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