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lassen? Vollständig werden diese Buchstaben nie werden; denn das ist auch kein Alphabet irgend einer Sprache; zur Charakteristik der menschlichen Natur aber in ihren Hauptgestalten würde durch ein førgsames Studium dieser lebendigen Såulenordnungen unsres Geschlechts gewiß ein weites Feld geöffnet. Schränkte man sich dabei nicht auf Europa ein, und nåhme noch weniger unser gewohntes Ideal zum Muster aller Gesundheit und Schönheit; sondern verfolgte die lebendige Natur überall auf der Erde, in welchen Harmonieen zusammenstimmender Theile sie sich hie und da ̄mannichfaltig und immer ganz zeige; ohne Zweifel würden zahlreiche Entdeckungen über den Concentus und die Melodie lebendiger Kräfte im Bau des Menschen der Lohn dieser Bemerkungen werden. Ja vielleicht würde uns dies Studium des natürlichen Consensus der Formen im menschlichen Körper weiter führen, als die so oft und fast immer mit Undank bearbeitete Lehre der Complerionen und Temperamente. Die scharfsinnigsten Beobachter kamen in dieser nicht weit, weil zu dem Mannichfaltigen, das bezeichnet werden sollte, ihnen ein bestimmtes Alphabet der Bezeichnung fehlte h).

2. So wie nun bei einer solchen bildlichen Geschichte der Formung und Verartung des Menschengeschlechts die lebendige Physiologie allenthalben die Fackel vortragen müßte: so würde in ihr auch Schritt vor Schritt die Weisheit der Natur sichtbar, die nicht anders als nach Einem Gesez der tausendfach erstattenden Güte Formen bildet und abåndert. Warum z. B. sonderte die schaffende Mutter Gattungen ab? zu keinem andern Zweck, als daß ste den Typus ihrer Bildung desto vollkommner machen und erhalten könnte. Wir wissen nicht, wie manche unsrer jezigen Thiergattungen in einem frühern Zustande der Erde näher an einander gegangen sein mögen; aber das sehen wir, ihre Grenzen sind jest genetisch geschieden. Im wilden Zustande paaret sich kein Thier mit einer fremden Gattung, und wenn die zwingende Kunst der Menschen oder der üppige Müßiggàng, an dem die gemåsteten Thiere Theil nehmen, auch ihren sonst sichern Trieb verwil

h) Sehr fimplificirt finde ich diese Lehre in Meßger's vermischten Schriften. Th. 1. Auch Plattner nebst andern haben darin ihre anerkannten Verdienste.

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dern: so läßt doch in ihren unwandelbaren Geseßen die Natur von der üppigen Kunst sich nicht überwinden. Entweder ist die Vermischung ohne Frucht, oder die erzwungene Bastardart pflanzt sich nur unter den nächsten Gattungen weiter. Ja bei diesen Bastardartenselbst sehen wir die Abweichung nirgend als an den åußersten Enden des Reichs der Bildung, genau wie wir sie bei der Verartung des Menschengeschlechts beschrieben haben; håtte der innere, wesentliche Typus der Bildung Mißgestalt bekommen müssen: so wäre kein lebendiges Geschöpf subsistent worden. Weder ein Centaur also, noch ein Satyr, weder die Scylla noch die Meduse kann nach den innern Gesezen der schaffenden Natur und des genetischen wesentlichen Typus jeder Gattung sich erzeugen.

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3. Das feinste Mittel endlich, dadurch die Natur Vielartigkeit und Bestandheit der Formen in ihren Gattungen verband, ist die Schöpfung und Paarung zweier Geschlechter. Wie wunderbarfein und geistig mischen sich die Züge beider Eltern in dem Angesicht und Bau ihrer Kinder! als ob nach verschiedenen Verhältnissen ihre Seele sich in sie gegossen und die tausendfältigen Naturkräfte der Organisation sich unter dieselben vertheilt hätten. Daß Krankheiten und Züge der Bildung, daß sogar Neigungen und Dispositionen sichy forterben, ist weltbekannt; ja oft kommen wunderbarer Weise die Gestalten lange verstorbener Vorfahren aus dem Strom der Generation wieder. Eben so unläugbar, obgleich schwer zu erklären, ist der Einfluß mütterlicher Gemüths- und Leibeszustånde auf den Ungebornen, dessen Wirkung manches traurige Beispiel lebenslang mit sich trägt. Zwei Ströme des Lebens hat also die Natur zusammengeleitet, um das werdende Geschöpf mit einer ganzen Naturkraft auszustatten, die nach den Zügen beider Eltern jezt in ihr selbst lebe. Manches versunkne Geschlecht ist durch Eine gesunde und fröhliche' Mutter wieder emporgehoben: mancher entkråftete Júngling mußte im Arm seines Weibes erst selbst zum lebenden Naturgeschöpf erweckt werden. Auch in der genialischen Bildung der Menschheit also ist Liebe die mächtigste der Göttinnen; sie veredelt Geschlechter und hebt die gesunkenen wieder empor: eine Fackel ver Gottheit, durch deren Funken das Licht des menschlichen Lebens hier trüber, dort heller glänzet. Nichts widerstrebet hingegen dem

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bildenden Genius der Naturen mehr, als jener kalte Haß oder jene widrige Convenienz, die årger als Haß ist. Sie zwingt Menschen zusammen, die nicht für einander gehören, und verewigt elende, mit sich selbst disharmonische Geschöpfe. Kein Thier verfant je so. weit, als in dieser Entartung der Mensch versinket.

ས.

Schlußanmerkungen über den Zwift der Genesis und des Klima.

Irre ich nicht, so ist mit dem, was bisher wenigstens andeutend gesagt worden, der Anfang einer Grenzlinie zur Uebersicht dieses Streites gezogen worden. Niemand z. B. wird verlangen, daß in einem fremden Klima die Rose eine Lilie, der Hund ein Wolf werden soll: denn die Natur hat genaue Grenzen um ihre Gattungen gezogen, und läßt ein Geschöpf lieber untergehn, als daß es ihr Gebilde wesentlich verrücke oder verderbe. Daß aber die Rose verarten, daß der Hund etwas Wolfartiges an sich nehmen könne, dies ist der Geschichte gemäß, und auch hier gehet die Verartung nicht anders vor, als durch schnelle oder langsame Gewalt auf die gegenwirkenden organischen Kräfte. Beide streitführenden Mächte sind also von großer Wirkung; nur jede wirkt auf eigne Art. Das Klima ist ein Chaos von Ursachen, die einander sehr ungleich, also auch langsam und verschiedenartig wirken, bis sie etwa zuleßt in das Innere eindringen und dieses durch Gewohnheit und Genesis felbst åndern; die lebendige Kraft widersteht lange, stark, einartig und nur ihr selbst gleich; da sie indessen doch nicht unabhängig von äußern Leidenschaften ist, so muß sie sich ihnen auch mit der Zeit bequemen.

Statt eines weitern Zwistes im Allgemeinen wünschte ich also lieber eine belehrende Untersuchung im Einzelnen, zu der uns das Feld der Geographie und Geschichte eine große Ernte darbeut. Wir wissen. z. E., wenn die portugiesischen Colonien nach Afrika, jene spanischen, holländischen, englischen, deutschen nach Ostindien und Afrika gewandert sind, was an einigen derselben die Lebensart der Eingebornen, an andern die fortgesezte Lebensweise der Europåer

für Wirkung gehabt u. f. Håtte man dieses alles genau untersucht : so stiege man zu åltern Uebergången, z. B. der Malayen auf den Inseln, der Araber in Afrika und Ostindien, der Türken in ihren eroberten Låndern, sodann zu den Mogolen, Tataren und endlich zu dem Schwarm von den Nationen, die in der großen Völkerwanderung Europa überdeckten. Nirgend vergåße man, aus welchem Klima ein Volk kam, welche Lebensart es mitbrachte, welches Land es vor sich fand, mit welchen Völkern es sich vermischte, welche Revolutionen es in seinem neuen Siß durchlebt hat. Würde dieser untersuchende Calcul durch die gewissern Jahrhunderte fortgesezt: só ließen sich vielleicht auch Schlüsse auf jene åltern Völkerzüge machen, die wir nur aus Eagen alter Schriftsteller oder aus Uebereinstimmungen der Mythologie und Sprache kennen; denn im Grunde sind. alle oder doch die meisten Nationen der Erde früher oder -spåter gewandert. Und so bekámen wir, mit einigen Charten zur Anschauung, eine physisch - geographische Geschichte der Abstammung und Verartung unsres Geschlechts nach Klimaten und Zeiten, die Schritt vor Schritt die wichtigsten Resultate gewähren müßte.

Ohne dem forschenden Geist, der diese Arbeit unternahme, vorzugreifen, seße ich aus der neuern Geschichte einige wenige Erfahrungen her: kleine Erempel meiner vorhergehenden Untersuchung.

1. Alle zu schnelle, zu rasche Uebergänge in ein entgegengesettes Hemisphär und Klima sind selten einer Nation heilsam worden: denn die Natur hat nicht vergebens ihre Grenzen zwischen weit entfernten Ländern gezogen. Die Geschichte der Eroberungen sowohl als der Handelsgesellschaften, am meisten aber der Missionen, müßte ein trauriges und zum Theil lächerliches Gemälde geben, wenn man diesen Gegenstand mit seinen Folgen auch nur aus eignen Relationen der Uebergegangenen unpartheiisch hervorholte. Mit grausendem Abscheu liest man die Nachrichten von manchen europäischen Nationen, wie sie, versunken in die frechste Ueppigkeit und den fühllosesten Stolz, an Leib und Seele entarten, und selbst zum Genuß und Erbarmen keine Kräfte mehr haben. Aufgeblähte Menschenlarven sind sie, denen jedes edle, thätige Vergnügen entgeht, und in deren Adern der vergeltende Tod schleichet. Rechnet man nun noch die Unglückseligen dazu, denen

beide Indien haufenweise ihre Grabståtte wurden, liéfet man die Geschichte der Krankheiten fremder Welttheile, die die englischen, französischen und holländischen Aerzte beschreiben, und schauet dann in die frommen Missionen, die sich so oft nicht von ihrem Ordenskleide, von ihrer europäischen Lebensweise trennen wollten, welche lehrreichen Resultate, die leider! auch zur Geschichte der Menschheit gehören, dringen sich uns auf!

2. Selbst der europäische Fleiß gesitteter Colonieen in andern Welttheilen vermag nicht immer -die Wirkung des Klima zu ändern. In Nordamerika, bemerkt Kalm i), kommen die europäischen Geschlechter eher zu reifen Jahren, aber auch eher zum Alter und Tode als in Europa. Es ist nichts seltnes, sagt er, kleine Kinder zu sehen, die auf die vorgelegten Fragen bis zur Verwunderung lebhaft und fertig antworten; aber auch die Jahre der Europäer nicht erreichen. Achtzig oder neunzig Jahre sind für einen in Amerika wohnenden Europåer ein seltnes Beispiel, da doch die ersten Einwohner oft ein hohes Alter erlebten; auch die in Europa geborenen werden gemeiniglich viel ålter, als die von europäischen Eltern in Europa erzeugten. Die Weiber hören früher auf, Kinder zu gebåren, einige schon im dreißigsten Jahre: auch bemerkt man bei allen europäischen Colonieen, daß die dort oder hier gebornen frühe und vor der Zeit ihre Zähne verlieren, da die Amerikaner schöne, weiße und unbeschädigte Zähne bis an ihr Ende behalten. Mit Unrecht hat man diese Stellen auf die Ungesundheit des alten Amerika gegen seine eignen Kinder gezogen; nur gegen Fremdlinge war's diese Stiefmutter, die, wie es auch Kalm erklärt, mit andrer Constitution und Lebensweise in seinem Schoos leben.

3. Man denke nicht, daß die Kunst der Menschen mit stürmender Willkür einen fremden Erdtheil for gleich zu einem Europa umschaffen könne, wenn sie seine Wålder umhauet und seinen Boden cultivirt; denn die ganze lebendige Schöpfung ist im Zusammenhange, und dieser will nur mit Vorsicht geändert werden. Eben der Kalm berichtet aus dem Munde alter amerikanischer Schweden, daß durch die schnelle Ausrot

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i) Göttingische Samml. von Reisen. Th. 10. 11. hin und wieder.

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