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die Zunge der Waage menschlicher Bildung in der Mitte geschwebt und ihre Schaalen nach Griechenland und Indien öst- und westlich fortgebreitet habe. Glücklich für uns, daß Europa diesem Mittelpunkt schöner Formen nicht so gar fern lag, und daß manche Völker, die diesen Welttheil bewohnen, die Gegenden zwischen dem schwarzen und kaspischen Meer auch entweder inne gehabt oder langsam durchzogen haben. Wenigstens sind wir also keine Antipoden des Landes der Schönheit.

Alle Völker, die sich auf diesen Erdstrich schöner Menschenbildung drångten und auf ihm verweilten, haben ihre Züge gemildert. Die Türken, ursprünglich ein håßliches Volk, veredelten sich zu einer ansehnlichern Gestalt, da ihnen, als Ueberwindern weiter Gegenden, jede Nachbarschaft schöner Geschlechter zu Dienst stand; auch die Gebote des Korans, der ihnen das Waschen, die Reinigkeit, die Mäßigung anbefahl und dagegen wollüstige Ruhe und Liebe erlaubte, haben wahrscheinlich dazu beigetragen. Die Ebråer, deren Våter ebenfalls aus der Höhe Aftens kamen, und die lange Zeit, bald in's dürre Aegypten, bald in die arabische Wüste verschlagen, nomadisch umherzogen; ob sie gleich auch in ihrem engen. Lande unter dem drückenden Joch des Gesezes sich nie zu einem Ideal erheben konnten, das freiere Thätigkeit und mehrere Wollust des Lebens fordert: so tragen sie dennoch, auch jezt in ihrer weiten Zerstrenung und langen, tiefen Verworfenheit das Gepråge der asiatischen Bildung. Auch die harten Araber gehen nicht leer aus: denn obgleich ihre Halbinsel mehr zum Lande der Freiheit als der Schönheit von der Natur gebildet worden, und weder die Wüste noch das Nomadenleben die besten Pflegerinnen der Wohlgestalt sein. können; so ist doch dieses harte und tapfere zugleich ein wohlgebildetes Volk, dessen weite Wirkung auf drei Welttheile wir in der Folge sehen werden o).

Endlich fand an den Küften des mittelländischen Meers d) die

c) Gemälde von ihnen s. bei Niebuhr. Th. 2. Le Brun voyages au Levant. n. 90. 91.

d) Gemålde s. bei le Brun, Voyage au Levant. Chap. 7. n. 17 -20., in Choiseul Gouffier Voyage pittoresque u. f. Die Denkmåler der alten griechischen Kunst gehen über alle diese Gemålde.

in

menschliche Wohlgestalt eine Stelle, wo sie sich mit dem Geist vermählen, und in allen Reizen irdischer und himmlischer Schönheit nicht nur dem Auge, sondern auch der Seele sichtbar werden konnte; es ist das dreifache Griechenland in Asten und auf den Inseln, Gråcia selbst und auf den Küsten der weitern Abendländer. Laue Westwinde fåchelten das Gewächs, das von der Höhe Astens allmålig her verpflanzt war, und durchhauchten es mit Leben: Zeiten und Schicksale kamen hinzu, den Saft desselben höher zu treiben und ihm die Krone zu geben, die noch jedermann in jenen Idealen griechischer Kunst und Weisheit mit Freuden anstaunt. Hier wurden Gestalten gedacht und geschaffen, wie sie kein Liebhaber Tschirkassischer Schönen, kein Künstler aus Indien oder Kaschmire entwerfen konnte. Die menschliche Gestalt ging in den Olympus und bekleidete sich mit göttlicher Schönheit.

Weiterhin nach Europa verirre ich mich nicht. Es ist so for menreich und gemischt; es hat durch seine Kunst und Cultur- so vielfach die Natur verändert, daß ich über seine durcheinandergemengte feine Nationen nichts Allgemeines zu sagen wage.. Vielmehr sehe ich vom leßten Ufer des Erdstrichs, den wir durchgangen sind, nochmals zurück, und nach Einer oder zwei Bemerkungen gehen wir in das schwarze Afrika über.

Zuerst fållt jedermann in's Auge, daß der Strich der wohlgebildetsten Völker ein Mittelstrich der Erde sei, der, wie die Schönheit selbst, zwischen zweien Aeußersten liegt. Er hat nicht die zusammendrückende Kålte der Samojeden, noch die dörrenden Salzwinde der Mogolen; und auf der andern Seite ist ihm die brennende Hiße der afrikanischen Sandwüsten, so wie die feuchten und gewaltsamen Abwechselungen des amerikanischen Klima eben so fremd. Weder auf dem Gipfel der Erdhöhe liegt er, noch auf dem Abhange zum Pol hin; vielmehr schüßen ihn auf der Einen Seite die hohen Mauern der tatarischen und mongolischen Gebirge, da auf der andern ihn der Wind des Meeres kühlt. Regelmäßig wech-seln seine Jahreszeiten ab, aber noch ohne die Gewaltsamkeit, die unter dem Aequator herrscht; und da schon Hippokrates bemerkt hat, daß eine sanfte Regelmäßigkeit der Jahreszeiten auch auf das Gleichgewicht der Neigungen großen Einfluß zeigt: so hat sie solchen in

den Spiegel und Abdruck unsrer Seele nicht minder. Die råuberifchen Tukumannen, die auf den Bergen oder in der Wüfte umherschweifen, bleiben auch im schönsten Klima ein häßliches Volk; lies ßen sie sich zur Ruhe nieder und theilten ihr Leben in einen sanftern Genuß und in eine Thätigkeit, die sie mit andern gebildeteren Nationen verbånde: sie würden, wie an der Sitte derselben, so mit der Zeit auch an den Zügen ihrer Bildung Antheil nehmen. Die Schönheit der Welt ist nur für den ruhigen Genuß geschaffen; mittelst seiner allein theilt sie sich dem Menschen mit und verkörpert sich in ihm.

Zweitens. Ersprießlich ist's für das Menschengeschlecht ge= wesen, daß es in diesen Gegenden der Wohlgestalt nicht nur anfing, sondern daß auch von hieraus die Cultur am wohlthätigsten auf andre Nationen gewirkt hat. Wenn die Gottheit nicht unsre ganze Erde zum Siß der Schönheit machen konnte: so ließ sie wenigstens durch die Pforte der Schönheit das Menschengeschlecht hinauftreten, und mit lang' eingeprägten Zügen derselben die Völs ker nur erst allmålig andre Gegenden suchen. Auch war es Ein und dasselbe Principium der Natur, das eben die wohlgebildeten Nationen zugleich zu den wohlthätigsten Wirkerinnen auf andre machte; sie gab ihnen nåmlich die Munterkeit, die Elasticitåt des Geistes, die sowohl zu ihrer Leibesgestalt, als zu dieser wohlthåtigen Wirkung auf andre Nationen gehörte. Die Tungusen und Eskimo's sizen ewig in ihren Höhlen und haben sich, weder in Liebe noch Leid, um entfernte Völker bekümmert. Der Neger hat für die Europåer nichts erfunden: er hat sich nie in den Sinn kommen lassen, Europa weder zu beglücken, noch zu bekriegen. Aus den Gegenden schön gebildeter Völker haben wir unsre Religion, Kunst, Wissenschaft, die ganze Gestalt unsrer Cultur und Humanitåt, so viel oder wenig wir deren an uns haben. In diesem Erdstrich ist alles erfunden, alles durchdacht und wenigstens in Kinderproben ausgeführt, was die Menschheit verschönern und bilden konnte. Die Geschichte der Cultur wird dieses unwidersprechlich darthun, und mich dünkt, es beweiser's unsre eigne Erfahrung. Wir nordischen Europäer wären noch Barbaren, wenn nicht ein gütiger Hauch des Schicksals uns wenigstens Blüthen vom Geist dieser Völker herüber geweht hätte, um durch Einim

pfung des schönen Zweiges in wilde Stämme mit der Zeit den unsern zu veredeln.

IV.

Organisation der afrikanischen Völker. Billig missen wir, wenn wir zum Lande der Schwarzen übergehen, unsre stolzen Vorurtheile verleugnen, und die Organisation ihres Erdstrichs so unpartheiisch betrachten, als ob sie die einzige in der Welt wäre. Mit eben dem Recht, mit dem wir den Neger für einen verfluchten Sohn des Chams und für ein Ebenbild des Unholdes halten, kann er seine grausamen Nåuber für Albinos und weiße Satane erklären, die nur aus Schwachheit der Natur so entartet sind, wie, dem Nordpol nahe, mehrere Thiere in Weiß ausarten. Ich, könnte er sagen, ich, der Schwarze, bin Urmensch. Mich hat der Duell des Lebens, die Sonne, am stårksten getrånkt, bei mir und überall um mich her hat er am lebendigsten, am tiefften gewirket. Sehet mein gold-, mein fruchtreiches Land, meine himmelhohen Bäume, meine kräftigen Thiere! alle Elemente wimmeln bei mir von Leben und ich ward der Mittelpunkt dieser Lebenswirkung. So könnte der Neger sagen, und wir wollen also mit Bescheidenheit auf sein ihm eigenthümliches Erdreich treten.

Sogleich beim Isthmus stößt uns eine sonderbare Nation auf, die Aegypter. Groß, stark, fett vom Leibe (mit welcher Fettigkeit fie der Nil segnen soll), dabei von grobem Knochengebilde und gelbbraun; indessen sind sie gesund und fruchtbar, leben lange und måßig. Jest faul, einst waren sie arbeitsam und fleißig; offenbar hat auch ein, Volk von diesen Knochen und dieser Bildung e) dazu gehört, daß alle die gepriesenen Künste und Anstalten der alten Aegypter zu Stande kommen konnten. Eine feinere Nation hatte sich dazu schwerlich bequemt.

Die Einwohner Nubiens und die weiter hinaufliegenden in

e) S. die Statuen ihrer alten Kunst, die Mumien und die Zeichnungen derselben auf dem Mumienkasten.

neren Gegenden von Afrika kennen wir noch wenig; wenn indessen den vorläufigen Nachrichten ́Brüce f) zu trauen ist, so wohnen auf dieser ganzen Erdhöhe keine Negergeschlechter, die er nur den öst- und westlichen Küsten dieses Welttheils, als den niedrigsten und heißesten Gegenden zueignet. Selbst unter dem Aequator, fagt er, gebe es auf dieser sehr gemäßigten und regenhaften Erdhöhe nur weiße oder gelbbraune Menschen. So merkwürdig dieses Factum wåre, den Ursprung der Negerschwärze zu erklären: so zeigt, woran uns beinahe noch mehr gelegen ist, auch die Form der Nationen dieser Gegenden eine allmålige Fortrückung zur Negerbildung. Wir wissen, daß die Abessinier ursprünglich arabischer Herkunft sind, und beide Reiche auch oft und lange verbunden gewesen: indessen, wenn wir nach den Bildnissen derselben bei Ludolfs) u. a. urtheilen dürfen, welche hårtere Gesichtszüge erscheinen hier, als in der arabischen und weitern asiatischen Gestalt! Sie nåhert sich der Negerform, obwohl noch von fern; und die großen Abwechselungen des Landes an hohen Bergen und den angenehmsten Ebenen, die Abwechselungen des Klima mit Sturmwinden, Hize, Kålte, und der schönsten Zeit, nebst noch einer Reihe andrer Ursachen, scheinen diese hart zusammengeseßten Züge zu erklären. In einem verschiednen Welttheil mußte sich auch eine verschiedne Menschengestalt erzeugen, deren Charakter viel finnliche Lebenskraft, eine große Dauer, aber auch ein Uebergang zum Aeußersten in der Bildung, welches allemal thierisch ist, zu sein scheint. Die Cultur und Regierungsform der Abessinier ist, ihrer Gestalt sowohl, als der Beschaffenheit ihres Landes gemåß, ein rohes Gemisch von Christen- und Heidenthum, von freier Sorglosigkeit und von barbarischem Despotismus.

Auf der andern Seite von Afrika kennen wir die Berbers oder Brebers gleichergestalt zu wenig, um von ihnen urtheilen

f) Buffon supplemens à l'histoire naturelle. T. IV. p. 495. 4.. Lobo sagt wenigstens, daß auch die Schwarzen dafelbft weder håßlich noch dumm, sondern geistig, zart und von gutem Geschmack find. (Relation historique d'Abissinie. p. 85.) Da alle Nachrichten aus diesen Gegenden alt und ungewiß find: so wäre die Ausgabe von Brüce Reisen, wenn er solche bis nach Abessinien gethan hat, sehr zu wünschen.

g) Ludolf hist. Acthiop. hin und wieder.

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