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Rathschläge der Weisen, und Verschwender erbten die Schäße des Geistes ihrer sammelnden Eltern. So wenig das Leben der Menschen hienieden auf eine Ewigkeit berechnet ist: so wenig ist die runde, sich immer bewegende Erde eine Werkstätte bleibender Kunstwerke, ein Garten ewiger Pflanzen, ein Luftschloß ewiger Wohnung. Wir kommen und gehen: jeder Augenblick bringt tausende her und nimmt tausende hinweg von der Erde: sie ist eine Herberge für Wanderer, ein Irrstern, auf dem Zugvögel ankommen und Zugvögel wegeilen. Das Thier lebt sich aus, und wenn es auch, höheren Zwecken zu Folge, sich den Jahren nach nicht auslebet: so ist doch sein innerer Zweck erreicht; seine Geschicklichkeiten find da und es ist was es sein soll. Der Mensch allein ist im Widerspruch mit sich und mit der Erde: denn das ausgebildetste Geschöpf unter allen ihren Organisationen ist zugleich das unausgebildetste in seiner eignen neuen Anlage, auch wenn er lebenssatt aus der Welt wandert. Die Ursache ist offenbar die, daß sein Zustand, der lezte für diese Erde, zugleich der erste für ein andres Dasein ist, gegen den er wie ein Kind in den ersten Nebungen Hier erscheint. Er stellt also zwei Welten auf einmal dar; und das nicht die anscheinende Duplicitat seines Wesens.

2. Sofort wird klar, welcher Theil bei den meisten hienieden der herrschende sein werde. Der größeste Theil des Menschen ist Thier; zur Humanität hat er blos die Fähigkeit auf die Welt gebracht, und sie muß ihm durch Mühe und Fleiß erst angebildet werden. Wie wenigen ist es nun auf die rechte Weise angebildet worden! und auch bei den besten, wie fein und zart ist die ihnen aufgepflanzte göttliche Blume! Lebenslang will das Thier über den Menschen herrschen, und die meisten lassen es nach Gefallen über sich regieren. Es ziehet alsó unaufhörlich nieder, wenn der Geist hinauf, wenn das Herz in einen freien Kreis will; und da für ein sinnliches Geschöpf die Gegenwärt immer lebhafter ist, als die Entfernung, und das Sichtbare måchtiger auf dasselbe wirkt, als das Unsichtbare: so ist leicht zu erachten, wohin die Waage der beiden Gewichte überschlagen werde. Wie wenig reiner Freuden, wie wenig treiner Erkenntniß und Tugend ist der Menschh fähig! und wenn er ihrer fähig wäre, wie wenig ist er än sie gewöhnt! Die edelsten Verbindungen hienieden werden von niedris

gen Trieben, wie die Schifffahrt des Lebens von widrigen Winden gestört, und der Schöpfer, barmherzig strenge, hat beide Verwirrungen in einander geordnet, um eine durch die andre zu zåhmen, und die Sproffe der Unsterblichkeit mehr durch rauhe Winde als durch schmeichelnde Weste in uns zu erziehen. Ein viel versuchter Mensch hat viel gelernet; ein tråger und müßiger weiß nicht, was in ihm liegt, noch weniger weiß er mit selbstgefühlter Freude, was er kann und vermag. Das Leben ist also ein Kampf, und die Blume der reinen, unsterblichen Humanität eine schwere errungene Krone. Den Läufern steht das Ziel am Ende; den Kämpfern um die Tugend wird der Kranz im Tode.

3. Wenn höhere Geschöpfe also auf uns blicken: so mögen fie uns, wie wir die Mittelgattungen betrachten, mit denen die Natur aus Einem Element in's andre übergeht. Der Strauß schwingt matt seine Flügel nur zum Lauf, nicht zum Fluge: sein schwerer Körper zieht ihn zum Boden. Indessen auch für ihn und für jedes Mittelgeschöpf hat die organisirende Mutter gesorget; auch sie sind in sich vollkommen und scheinen nur unserm Auge unförmlich. So ist's auch mit der Menschennatur hienieden: ihr Unförmliches fållt einem Erdengeist schwer auf; ein höherer Geist aber, der in das Inwendige blickt, und schon mehrere Glieder der Kette stehet, die für einander gemacht sind, kann uns zwar bemitleiden, aber nicht verachten. Er sieht, warum Menschen in so vielerlei Zuständen aus der Welt gehen müssen, jung und alt, thöricht und weise, als Greise, die zum zweitenmale Kinder wurden, oder gar als Ungeborne. Wahnsinn und Mißgestalten, alle Stufen der Cultur, alle Verirrungen der Menschheit umfaßte die allmächtige Güte und hat Balsam genug in ihren Schäßen, auch die Wunden, die nur der Tod lindern konnte, zu heilen. Da wahrscheinlich der künftige Zustand so aus dem jeßigen hervorsproßt, wie der unsre aus dem Zustande niedrigerer Organisationen: so ist ohne Zweifel auch das Geschäft deffelben nåher mit unferm jeßigen Dasein verknüpft, als wir denken. Der höhere Garten blühet nur durch die Pflanzen, die hier keimten und unter einer rauhen Hülle die ersten Sprößchen trieben. Ist nun, wie wir gesehen haben, Geselligkeit, Freundschaft, wirksame Theilfehmung beinahe der Hauptzweck, worauf die Humanität in ihrer

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ganzen Geschichte der Menschheit angelegt ist: so muß diese schönste Blüthe des menschlichen Lebens nothwendig dort zu der erquickenden Gestalt, zu der umschattenden Höhe gelangen, nach der in allen Verbindungen der Erde unser Herz vergebens dürstet. Unsre Brüder der höhern Stufe lieben uns daher gewiß mehr und reiner, als wir sie suchen und lieben können: denn sie übersehen unsern Zustand klårerz der Augenblick der Zeit ist ihnen vorüber, alle Disharmonien sind aufgelöset, und sie erziehen an uns vielleicht unsichtbar ihres Glückes Theilnehmer, ihres Geschäfts Brüder. Nur Einen Schritt weiter und der gedrückte Geist kann freier athmen, das verwundete Herz ist genesen: sie sehen den Schritt annahen und helfen dem Gleitenden måchtig hinüber.

4. Ich kann mir also nicht vorstellen, daß, da wir eine Mittelgattung von zwei Classen und gewissermaßen die Theilnehmer beider sind, der künftige Zustand von dem jezigen so fern und ihm so ganz unmittheilbar sein sollte, als das Thier im Menschen gern glauben möchte; vielmehr werden mir in der Geschichte unfres Geschlechts manche Schritte und Erfolge ohne höhere Einwirfung unbegreiflich. Daß z. B. der Mensch sich selbst auf den Weg der Cultur gebracht und ohne höhere Anleitung sich Sprache und die erste Wissenschaft erfunden, scheint mir unerklärlich und immer unerklärlicher, je einen långern rohen Thierzustand man bei ihm voraussetzt. Eine göttliche Haushaltung hat gewiß über dem menschlichen Geschlecht von seiner Entstehung an gewaltet und hat es auf die ihm leichteste Weise zu seiner Bahn geführt. Je mehr aber die menschlichen Kräfte selbst in Uebung waren: desto weniger bedurften sie theils dieser höhern Beihülfe, oder desto minder wurden sie ihrer fähig; obwohl auch in spåtern Zeiten die größesten Wirkungen auf der Erde durch unerklärliche Umstånde entstanden sind oder mit ihnen begleitet gewesen. Selbst Krankheiten waren dazu oft Werkzeuge: denn wenn das Organ aus seiner Proportion mit andern geseßt, und also für den gewöhnlichen Kreis des Erdenlebens unbrauchbar worden ist: so scheint's natürlich, daß die innere rastlose Kraft sich nach andern Seiten des Weltalls kehre, und vielleicht Eindrücke empfange, deren eine ungestörte Organisation nicht fähig war, deren sie aber auch nicht bedurfte. Wie dem aber auch sei, so ist's gewiß ein wohlthätiger

Schleier, der diese und jene Welt absondert, und nicht ohne Urfache ist's so still und stumm um das Grab eines Todten. Der gewöhnliche Mensch auf dem Gange seines Lebens wird von Eindrücken entfernt, deren ein einziger den ganzen Kreis seiner Ideen zerrütten und ihn für diese Welt unbrauchbar machen würde. Kein nachahmender Affe höherer Wesen sollte der zur Freiheit erschaffene Mensch sein, sondern auch, wo er geleitet wird, im glücklichen Wahn stehen, daß er selbst handle. Zu seiner Beruhigung und zu dem edlen Stolz, auf dem seine Bestimmung liegt, ward ihmder Anblick edlerer Wesen entzogen: denn wahrscheinlich würden wir uns selbst verachten, wenn wir diese kennten. Der Mensch also soll in seinen künftigen Zustand nicht hineinschauen, sondern sich hineinglauben.

5. So viel ist gewiß, daß in jeder seiner Kräfte eine Unendlichkeit liegt, die hier nur nicht entwickelt werden kann, weil sie von andern Kräften, von Einnen und Trieben des Thieres unterdrückt wird, und zum Verhältniß des Erdenlebens gleichsam in Banden liegt. Einzelne Beispiele des Gedächtnisses, der Einbildungskraft, ja gar der Vorhersagung und Ahnung, haben Wun'derdinge entdeckt, von dem verborgenen Schaß, der in menschlichen Ecelen ruhet; ja sogar die Sinne sind davon nicht ausgeschlossen. Daß meistens Krankheiten und gegenseitige Mängel diese Schäße zeigten, åndert in der Natur der Sache nichts, da eben diese Disproportion erfordert wurde, dem Einem Gewicht seine Freiheit zu geben und die Macht desselben zu zeigen. Der Ausdruck Leibniß, daß die Seele ein Spiegel des Weltalls sei, enthält vielleicht eine tiefere Wahrheit, als die man aus ihm zu entwickeln pfleget; denn auch die Kräfte eines Weltalls scheinen in ihr verborgen und sie bedarf nur einer Organisation oder einer Reihe von Organisationen, diese in Thätigkeit und Nebung seßen zu dürfen. Der Allgütige wird ihr diese Organisationen nicht versagen, und er gångelt sie als ein Kind, sie zur Fülle des wachsenden Genusses, im Wahn eigen erworbener Kräfte und Sinne, allmålig zu bereiten. Schon in ihren gegemvärtigen Fesseln sind ihr Raum und Zeit leere Worte: sie messen und bezeichnen Verhältnisse des Körpers, nicht aber ihres innern Vermögens, das über Raum und Zeit hinaus ist, wenn es in seiner vollen innigen.

Freude wirket. Um Ort und Stunde deines künftigen Daseins gieb dir also keine Mühe; die Sonne, die deinem Tage leuchtet, misset dir deine Wohnung und dein Erdengeschäft und verdunkelt dir so lange alle himmlische Sterne. Sobald sie untergeht, erscheint die Welt in ihrer größern Gestalt: die heilige Nacht, in der du einst eingewickelt lagest und einst eingewickelt liegen wirst, bedeckt deine Erde mit Schatten, und schlågt dir dafür am Himmel die glänzenden Bücher der Unsterblichkeit auf. Da sind Wohnungen, Welten und Räume

In voller Jugend glänzen sie,
Da schon Jahrtausende vergangen:
Der Zeiten Wechsel raubet nie.
Das Licht von ihren Wangen.

Hier aber unter unserm Blick
Verfällt, vergeht, verschwindet alles:
Der Erde Pracht, der Erde Glück
Droht eine Zeit des Falles.

Sie selbst wird nicht mehr sein, wenn du noch sein wirst und in andern Wohnplågen und Organisationen Gott und seine Schöpfung genießest. Du hast auf ihr viel Gutes genossen. Du ge langest auf ihr zu der Organisation, in der du als ein Sohn des Himmels um dich her und über dich schauen lerntest. Suche sie also vergnügt zu verlassen, und segne ihr als der Aue nach, wo du als ein Kind der Unsterblichkeit spieltest, und als der Schule nach, wo du durch Leid und Freude zum Mannesalter erzogen wurdest. Du hast weiter kein Anrecht an sie: sie hat kein Anrecht an dich mit dem Hut der Freiheit gekrönt und mit dem Gurt des Himmels gegürtet, seze fröhlich deinen Wanderstab weiter.

Wie also die Blume da stand und in aufgerichteter Gestalt das Reich der unterirdischen, noch unbelebten. Schöpfung schloß, um sich im Gebiete der Sonne des ersten Lebens zu freuen: so steht über allen zur Erde gebückten der Mensch wieder aufrecht da. Mit erhabnem Blick und aufgehobnen Händen steht er da, als ein Sohn des Hauses den Ruf seines Vaters erwartend.

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