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muß sie ihm aufopfern, Besiß ihrer Person, Freiheit, Willen, ja vielleicht Gesundheit und Leben; und das Alles um Reize, die die keusche Jungfrau noch nicht kennet und die ihr vielleicht bald in einem Meer von Ungemächlichkeit verschwinden. Glücklich, daß die Natur das weibliche Herz mit einem unnennbar-zarten und starken Gefühl-für den persönlichen Werth des Mannes ausgerüstet und geschmückt hat. Durch dies Gefühl erträgt sie auch seine Hårtigkeiten; sie schwingt sich in einer süßen Begeisterung so gern zu allem auf, was ihr an ihm edel, groß, tapfer, ungewöhnlich dünket; mit erhebender Theilnehmung hört sie månnliche Thaten, die ihr, wenn der Abend kommt, die Last des beschwerlichen Tages versüßen und es zum Stolz ihr machen, daß sie, da sie doch einmal zugehören muß, einem solchen Mann gehöre. Die Liebe des Romantischen im weiblichen Charakter ist also eine wohlthätige Gabe der Natur, Balsam für sie und belohnende Aufmunterung des Mannes: denn der schönste Kranz des Jünglings war immer die Liebe der Jungfrau.

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Endlich die süße Mutterliebe, mit der die Natur dieß Geschlecht ausstattete; fast unabhängig ist sie von kalter Vernunft und weit entfernt von eigennüßiger Lohnbegierde. Nicht weil es liebenswürdig ist, liebet die Mutter ihr Kind, sondern weil es ein lebendiger Theil ihres Selbst, das Kind ihres Herzens, der Abdruck ihrer Natur ist. Darum regen sich ihre Eingeweide über seinen Jammer: ihr Herz klopft stårker bei seinem Glück: ihr Blut fließt sanfter, wenn die Mutterbrust, die es trinkt, es gleichsam noch an sich knüpft. Durch alle unverdorbene Nationen der Erde geht dieses Muttergefühl: kein Klima, das sonst alles åndert, konnte dies åndern; nur die verderbtesten Verfassungen der Gesellschaft vermochten etwa mit der Zeit das weiche Laster süßer zu machen als jene zarte Qual mitterlicher Liebe. Die Grönländerin såugt ihren Sohn bis in's dritte, vierte Jahr, weil das Klima ihr keine Kinderspeisen darbeut: sie erträgt von ihm alle Unarten des keimenden månnlichen Uebermuths mit nachsehender Duldung. Mit mehr als Manneskraft ist die Negerin gewaffnet, wenn ein Ungeheuer ihr Kind anfällt; mit staunender Verwunderung liest man die Beispiele ihrer das Leben verachtenden mütterlichen Großmuth. Wenn endlich der Tod der zärtlichen Mutter, die wir eine Wilde nennen, ihren besten Trost, den Werth und die Sorge ihres Lebens raubt: man lese bei

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Carver P) die Klage der Nadowesserin, die ihren Mann und ihren pierjährigen Sohn verloren hatte: `das Gefühl, das in ihr herrscht, ist über alle Beschreibung. Was fehlet also diesen Nationen an Empfindungen der wahren weiblichen Humanitåt, wenn nicht etwa der Mangel und die traurige Noth oder ein falscher Punkt der Ehre und eine geerbte rohe Sitte sie hie und da auf Irrwege leiten? Die Keime zum Gefühl alles Großen und Edeln liegen nicht nur allenthalben da, sondern sie sind auch überall ausgebildet, nachdem es die Lebensart, das Klima, die Tradition oder die Eigenheit des Volkes erlaubte.

Ist dieses: so wird der Mann dem Weibe nicht nachbleiben, und welche dankbar männliche Tugend wåre es, die nicht hie und da auf der Erde den Ort ihrer Blüthe gefunden håtte? Der männliche Muth, auf der Erde zu herrschen und sein Leben nicht ohne That, aber genügsam frei zu genießen, ist wohl die Erste Mannes-Tugend; sie hat sich am weitesten und vielartigsten ausgebildet, weil fast allenthalben die Noth zu ihr zwang und jeder Erdstrich, jede Sitte fie anders lenkte. Bald also suchte der Mann in Gefahren Ruhm und der Sieg über dieselbe war das kostbarste Kleinod seines månnlichen Lebens. Vom Vater ging diese Neigung auf den Sohn über; die frühe Erziehung beförderte sie und die Anlage zu ihr ward in wenigen Generationen dem Volke erblich. Dem gebornen Jåger ist die Stimme feines Horns und seiner Hunde, was sie sonst keinem ift: Eindrücke der Kindheit trugen dazu bei: oft sogar geht das Ja gergesicht und das Jagdgehirn in die Geschlechter über. So mit allen andern Lebensarten freier, wirkender Völker. Die Lieder jeder Nation sind über die ihr eignen Gefühle, Triebe und Seharten die besten Zeugen; ein wahrer Commentar ihrer Denk- und Empfindungsweise aus ihrem eignen fröhlichen Munde 9). Selbst ihre Gebräuche, Sprichwörter und Klugheitsregeln bezeichnen lange nicht so viel, als jene bezeichnen; noch mehr aber thåten es, wenn wir

p) Carver's Reisen. S. 338. u. f.

q) S. die Volkslieder, theils allgemein, theils insonderheit die nordischen Stücke, Th. 1. S. 166. 175. 177. 242. 247. Th. 2. S. 210, 245.

Proben davon håtten, oder vielmehr die Reisenden sie bemerkten, der Nationen charakteristische Träume. Im Traum und im Spiel zeigt sich der Mensch ganz, wie er ist; in jenem aber am meisten.

Die Liebe des Vaters zu seinen Kindern ist die zweite Tugend, die sich beim Mann am besten durch männliche Erziehung äußert. Frühe gewöhnt der Vater den Sohn zu seiner Lebensweise: er lehrt ihm seine Künste, weckt in ihm das Gefühl seines Ruhms und liebt in ihm sich selbst, wenn er alt oder nicht mehr sein wird. Dies Gefühl ist der Grund aller Stammes - Ehre und Stammes - Tugend auf der Erde: es macht die Erziehung zum öffentlichen, zum ewigen Werk: es hat alle Vorzüge und Vorurtheile der Menschengeschlechter hinabgeerbt. Daher fast bei allen Ståmmen und Völkern die theilnehmende Freude, wenn der Sohn ein Mann wird und sich mit dem Geråth oder den Waffen seines Vaters schmücket; daher die tiefe Trauer des Vaters, wenn er diese seine stolzeste Hoffnung verliert. Man lese die Klage des Grönländers um seinen Sohn r), man höre die Klagen Offians um seinen Oskar, und man wird in ihnen Wunden des Vaterherzens, die schönsten Wunden der månnlichen Brust bluten sehen

Die dankbare Liebe des Sohnes zu seinem Vater ist freilich nur eine geringe Wiedervergeltung des Triebes, mit dem der Vater den Sohn liebte; aber auch das ist Naturabsicht. Sobald der Sohn Vater wird, wirkt das Herz auf seine Söhne hinunter: der vollere Strom soll hinab, nicht aufwärts fließen: denn nur also erhålt sich die Kette stets wachsender, neuer Geschlechter. Es ist also nicht als Unnatur zu schelten, wenn einige vom Mangel gedrückte Völker das Kind dem abgelebten Vater vorziehn, oder, wie einige Erzählungen fagen, den Tod der Vergreiseten sogar befördern. Nicht Haß, fondern traurige Noth oder gar eine kalte Gutmüthigkeit ist diese Beförderung, da sie die Alten nicht nähren, nicht mitnehmen kön nen, und ihnen also lieber mit freundschaftlicher Hand- selbst ein qualenloses Ende bereiten, als sie den Zähnen der Thiere zurücklassen wollen. Kann nicht im Drange der Noth, wehmüthig genug, der Freund den Freund tödten und ́ihm, den er nicht erretten kann, damit eine Wohlthat erweisen, die er ihm nicht anders erweisen

r) Volkslieder. Th. 2. S. 128.

fonnte? Daß aber der Ruhm der Våter in der Seele ihres Stammes unsterblich lebe und wirke, zeigen bei den meisten Völkern ihre Lieder und Kriege, ihre Geschichten und Sagen, am meisten die mit ewiger Hochachtung derselben sich forterbende Lebensweise.

Gemeinschaftliche Gefahren endlich erwecken gemeinschaftlichen Muth: sie knüpfen also das dritte und edelste Band der Månner, die Freundschaft. In Lebensarten und Låndern, die gemeinschaftliche Unternehmungen nöthig machen, sind auch heroische Seelen vorhanden, die den Bund der Liebe auf Leben und Tod knüpfen. Dergleichen waren jene ewig berühmten Freunde der griechischen Heldenzeit; dergleichen waren jene gepriesenen Scythen und find allenthalben noch unter den Völkern, die Jagd, Kriege, Züge in Wäldern und Wüsteneien oder sonst Abentheuer lieben. Der Ackermann kennet nur einen Nachbar, der Handwerker einen Zunftgenossen, den er begünstigt oder neidet, der Wechsler endlich, der Gelehrte, der Fürstendiener - wie entfernter sind sie von jener eigen gewählten, thåtigen, erprobten Freundschaft, von der eher der Wandrer, der Gefangne, der Sklave weiß, der mit dem andern an Einer Kette åchzet. In Zeiten des Bedürfnisses, in Gegenden der Noth verbünden sich Seelen; der sterbende Freund ruft den Freund um Rache seines Blutes an, und freut sich, ihn hinterm Grabe mit demselben wieder zu finden. Mit unauslöschlicher Flamme brennet dieser, den Schatten seines Freundes zu versöhnen, ihn aus dem Gefängniß zu befreien, ihm beizustehen im Streit und das Glück des Rühms mit ihm zu theilen. Ein gemeinschaftlicher Stamm kleiner Völker ist nichts als ein also verbündeter Chor von Blutsfreunden, die sich von andern Geschlechtern in Haß oder in Liebe scheiden. So sind die arabischen, so sind manche tatarische Stämme und die meisten amerikanischen Völker. Die blutigsten Kriege zwischen ihnen, die eine Schande der Menschheit scheinen, entsprangen zuerst aus dem edelsten Gefühl der beleidigten Stammesehre oder einer gekränkten Stammesfreundschaft.

Weiterhin und auf die verschiednen Regierungsformen weiblicher oder månnlicher Regenten der Erde lasse ich mich jezt und hier noch nicht ein. Denn da aus den bisher angezeigten Gründen es sich noch nicht erklären läßt: warum Ein Mensch durchs Recht der Geburt über tausende seiner Brüder herrsche? warum er ihnen ohne

Vertrag und Einschränkung nach Willkür gebieten, tausende derselben ohne Verantwortung in den Tod liefern, die Schäße des Staats ohne Rechenschaft verzehren und gerade dem Armen darüber die bedrückendsten Auflagen thun dürfe ? da es sich noch weniger aus den ersten Anlagen der Natur ergiebt; warum ein tapfres und kühnes Volk, d. i. tausend edle Männer und Weiber oft die Füße eines Schwachen küssen und den Scepter anbeten, womit ein Unsinniger sie blutig schlågt? welcher Gott oder Dåmon es ihnen eingegeben, eigne Vernunft und Kräfte, da oft Leben und alle Rechte der Menschheit der Willkür Eines zu überlassen und es sich zur höchsten Wohlfahrt und Freude zu rechnen, daß der Despot einen künftigen Despoten zeuge? — Da, sage ich, alle diese Dinge dem ersten Anblick nach die verworrensten Räthsel der Menschheit scheinen und glücklicher oder unglücklicher Weise der größeßte Theil der Erde diese Regierungsformen nicht kennet; so können wir sie auch nicht unter die ersten, nothwendigen, allgemeinen Naturgeseße der Menschheit rechnen. Mann und Weib, Vater und Sohn, Freimd und Feind sind bestimmte Verhältnisse und Namen; aber Führer und König, ein erblicher Gesetzgeber und Richter, ein willkürlicher Gebieter und Staatsverweser für sich und alle seine noch Ungebornen diese Begriffe wollen eine andre Entwicklung, als wir ihnen hier zu geben vermögen. Genug, daß wir die Erde bisher als ein Treibhaus natürlicher Sinne und Gaben, Geschicklichkeiten und Künste, Seelenkräfte und Tugenden in ziemlich großer Verschiedenheit derselben bemerkt haben; wiefern sich nun der Mensch dadurch Glückfeligkeit zu bauen berechtigt oder fähig sei, ja wo irgend der Maaßstab zu ihr liege?.dies lasset uns jeßo erwägen.

V.

Die Glückseligkeit der Menschen ist allenthalben ein individuelles Gut; folglich allenthalben klima: tisch und organisch, ein Kind der Nebung, der Tradition und Gewohnheit.

Schon der Name Glückseligkeit deutet an, daß der Mensch keiner reinen Seligkeit fähig sei, noch sich dieselbe erschaffen möge; er selbst

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