ページの画像
PDF
ePub

II.

Das Eine Menschengeschlecht hat sich allenthal: ben auf der Erde klimatisirt.

Sehet jene Heuschrecken der Erde, die Kalmucken und Mongolen ; fie gehören in keinen andern Weltstrich, als in ihre Steppen, auf ihre Berge ). Auf seinem kleinen Pferde durchfliegt der leichte Mann ungeheure Strecken und Wüsten: er weiß dem Roß Kräfte zu geben, wenn es erliegt, und wenn Er verschmachtet, muß eine geöffnete Ader am Halse des Pferdes ihm Kräfte geben. Kein Regen fållt auf manche dieser Gegenden, die nur der Thau erquickt und eine noch unerschöpfte Fruchtbarkeit der Erde mit neuem Grün bekleidet; manche weite Strecke kennt keinen Baum, keine füße Quelle. Da ziehn nun diese wilden, und unter sich selbst die geordnetsten Stämme in hohem Grase umher und weiden ihre Heerden; die Mitgenossen ihrer Lebensart, die Pferde, kennen ihre Stimme, und leben, wie ste, in Friede. Mit gedankenloser Gleichgültigkeit fißt der müßige Kalmucke da und überblickt seinen ewig heitern Himmel und durchhorcht seine unabsehbare Einode. In jedem andern Strich der Erde sind die Mongolen verartet und veredelt; in ihrem Lande sind sie, was sie seit Jahrtausenden waren, und werden es bleiben, so lange sich ihr Erdstrich nicht durch Natur oder durch Kunst åndert.

Der Araber in der Wüste ); er gehört in dieselbe mit seinem edlen Roß, mit seinem geduldigen, aushaltenden Kameel. Wie der Mongole auf seiner Erdhöhe, in seiner Steppe umherzog, zieht der wohlgebildetere Beduin auf seiner weiten asiatisch-afrikanischen Wüste umher, auch ein Nomade nur seiner Gegend. Mit ihr ist seine einfache Kleidung, seine Lebensweise, seine Sitte und Charakter harmonisch, und nach Jahrtausenden noch erhålt sein Gezelt

g) Nach einzelnen Gegenden f. Pallas und andre obengenannte. Von der Lebensart einer Kalmucken-Horde am Jaik würde G. Opißens Leben und Gefangenschaft unter ihnen ein sehr malerisches Gemälde sein, wenn es nicht mit so vielen Anmerkungen des Herausgebers verziert und romantisirt wåre.

h) Außer den ältern zahlreichen Neisen nach Arabien f. Voyages de Pagès, T. II. p. 62-87.

die Weise der Våter. Liebhaber der Freiheit, verachten sie Reichthümer und Wollüste, sind leicht im Lauf, fertig auf ihren Rossen, die sie wie ihres Gleichen pflegen, und eben so fertig zu schwingen die Lanze. Ihre Gestalt ist hager und nervigt; ihre Farbe braun, ihre Knochen stark: unermüdlich, Beschwerden zu ertragen, und durch die Wüste zusammen geknüpft, stehen sie alle für Einen, kühn und unternehmend, treu ihrem Wort, gastfreundlich und edel. Die gefahrvolle Lebensart hat sie zur Behutsamkeit und zum scheuen Argwohn, die einsame Wüste zum Gefühl der Rache, der Freundschaft, des Enthusiasmus und des Stolzes gebildet. Wo sich ein Araber zeige am Euphrat oder am Nil, am Libanon oder am Senega, selbst bis in Zanquebar und auf den indischen Meeren zeiget er sich, wenn nicht ein fremdes Klima ihn in Colonien langsam veränderte, noch in seinem ursprünglichen arabischen Charakter.

Der Kalifornier am Rande der Welt, in seinem unfruchtbaren Lande, bei seiner dürftigen Lebensart, bei seinem wechselnden Klima; èr klagt nie über Hiße und Kålte, `er entgeht dem Hunger, wenn auch auf die schwerste Weise, er lebt in seinem Lande glücklich. „Gott allein weiß, sagt ein Missionár i), wie viel tausend Meilen ein Kalifornier, der achtzig Jahre alt worden, in seinem Leben herumgeirrt hat, bis er sein Grab findet. Viele von ihnen åndern ihr. Nachtquartier vielleicht hundertmal in einem Jahre, daß sie kaum dreimal nach einander auf dem nåmlichen Plaß und in der nåmlichen Gegend schlafen. Sie werfen sich nieder, wo sie die Nacht überfållt, ohne alle Sorge wegen schädlichen Ungeziefers, oder Unsauberkeit des Erdbodens. Ihre schwarzbraune Haut ist ihnen statt des Rockes und Mantels. Ihre Hausgeräthe sind Bogen und Pfeil, ein Stein statt des Messers, ein Bein oder spißiges Holz, Wurzeln auszugraben, eine Schildkrötschaale statt der Kinderwiege, ein Darm oder eine Blase, Wasser zu holen, und endlich, wenn das Glück gut ist, ein aus Aloe-Garn wie ein Fischerneß gestrickter Sack, ihren Proviant und ihre Lumpen umherzüschleppen. Eie effen Wurzeln und allerlei kleine Saamen, sogar von dürrem Heu, die sie mit Mühe sammeln, und bei Hungersnoth selbst sogar wieder aus ihrem Koth auslesen. Alles, was Fleisch ist und nur

i) Nachrichten von Kalifornien. Mannh. 1773. hin und wieder.

Gleichheit mit demselben hat, bis auf Fledermause, Raupen und Würmer, ist ihre festliche Speise, und sogar die Blåtter einiger Stauden, einiges junge Holz und Geschoß, Leder, Riemen und weiche Beine sind von ihren Lebensmitteln nicht ausgeschlossen, wenn sie die Noth dazu treibt. Und dennoch sind diese Armseligen gesund: sie werden alt und stark, so daß es ein Wunder ist, wenn Einer unter ihnen, und dieses gar spåt, grau wird. Sie sind allezeit wohlgemuthet: ein ewiges Lachen und Scherzen regiert unter ihnen: wohlgestalt, flink und gelenkig: sie können mit den zwei vordern Zehen Steine und andre Dinge vom Boden aufheben, gehen bis in's höchste Alter kerzengerade: ihre Kinder stehen und gehen, ehe sie ein Jahr alt sind. Des Schwäßens müde, legen sie sich nieder und schlafen, bis sie der Hunger oder die Lust zum Essen aufweckt; sobald sie erwacht sind, geht das Lachen, Schwäßen und Scherzen wiederum an: sie sehen es fort auf ihren Wegen, bis endlich der abgelebte Kalifornier seinen Tod mit gleichgültiger Ruhe erwartet. Die in Europa wohnen, fährt der erwähnte Misstonår fort, kön nen zwar die Kalifornier ihrer Glückseligkeit halber beneiden, aber keine solche in Kalifornien genießen, als etwa durch eine vollkommene Gleichgültigkeit, viel oder wenig auf dieser Welt zu befizen und sich dem Willen Gottes in allen Zufällen des Lebens zu unterwerfen."

So könnte ich fortfahren, und von mehreren Nationen der vers schiedensten Erdstriche, von den Kamtschadalen bis zu den Feuerlåndern, klimatische Gemålde liefern; wozu aber diese abgekürzten Versuche, da bei allen Reisenden, die treu sahen oder menschlich Theil nahmen, jeder kleine Zug ihrer Beschreibung klimatisch malt. In Indien, auf diesem großen Marktplag handelnder Völker, ist der Araber und Sinese, der Türk und Perser, der Christ und Jude, der Malaye und Neger, der Japaner und Gentu kennbar k); auch auf der fernsten Küste trågt jeder den Charakter seines Erdstrichs und seiner Lebensweise mit sich. Aus dem Staube, aller vier Welttheile, sagt die alte bildliche Tradition, ward Adam gebildet, und es durchhauchten ihn Kräfte und Geister der weiten Erde. Wohin seit Jahrtausenden seine Söhne zogen und sich einwohnten: da wurs

k) Makingtosh travels. T. II. p. 27.

1

zelten sie als Bäume und gaben, dem Klima gemäß, Blätter und Früchte. - Lasset uns einige Folgen hieraus ziehen, die manche fonft auffallende Sonderbarkeit der Menschengeschichte zu erklären scheinen.

Zuerst erhellet, warum alle, ihrem Lande zugebildete finnliche Völker dem Boden desselben so treu find, und sich von ihm unabtrennlich fühlen. Die Beschaffenheit ihres Körpers und ihrer Lebensweise, alle Freuden und Geschäfte, an die sie von Kindheit auf gewöhnt wurden, der ganze Gesichtskreis ihrer Seele ist klimatisch. Raubet man ihnen ihr Land: so hat man ihnen alles geraubet.

„Von dem betrübten Schicksal der sechs Grönländer, erzählt Cranz1), die man auf der ersten Reise nach Dänemark brachte, hat man angemerkt, daß sie, ohngeachtet aller freundlichen Behandlung und guten Versorgung mit Stockfisch und Thran, doch oft mit betrübten Blicken und unter jämmerlichem Seufzen gen Norden nach ihrem Vaterlande gesehen und endlich in ihren Kajaken die Flucht ergriffen haben. Durch einen starken Wind wurden sie an das Ufer von Schonen geworfen und nach Koppenhagèn zurückgebracht, worauf zwei von ihnen vor Betrübniß starben. Von den übrigen sind ihrer zwei nochmals entflohen und ist nur der Eine wieder eingeholt worden, welcher, so oft er ein kleines Kind an der Mutter Halse gesehen, bitterlich geweint: (woraus man geschlossen, daß er Frau und Kinder haben müsse, denn man konnte nicht mit ihnen sprechen, noch sie zur Taufe pråpariren). Die zwei lezten haben zehn bis zwölf Jahr in Dånemark gelebt, und sind bei Coldingen zum Perlenfischen gebraucht, aber im Winter so stark angestrengt worden, daß der Eine darüber gestorben, der lezte nochmals entflohen und erst dreißig bis vierzig Meilen weit vom Lande eingeholt worden, worauf er ebenfalls aus Betrübniß sein Leben geendet."

Alle Zeugen von menschlicher Empfindung können die verzweifelnde Wehmuth nicht ausdrücken, mit welcher ein erkaufter oder

1) Geschichte von Grönland. S. 355

[ocr errors]

erstohlener Negersklave die Küste seines Vaterlandes verläßt, um fie nie wieder zu erblicken in seinem Leben. Man muß genaue Aufsicht haben, sagt Römer m), daß die Sklaven weder im Fort noch auf dem Schiff Messer in die Hånde bekommen; bei der Ues berfahrt nach Westindien hat man genug zu thun, sie bei guter Laune zu erhalten. Deshalb ist man mit europäischen Leiern versehen: man nimmt auch Trommeln und Pfeifen mit und läßt sie tanzen, versichert sie, daß sie nach einem schönen Lande geführt werden, wo sie viele Frauen, gute Speisen erhalten sollen, und dergleichen. Und dennoch hat man betrübte Beispiele erlebt, daß die Schiffleute von ihnen überfallen und ermordet worden, da sie denn das Schiff an's Land treiben lassen." Und wie viel traurigere Beispiele hat man erlebt vom verzweifelnden Selbstmorde dieser unglücklichen Geraubten! Sparmann erzählt ") aus dem Munde eines Besizers solcher Sklaven, daß sie des Nachts in eine Art von Raserei verfallen, die sie antreibt, an irgend jemand, oder gar an sich selbst einen Mord zu begehen: denn das schwerműthige Andenken an den schmerzlichen Verlust ihres Vaterlandes und ihrer Freiheit erwacht am meisten des Nachts, wenn das Geräusch des Tages es nicht zu zerstreuen vermag." — Und was für Recht hattet ihr Unmenschen, euch dem Lande dieser Unglücklichen nur zu nahen, geschweige es ihnen, und sie dem Lande, durch Diebstahl, List und Grausamkeit zu entreißen? Seit Jahrtausenden ist dieser Welttheil der ihre, so wie sie ihm zugehören: ihre Våter hatten ihn um den höchsten und schwersten Preis erkauft, um ihre Negergestalt und Negerfarbe. Vildend hatte die afrikanische Sonne sie zu Kindern angenommen und ihr Siegel auf ste geprägt; wohin ihr sie führt, zeiht euch dieses als Menschendiebe, als Räuber.

Zweitens. Grausam also sind die Kriege der Wilden um ihr Land und um die ihnen entriffenen oder beschimpften und gequålten Söhne deffelben, ihre Mitbrüder. Daher z. B. der ver

m) Nimer's Nachrichten von der Küste Guinea. S. 279.

n) Sparmann's Reisen. S. 73. Der menschenfreundliche Reisende hat viele traurige Nachrichten von der Behandlung und dem Fange der Sklaven eingestreut, S. 195. 612. u. f.

« 前へ次へ »