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Das bisher entworfene Gemålde der Nationen soll nichts als der Vorgrund sein, über welchen wir einige Bemerkungen weiter auszeichnen; so wie auch die Gruppen desselben nichts sein wollen, als was die templa des Augurs am Himmel waren, bezirkte Räume für unsern Blick, Hülfsmittel für unser Gedächtniß. Lasset uns sehen, was sich in ihnen zur Philosophie unsers Geschlechts darbeut.

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I.

In so verschiednen Formen das Menschengeschlecht auf der Erde erscheint, so ist's doch überall Ein' und dieselbe Menschengattung.

Sind in der Natur keine zwei Blåtter eines Baums einander gleich: so sind's noch weniger zwei Menschengesichte und zwei menschliche Organisationen. Welcher unendlichen Verschiedenheit ist unser kunstreicher Bau fähig! Seine festen Theile lösen sich in so feine, vielfach verschlungene Fibern auf, daß sie kein Auge verfolgen mag: diese werden von einem Leim gebunden, dessen zarte Mischung aller bes rechnenden Kunst entweicht; und noch sind diese Theile das wenigste, was wir an uns haben; sie sind nichts als Gefäße, Hüllen und Träger des in viel größerer Menge vorhandenen vielartigen, vielbes geisterten Safts, durch den wir genießen und leben. „Kein Mensch, sagt Haller a), ist im innern Bau dem andern ganz ähnlich: er

a) Vorrede zu Buffon's Allgem. Nat. Gesch. Th. 3.

unterscheidet sich im Lauf seiner Nerven und Adern in Millionen von Millionen Fällen, daß man fast nicht im Stande ist, aus den Verschiedenheiten dieser feinen Theile das auszufinden, worin sie übereinkommen." Findet nun schon das Auge des Zergliederers diese zahllose Verschiedenheit; welche größere muß in den unsichtbaren Kräften einer so künstlichen Organisation wohnen! so daß jeder Mensch zulegt eine Welt wird, zwar eine ähnliche Erscheinung von außen; im Innern aber ein eignes Wesen, mit jenem andern unausmeßbar.

Und da der Mensch keine unabhängige Substanz ist, sondern mit allen Elementen der Natur in Verbindung steht; er lebt vom Hauch der Luft, wie von den verschiedensten Kindern der Erde, den Speisen und Getränken: er verarbeitet Feuer, wie er das Licht einsaugt und die Luft verpestet: wachend und schlafend in Ruhe und in Bewegung, trägt er zur Veränderung des Universum bei, und sollte er von demselben nicht verändert werden? Es ist viel zu wenig, wenn man ihn dem saugenden Schwamm, dem glimmenden Zunder vergleicht; eine zahllose Harmonie, ein lebendiges Selbst ist er, auf welches die Harmonie aller ihn umgebenden Kräfte wirkt.

Der ganze Lebenslauf eines Menschen ist Verwandlung; alle seine Lebensalter sind Fabeln derselben, und so ist das ganze Geschlecht in einer fortgehenden Metamorphose. Blüthen fallen ab und welken; andre sprießen hervor und knospen: der ungeheure Baum trågt auf einmal allè Jahreszeiten auf seinem Haupte. Hat sich nun, nach dem Calcul der Ausdünstung allein, ein achtzigjähriger Mann wenigstens vier und zwanzigmal am ganzen Körper erneut b); wer mag den Wechsel der Materie und ihrer Formen durch das ganze Menschenreich auf der Erde in allen Ursachen der Veränderung verfolgen? da kein Punkt auf unsrer vielartigen Kugel, da keine Welle im Strom der Zeit einer andern gleich ist. Die Bewohner Deutschlands waren vor wenigen Jahrhunderten Patagonen, und sie sind's nicht mehr; die Bewohner künftiger Klimate werden uns nicht gleichen. Steigen wir nun in jene Zeiten hinauf, da alles auf der Erde

b) Nach Bernoulli f. Haller Physiol. Tom. VIII. L. 30., wo man einen Wald von Bemerkungen über die Veränderungen des menschlichen Lebens findet.

so anders gewesen zu sein scheint, in jene Zeit z. E., da die Elephanten in Siberien und Nord-Amerika lebten, da die großen Thiere vorhanden waren, deren Gebeine sich am Ohiostrom finden u. f.; wenn damals Menschen in diesen Gegenden lebten, wie andre Menfchen waren's, als die jeßt daselbst leben! Und so wird die Menschengeschichte zulezt ein Schauplah von Verwandlungen, den nur Der übersteht, der selbst alle diese Gebilde durchhaucht und sich in ihnen allen freuet und fühlet. Er führt auf und zerstört, verfeint Gestalten und ändert sie ab, nachdem er die Welt um sich her verwandelt. Der Wandrer auf der Erde, die schnell vorübergehende Ephemere, kann nichts als die Wunder dieses großen Geistes auf einem schmalen Streif anstaunen, sich der Gestalt freuen, die ihm im Chor der Andern ward, anbeten und mit dieser Gestalt verschwinden. Auch ich war in Arkadien!" ist die Grabschrift aller Lebendigen in der sich immer verwandelnden, wiedergebårenden Schöpfung.

Da indessen der menschliche Verstand in aller Vielartigkeit Einheit sucht, und der göttliche Verstand, sein Vorbild, mit dem zahllosesten Mancherlei auf der Erde überall Einheit vermählt hat: so dürfen wir auch hier aus dem ungeheuern Reich der Veränderungen auf den einfachsten Saz zurückkehren: nur Ein' und dieselbe Gattung ist das Menschengeschlecht auf der Erde.

Wie viele Fabeln der Alten von menschlichen Ungeheuern und Mißgestalten haben sich durch das Licht der Geschichte bereits verloren! und wo irgend die Eage noch Reste davon wiederholt, bin ich gewiß, daß auch diese bei hellerm Licht der Untersuchung sich zur schönern Wahrheit aufflåren werden. Den Orang-Utang kennt man jeßt, und weiß, daß er weder zur Menschheit noch zur Sprache ein Recht hat; durch eine sorgfältigere Nachricht von den Orang-Kubub und Orang-Guhu e) auf Borneo, Sumatra und den Nikobar-In

c) Noch Marsden denkt an dieselbe in seiner Beschreibung von Sumatra; aber auch nur aus Sagen. Ueber die geschwänzten Menschen hat Monboddo in setnem Werk vom Ursprung und Fortgange der Sprache (Ch. 1. S. 219. u. f.) alle Traditionen zusammengetrieben, deren er habz haft werden konnte. Herr Profeffor Blumenbach (de gener. hum. va

feln werden sich auch die geschwänzten Waldmenschen verlieren. Die Menschen mit den verkehrten Füßen auf Malakka d), die wahrscheinlich rachitische Zwergnation auf Madagaskar, die weiblichgekleideten Männer in Florida u. f., verdienen eine gleiche Berichtigung, wie solche bisher schon die Albino's, die Dondo's, die Patagonen, die Schürzen der Hottentottinnen e) erhalten haben. Männer, de nen es gelingt, Mångel aus der Schöpfung, Lügen aus unserm Gedächtniß und Entehrungen aus unsrer Natur zu vertreiben, sind im Reich der Wahrheit das, was die Heroen der Fabel für die erste Welt waren; sie vermindern die Ungeheuer auf Erden.

Auch die Angrenzung der Menschen an die Affen wünschte ich nie so weit getrieben, daß, indem man eine Leiter der Dinge sucht, man die wirklichen Sprossen und Zwischenräume verkenne, ohne die keine Leiter statt findet. Was z. E. könnte wohl der rachitische Satyr in der Gestalt des Kamtschadalen, der kleine Sylvan in der Größe des Grönländers, oder der Pongo beim Patagonen, erflåren? da alle diese Bildungen aus der Natur des Menschen folgen, auch wenn kein Affe auf Erden wåre. Und ginge man gar noch weiter, gewisse Unförmlichkeiten unsres Geschlechts genetisch von Affen herzuleiten: so důnkt mich, diese Vermuthung sei eben so unwahrscheinlich als entehrend. Die meisten dieser scheinbaren AffenAehnlichkeiten sind in Låndern, in denen es nie Affen gegeben, wie der zurückgehende Schädel der Kalmucken und Mallikolesen, die abstehenden Ohren der Pevas und Amikuanes, die schmalen Hånde einiger Wilden in Carolina u. f. zeigen. Auch sind diese Dinge, sobald man über den ersten spielenden Trug des Auges hinweg ist, so wenig wirklich affenartig, daß ja Kalmucke und Neger völlige Menschen auch der Bildung des Haupts nach bleiben, und der Malli

rietate) hat gezeigt, aus welcher Quelle fich die Abbildungen des ge= schwänzten Waldnienschen fortgeerbt haben.

d) Noch Sonnerat denkt ihrer (Voyage aux Indes. T. II. p.103.), aber auch nur aus Sagen. Die Zwerge auf Madagaskar find nach Flacourt von Cammerson erneuert; von neuern Reisenden aber verworfen worden. Ueber die Hermaphroditen in Florida s. Heyne kritische Abhandlung in den Comment. Societat. Reg. Goetting. per ann. 1778. P. 993.

e) S. Sparmann's Reisen. S. 177.

kolese Fähigkeiten äußert, die manche andere Nationen nicht haben. Wahrlich, Affe und Mensch sind nie Ein' und dieselbe Gattung gewesen, und ich wünschte jeden kleinen Rest der Sage berichtigt, daß fie irgendwo auf der Erde in gewöhnlicher fruchtbarer Gemeinschaft leben. Jedem Geschlecht hat die Natur genug gethan und sein eignes Erbe gegeben f). Den Affen hat sie in so viel Gattungen und Spielarten vertheilt, und diese so weit verbreitet, als sie sie verbreiten konnte; Du aber, Mensch, ehre dich selbst. Weder der Pongo, noch der Longimanus ist dein Bruder; aber wohl der Amerikaner, der Neger. Ihn also sollst du nicht unterdrücken, nicht morden, nicht stehlen: denn er ist ein Mensch, wie du bist; mit dem Affen darfst du keine Brüderschaft eingehn.

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Endlich wünschte ich auch die Unterscheidungen, die man aus rühmlichem Eifer für die überschauende Wissenschaft, dem Menschengeschlecht zwischengeschoben hat, nicht über die Grenzen erweitert. So haben einige z. B. vier oder fünf Abtheilungen desselben, die ursprünglich nach Gegenden oder gar nach Farben gemacht waren, Racen zu nennen gewagt; ich sehe keine Ursache dieser Benennung. Race leidet auf eine Verschiedenheit der Abstammung, die hier entweder gar nicht statt findet, oder in jedem dieser Weltstriche unter jeder dieser Farben die verschiedensten Racen begreift. Denn jedes Volk ist Volk: es hat seine Nationalbildung, wie seine Sprache; zwar hat der Himmelsstrich über alle bald ein Gepråge, bald nur einen linden Schleier gebreitet, der aber das ursprüngliche Stammgebilde der Nation nicht zerstört. Bis auf Familien sogar verbreitet sich dieses, und seine Uebergånge find so wandelbar als unmerklich. Kurz, weder vier oder fünf Racen, noch ausschließende Varietäten giebt es auf der Erde. Die Farben verlieren sich in einander; die Vildungen dienen dem genetischen Charakter ; und im Ganzen wird zuletzt alles nur Schattirung. eines und desselben großen Gemäldes, das sich durch alle Räume und Zeiten der Erde verbreitet. Es gehört also auch nicht sowohl in die systematische Naturgeschichte, als in die physisch-geographische Geschichte der Menschheit.

f) In den Auszügen aus dem Tagebuche eines neuen Reisenden nach Aften (Leipz. 1784.) S. 256. wird dieses noch behauptet; aber wieberum nur aus Sagen.

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