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die Sprache gebildet. Nun kann, wenn man nicht etwa die Scythen ausnahme, die auch ein asiatisches Volk waren, keine europäische Nation sich eines selbsterfundenen Alphabets rühmen: sie stehen hierin als Barbaren den Negern und Amerikanern zur Seite. Asten allein hatte Schrift, und zwar schon in den åltesten Zeiten. Die erste gebildete Nation Europa's, die Griechen, bekamen ihr Alphabet von einem Morgenländer; und daß alle andre Buchstabencharaktere der Europåer abgeleitete oder verdorbene Züge der Griechen sind, zeigen die Büttnerschen Tafeln f). Auch der Aegypter ålteste Buchstabenschrift auf ihren Mumien ist phönizisch und so wie das koptischè Alphabet verdorben-griechisch ist. Unter den Negern und Amerikanern ist an keine selbsterfundene Schrift zu denken: denn unter diesen stiegen die Merikaner über ihre rohen Hieroglyphen, und Peruaner über ihre Knotenstricke nicht auf. Asien dagegen hat die Schrift in Buchstaben und Kunsthieroglyphen gleichsam erschöpft, so daß man unter seinen Schriftzügen beinahe alle Gattungen findet, wie die Rede der Menschen gefesselt werden konnte. Die bengalische Sprache hat 50 Buchstaben und 12 Vocale: die sinesische hat aus ihrem Walde von Zügen nicht minder als 112 zu Lautbuchstaben und 36 zu Mitlautern erwählet. So geht es durch die tibetanische, singalefische, marattische, mandschurische Alphabete sogar mit vers schiednen Richtungen der Zeichen. Einige der asiatischen Schriftarten sind offenbar so alt, daß man bemerkt, wie sich die Sprache selbst mit und zu ihnen gebildet habe; und die einfach - schöne Schrift auf den Ruinen von Persepolis verstehen wir noch gar nicht.

Treten wir von dem Werkzeuge der Cultur zur Cultur selbst; wo wåre dieselbe früher entstanden, ja wo håtte ste früher entstehen· können, als in Aften? von da sie sich auf bekannten Wegen weiter umhergebreitet. Die Herrschaft über die Thiere war dazu einer der ersten Schritte, und sie steigt in diesem Welttheil über alle Revolutionen der Geschichte hinauf. Nicht nur, daß, wie wir gesehen haben, dies Urgebirge der Welt die meisten und zåhmbarsten Thiere hatte; die Gesellschaft der Menschen hat dieselben auch so frühe gezähmt, daß unsre nugbarsten Thiergeschlechter, Schaaf, Hund

f) Siehe Vergleichungstafeln der Schriftarten verschiedner Völker von Büttner, Göttingen, 1771.

und Ziege gleichsam nur aus dieser Bezähmung entstanden, und eigentlich also neue Thiergattungen der asiatischen Kunst sind. Will man sich in den Mittelpunkt der Vertheilung gezähmter Thiere stellen, so trete man auf die Höhe von Asien; je entfernter von ihm (im Großen der Natur gerechnet), desto minder gezähmte Thiere. In Asten bis auf seine Süd- Inseln ist alles voll derselben; in Neuguinea und Neuseeland fand sich nur der Hund und das Schwein, in Neukaledonien der Hund allein, und in dem ganzen weiten Amerifa waren das Guaniks und Lakma die einzigen gezähmten Thiere. Auch sind die besten Gattungen derselben in Asien und Afrika von der schönsten edelsten Art. Der Dschiggetai und das arabische Pferd, der wilde und zahme Esel, der Argali und das Schaaf, der wilde Bock und die Angora- Ziege sind der Stolz ihres Geschlechts: der klügste Elephant ist in Asien von frühen Zeiten an auf's künftlichste gebraucht, und das Kameel war diesem Welttheil unentbehrlich. In der Schönheit einiger dieser Thiere tritt Afrika zunächst an Asiens Seite; im Gebrauch derselben aber steht es ihm noch jezt weit nach. Alle seine gezähmten Thiere hat Europa Asten zu danken; was unserm Welttheil eigen ist, find 15 bis 16 Arten größtentheils Mäuse und Fledermause ).

Mit der Cultur der Erde und ihrer Gewächse war es nicht anders; da ein großer Theil vou Europa noch in sehr spåten Zeiten ein Wald war, und seine Einwohner, wenn sie von Vegetabilien leben sollten, wohl nicht anders, als mit Wurzeln und wilden - Kräutern, mit Eicheln und Holzåpfeln nåhren konnte. In manchen Erdstrichen Asiens, von denen wir reden, wächst das Getreide wild ; und der Ackerbau ist in ihm von undenklichem Alter. Die schönsten Früchte der Erde, den Weinstock und die Olive, Citronen und Feigen, Pomeranzen und all unser Obst, Kastanien, Mandeln, Nüsse u. f. hat Asien zuerst nach Griechenland und Afrika, sodann fernerhin verpflanzet; einige andre Gewächse hat uns Amerika gegeben, und bei den meisten wissen wir sogar den Ort der Herkunft, so wie die Zeit der Wanderung und Verpflanzung. Also auch diese Geschenke der Natur waren dem Menschengeschlechte nicht anders,

g) S. Zimmermanns geographische Geschichte der Menschen, Ch. 3. G. 183.

als durch den Weg der Tradition beschieben. Amerika bauete keinen Wein: auch in Afrika haben ihn nur europäische Hände gepflanzet.

Daß Wissenschaften und Künste zuerst in Asien und seinem Grenzlande Aegypten gepflegt sind, bedarf keiner weitläuftigen Erweise: Denkmale und die Geschichte der Völker sagen es, und Goguets h) zeugnißführendes Werk ist in aller Hånden. Nügliche und schöne Künste hat dieser Welttheil, hie oder da, allenthalben aber nach seinem ausgezeichneten asiatischen Geschmack frühe getrieben, wie die Ruinen Persepolis und der indischen Tempel, die Pyramiden Aegyptens und so viel andre Werke, von denen wir Reste oder Sagen haben, beweisen: fast alle reichen sie weit über die europäische Cultur hinaus und haben in Afrika und Amerika nichts ihres Gleichen. Die hohe Poesie mehrerer süd - asiatischen Völker ist weltbekannt i), und je ålter hinauf, desto mehr erscheint sie in einer Würde und Einfalt, die durch sich selbst den Namen der Göttlichen verdienet. Welcher scharfsinnige Gedanke, ja ich möchte sagen, welche dichterische Hypothese ist in eines spåten Abendländers Seele gekommen, zu welcher sich nicht der Keim in eines frühern Morgenländers Ausspruch oder Einkleidung fånde? sobald nur irgend der Anlaß dazu in seinem Gesichtskreise lag. Der Handel der Asiaten ist der ålteste auf der Erde; und die wichtigsten Erfindungen darin sind die ihren. So auch die Astronomie und Zeitrechnung, wer ist, der auch ohne die mindeste Theilnehmung an Bailly's Hypothesen, nicht über die frühe und weite Verbreitung mancher astronomischen Bemerkungen, Eintheilungen und Handgriffe erstaunte, die man den åltesten Völkern Asiens schwerlich abläugnen fönnte k)? Es ist, als ob ihre ältesten Weisen, vorzüglich die Weisen des Himmels, Bemerker der stillefortschreitenden Zeit gewesen, wie denn auch noch jeßt, im tiefen Verfall mancher Nationen dieser rechnende, zählende Geist unter ihnen seine Wirkung äußert 1). Der

h) Vom Ursprung der Geseße, Künste und Wissenschaften. Lemgo, 1770. 4. i) S. Jones poeseos Asiatic, commentar. edit. Eichhorn Lps. 1777. k) S. Bailly's Gesch. der Sternkunde des Alterthums, Leipzig 1777. 1) S. le Gentils Reisen in Ebelings Sammlung, Th. 2. S. 406. u. f. Walthers doctrina temporum Indica hinter Begers histor. regni Graecor. Bactriani, Petrop. 1738. u. f. f.

Bramin rechnet ungeheure Summen im Gedächtniß: die Eintheilungen der Zeit sind ihm vom kleinsten Maaß bis zu großen Himmelsrevolutionen gegenwärtig, und er trügt sich, ohne alle europäische Hülfsmittel, darin nur wenig. Die Vorwelt hat ihm in Formeln hinterlassen, was er jezt nur anwendet; denn auch unsre Jahrrechnung ist ja asiatisch, unsre Ziffern und Sternbilder sind ågyptischen oder indischen Ursprungs.

:: Wenn endlich die Regierungsformen die schwerste Kunst der Cultur find: wo hat es die ältesten, größesten Monarchieen gegeben? wo haben die Reiche der Welt den festesten Bau gefunden? Seit Jahrtausenden behauptet Sina noch seine alte Verfassung, und ohngeachtet das unkriegerische Volk von tatarischen Horden mehrmals überschwemmt worden, so haben die Besiegten dennoch immer die Sieger bezähmt und sie in die Fesseln ihrer alten Verfassung geschmiedet; welche Regierungsform Europen's könnte sich dessen rühmen? Auf den tibetanischen Bergen herrscht die älteste Hierofratie der Erde, und die Casten der Hindus verrathen durch die eingewurzelte Macht, die dem sanftesten Volk seit Jahrtausenden zur Natur geworden ist, ihre uralte Einrichtung. Am Euphrat und Tigris, so wie am Nilstrom und an den medischen Bergen greifen schon in den åltesten Zeiten gebildete kriegerische oder friedliche Monarchieen in die Geschichte der westlichen Völker: sogar auf den tatarischen Höhen hat sich die ungebundne Freiheit der Horden mit einem Despotismus der Khane zusammengewebt, der manchen europäischen Regierungsformen die Grundanlage gegeben. Von allen Seiten der Welt, je mehr man sich Asien nahet, desto mehr nahet man festgegründeten Reichen, deren unumschränkte Gewalt seit Jahrtausenden sich in die Denkart der Völker so eingeprågt, daß der König von Siam über eine Nation, die keinen König håtte, als über eine hauptlose Mißgeburt lachte. In Afrika sind die festesten Despotieen Asten nahe; je weiter hinab, desto mehr ist die Tyrannei noch im rohen Zustande, bis sie sich endlich unter den Kaffern in den patriarchalischen Hirtenzustand verlieret. Auf dem südlichen Meer, je nåher Asien, desto mehr sind Künste, Handwerke, Pracht, und der Gemahl der Pracht, der königliche Despotismus, in alter Uebung; je weiter von ihm entfernt, auf den entlegnen Inseln, in Amerika oder gar am dürren Rande der Südwelt kommt in einem

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rohern Zustande die einfachere Verfassung des Menschengeschlechts, die Freiheit der Stämme und Familien wieder; so daß einige Geschichtforscher selbst die beiden Monarchieen Amerika's, Merico und Peru aus der Nachbarschaft despotischer Reiche Aftens hergeleitet haben. Der ganze Anblick des Welttheils verråth also, zumal um die Gebirge, die älteste Bewohnung, und die Traditionen dieser Völker mit ihren Zeitrechnungen und Religionen gehen, wie bekannt ist, in die Jahrtausende der Vorwelt. Alle Sagen der Europåer und Afrikaner (bei welchen ich immer Aegypten ausnehme), noch mehr der Amerikaner und der westlichen Südsee Inseln sind nichts als verlorne Bruchstücke junger Mährchen gegen jene Riesengebäude alter Kosmogenien in Indien, Tibet, dem alten Chaldåa und selbst dem niedrigern Aegypten: zerstreute Laute der verirrten Echo gegen die Stimme der asiatischen Urwelt, die sich in die Fabel verlieret.

Wie also, wenn wir dieser Stimme nachgingen, und da die Menschheit kein Mittel der Bildung als die Tradition hat, diese bis zum Urquell zu verfolgen suchten? Freilich ein trüglicher Weg, wie wenn man dem Regenbogen oder der Echo nachliefe: denn so wenig ein Kind, ob es gleich bei seiner Geburt war, dieselbe zu erzählen weiß, so wenig dürfen wir hoffen, daß uns das Menschengeschlecht von seiner Schöpfung und ersten Lehre, von der Erfindung der Sprache und seinem ersten Wohnsiz historisch -strengè Nachrichten zu geben vermöge. Indessen erinnert sich doch ein Kind aus seiner spåtern Jugend wenigstens einiger Züge; und wenn mehrere Kinder, die zusammen erzogen, hernach getrennt wurden, Dasselbe oder ein Aehnliches erzählen, warum sollte man ste nicht hören ? warum nicht über das, was ste sagen oder zurückträumen, wenigstens nachsinnen wollen, zumal wenn man keine andern Documente haben könnte. Und da es der unverkennbare Entwurf der Vorsehung ist, Menschen durch Menschen, d. i. durch eine fortwirkende Tradition zu lehren: so lasset uns nicht zweifeln, daß sie uns auch hierin so viel werde gegönnet haben, als wir zu wissen bedürfen.

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