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tung der Wälder und Bebauung des Landes nicht nur das eßbarè Gevögel, das sonst in unzähliger Menge auf Wassern und in Wåldern lebte, die Fische, von denen sonst Flüsse und Bäche wimmelten, die Seen, Bäche, Quellen und Strome, der Regen, das dichte hohe Gras in den Wäldern u. f. sich sehr vermindert; sondern daß diese Ausrottung auch auf das Lebensalter, die Gesundheit und Jahreszeiten zu wirken scheine.",,Die Amerikaner, sagt er, die bei Ankunft der Europäer ein Alter von hundert und mehrern Jahren zurückgelegt, erreichen jezt oft kaum das halbe Alter ihrer Våter; woran nicht blos der menschentödtende Branntwein und ihre veränderte Lebensweise, sondern wahrscheinlich auch der Verlust so vieler wohlriechenden Kräuter und kräftigen Pflanzen Schuld sei, die jeden Morgen und Abend einen Geruch gaben, als ob man sich in einem Blumengarten fånde. Der Winter sei damals zeitiger, kålter, gesunder und beständiger gewesen; jezt treffe der Frühling spåter ein, und sei, wie die Jahreszeiten überhaupt, unbeständiger und abwechselnder.“. So erzählt Kalm, und wie local man die Nachricht einschränke, dürfte sie doch immer zeigen, daß die Natur selbst im besten Werk, das Menschen thun können, dem Anbaut eines Landes, zu schnelle, zu gewaltsame Uebergänge nicht liebe. Die Schwäche der sogenannten cultivirten Amerikaner in Meriko, Peru, Paraguai, Brasilien; sollte sie nicht unter andern auch daher kommen, daß man ihnen Land und Lebensart verändert hat, ohne ihnen eine europäische Natur geben zu können oder zu wollen? Alle Nationen, die in den Wäldern und nach der Weise ihrer Våter leben, find muthig und stark, sie werden alt und grünen wie ihre Bäume: auf dem gebaueten Lande, dem feuchten Schatten entzogen, schwinden sie traurig dahin: Seele und Muth ist in ihren Wäldern geblieben. Man lese z. B. die rührende Geschichte der einsamen blůhenden Familie, die Dobrighofer k) aus ihrer Wildniß zog: Mutter und Tochter starben bald dahin, und beide riefen in Trâumen ihren zurückgebliebenen Sohn und Bruder so lange nach sich, bis er ohne Weh und Krankheit die Augen zuschloß. Nur dadurcy wird es begreiflich, wie Nationen, die erst tapfer, munter, herzhaft waren, in kurzer Zeit so weich werden konnten, wie sie die Jes suiten in Paraguai und die Reisenden in Peru schildern: eine Weich

k) Dobrighofer's Geschichte der Abiponer. Th. I. S. 114.

heit, die dem Lesenden Schmerz erregt. Für die Folge der Jahrhunderte mag diese Ueberstrengung der Natur an einigen Orten ihre guten Wirkungen haben 1), ob ich gleich, wenn sie allenthalben möglich wäre, auch hieran zweifle; für die ersten Geschlechter aber, sowohl der Cultivatoren als der Cultivirten, scheint dieses nicht-also: denn die Natur ist allenthalben ein lebendiges Ganze und will sanft befolgt und gebessert, nicht aber gewaltsam beherrscht sein. Aus allen Wilden, die man plößlich in's Gedränge der Hauptstådte Europa's brachte, ist nichts worden: von dem glänzenden Thurmknopfe, auf den man sie seßte, sehnten sie sich wieder in ihre Ebne und kamen meistens ungeschickt und verderbt zu ihrer alten, ihuen nun auch ungenießbaren Lebensweise wieder. Ein Gleiches ist's mit der gewaltsamen Umbildung der wilden Klimate durch europäische Hånde.

O Söhne des Dådalus, ihr Kreisel des Schicksals auf der Erde, wie viele Gaben waren in eurer Hand, auf menschliche und schonende Art den Völkern Glück zu erzeigen; und wie hat eine stolze, trogige Gewinnsucht euch fast allenthalben auf einen so andern Weg gelenkt! Alle Ankömmlinge fremder Länder, die sich mit den Eingebornen zu nationalisiren wußten, genossen nicht nur ihre Liebe und Freundschaft, sondern fanden am Ende auch, daß die klimatische Lebensart derselben sogar unrecht nicht sei; aber wie wenige gab es folcher! wie selten verdiente ein Europåer den Lobspruch der Eingebornen: „er ist ein vernünftiger Mensch, wie wir sind!“- Und: ob sich die Natur an jedem Frevel, den man ihr anthut, nicht råche? Wo sind die Eroberungen, die Handlungspläße und Invasionen voriger Zeiten, sobald das ungleichartige Volk in's entfernte, fremde Land, nur raubend oder verwüstend streifte? Verwehet oder weggezehrt hat sie der stille Hauch des Klima, und dem Eingebornen ward es leicht, dem wurzellosen Baum den lezten Druck zu geben. Dagegen das stille Gewächs, das sich den Gesezen der Natur bequente, nicht nur selbst fortdauert, sondern auch die Samenkörner der Cultur auf einer neuen Erde wohlthätig fortbreitet. Das fol gende Jahrtausend mag es entscheiden, was unser Genius andern Klimaten, was andre Klimate unserm Genius genußt oder geschadet haben?

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1) S. Williamson's Versuch, die Ursachen des veränderten Klima zu erklären. Berlin. Samml. Thl. 7.

Achtes Buch.

Wie

Vie einem, der von den Wellen des Meers eine Schifffahrt in die Luft thun soll: so ist mir, da ich jezt nach den Bildungen und Naturkräften der Menschheit auf ihren Geist komme, und die verånderlichen Eigenschaften deffelben auf unserm weiten Erdrunde aus fremden, mangelhaften und zum Theil unsichern Nachrichten zu erforschen wage. Der Metaphysiker hat es hier leichter. Er seht einen Begriff der Seele fest, und entwickelt aus ihm, was sich entwickeln läßt, wo und in welchen Zustånden es sich auch finde. Dem Philosophen der Geschichte kann keine Abstraction, sondern Geschichte allein zum Grunde liegen, und er läuft Gefahr, trügliche Resultate zu ziehen, wenn er die zahllosen facta nicht wenigstens in einiger Allgemeinheit verbindet. Indessen versuche ich den Weg und kreuze, statt des überfliegenden Schiffes, lieber an den Küften: d. i. ich halte mich an gewiffe, oder für gewiß geachtete facta, von denen ich meine Muthmaßungen sondre, und überlasse es Glücklichern, fie beffer zu ordnen und zu gebrauchen.

I.

Die Sinnlichkeit unsres Geschlechts verändert sich mit Bildungen und Klimaten; überall aber ist ein menschlicher Gebrauch der Sinne das, was zur Humanität führet.

Alle Nationen, die kranken Albinos etwa ausgenommen, haben ihre fünf oder sechs menschliche Sinne; die Unfühlbaren des Diodorus,

oder die taub- und stummen Völker sind in der neuern Menschengeschichte eine Fabel. Indeß, wer auf die Verschiedenheit der außern Empfindungen auch nur unter uns Acht hat, und sodann an die zahllose Menge denkt, die in allen Klimaten der Erde lebt, der wird sich hierbei wie vor einem Weltmeer finden, auf dem sich Wogen in Wogen verlieren. Jeder Mensch hat ein eignes Maaß, gleichsam eine eigne Stimmung aller sinnlichen Gefühle zu einander, so daß bei außerordentlichen Fällen oft die wunderbarsten Aeußerungen zum Vorschein kommen, wie einem Menschen bei dieser oder bei jener Sache sei. Aerzte und Philosophen haben daher schon ganze Sammlungen von eigenthümlich-sonderbaren Empfindungen, d. i. Idiosynkraften gegeben, die oft so seltsam als unerklärlich sind. Meistens merken wir auf solche nur in Krankheiten und ungewöhnlichen Zufällen; im täglichen Leben bemerken wir sie nicht. Die Sprache hat auch keinen Ausdruck für sie, weil jeder Mensch doch nur nach seiner Empfindung spricht und ver steht, verschiednen Organisationen also ein gemeinschaftliches Maaß ihrer verschiednen Gefühle fehlt. Selbst bei dem klårsten Sinn, dem Gesicht, äußern sich diese Verschiedenheiten nicht nur in der Nähe und Ferne, sondern auch in der Gestalt und Farbe der Dinge; daher manche Maler mit ihren so eigenthümlichen Umris sen, und fast jeder derselben in seinem Ton der Farben malt. Zur Philosophie, der Menschengeschichte gehört's nicht, diesen Ocean auszuschöpfen, sondern durch einige auffallende Verschiedenheiten auf die feinern aufmerksam zu machen, die um uns liegen.

Der allgemeinste und nothwendigste Sinn ist das Gefühl; es ist die Grundlage der andern, und bei dem Menschen einer seiner größesten organischen Vorzüge a). Er hat uns Bequemlichkeit, Erfindungen und Künste geschenkt, und trägt zur Beschaffenheit unserer Ideen vielleicht mehr bei, als wir vermuthen. Aber wie sehr ist dies Organ auch unter den Menschen verschieden, nachdem es die Lebensart, das Klima, die Anwendung und Nebung, endlich die genetische Reizbarkeit des Körpers selbst modificirt. Ei nigen amerikanischen Völkern z. B. wird eine Unreizbarkeit - der

a) S. Megger über die körperlichen Vorzüge des Menschengeschlechts vor Thieren, in seinen vermischten medicinischen Schriften., Th. 3.

Haut zugeschrieben, die sich sogar bei Weibern und in den schmerzhaftesten Operationen merkbar machen soll b); wenn das Factum wahr ist, dünkt mich's sehr erklärlich, sowohl aus Veranlassungen des Körpers als der Seele. Seit Jahrhunderten nåmlich boten viele Nationen dieses Welttheils ihren nackten Leib der scharfen Luft und den scharfstechenden Insekten dar, und salbten ihn gegen diese zum Theil mit scharfen Salben: auch das Haar nahmen sie sich, das die Weiche der Haut mit befördert. Ein schärferes Mehl, laugenhafte Wurzeln und Kräuter waren ihre Speise, und es ist be kannt, in welcher genauen Uebereinstimmung die verdauenden Werkzeuge mit der fühlenden Haut stehen; daher in manchen Krankheiten dieser Sinn völlig schwindet. Selbst ihr unmäßiger Genuß der Speisen, nach dem sie eben so wohl den entseßlichsten Hunger ertragen, scheint von dieser Unempfindlichkeit zu zeugen, die auch ein Eymptom vieler ihrer Krankheiten ist c), und also zum Wohl und Weh ihres Klima gehört. Die Natur hat sie mit derselben allmålig gegen Uebel gewappnet, die sie mit einer größern Empfindlichkeit nicht ertragen könnten, und ihre Kunst ging der Natur nach. Qualen und Schmerzen leidet der Nordamerikaner mit einer heroischen Unfühlbarkeit aus Grundsäßen der Ehre: er ist von Jugend auf dazu gebildet worden, und die Weiber geben den Männern hierin nichts nach. Stoische Apathie also auch in körperlichen Schmerzen ward ihnen zur Naturgewohnheit, und ihr minderer Reiz zur Wolluft, bei übrigens muntern Naturkråften, selbst jene entschlafne Fühllosigkeit, die manche unterjochte Nationen wie in einen wachens den Traum versenkte, scheinen aus dieser Ursache zu folgen. Unmenschen also find's, die einen Mangel menschlicher Empfindungen, theils mißbrauchten, theils schmerzhaft erprobten.

Daß ein Uebermaaß an Hiße und Kälte das äußere Gefühl versenge oder stumpfe, ist aus Erfahrungen bewiesen. Völker, die auf dem Sande mit bloßen Füßen gehen, bekommen eine Sohle, die das Beschlagen des Eisens erträgt, und man hat Beispiele, daß einige zwanzig Minuten auf glühenden Kohlen aushielten. Aeßende Gifte konnten die Haut verwandeln, daß man die Hand in ge

b) Robertson's Geschichte von Amerika. Th. I. S. 562.
c) uioa. 2. I. 6. 188.

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