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nun sehe, daß der Raum, den diese Erde in unserm Sonnentempel einnimmt, die Stelle, die sie in ihrem Umlauf bezeichnet, ihre Größe, ihre Masse, nebst allem, was davon abhängt, durch Geseze bestimmt ist, die im unermeßlichen wirken: so werde ich, wenn ich nicht gegen das Unendliche rasen will, nicht nur auf dieser Stelle zufrieden sein und mich freuen, daß ich auf ihr ins harmoniereiche Chor zahlloser Wesen getreten, sondern es wird auch mein erhabenstes Geschäft sein, zu fragen, was ich auf dieser Stelle sein soll und vermuthlich nur auf ihr sein kann? Fånde ich auch in dem, was mir das Eingeschränkteste und Widrigste scheint, nicht nur Spuren jener großen bildenden Kraft, sondern auch offenbaren Zusammenhang des Kleinsten mit dem Entwurf des Echöpfers in's Ungemessene hinaus: so wird es die schönste Eigenschaft meiner Gott nachahmenden Vernunft sein, diesem Plan nachzugehen und mich der himmlischen Vernunft zu fügen. Auf der Erde werde ich also keine Engel des Himmels suchen, deren keinen mein Auge je gesehen hat; aber Erdbewohner, Menschen werde ich auf ihr finden wollen und mit allem vorlieb nehmen, was die große Mutter hervorbringt, trågt, nåhrt, duldet und zuleht liebreich in ihren Schooß aufnimmt. Ihre Schwestern, andre Erden, mögen sich andrer, auch vielleicht herrlicherer Geschöpfe rühmen und freuen können; genug, auf ihr lebt, was auf ihr leben kann. Mein Auge ist für den Sonnenstrahl in dieser und keiner andern Sonnenentfernung, mein Ohr für diese Luft, mein Körper für diese Erdmasse, alle meine Sinne aus dieser und für diese Erdorganisation gebildet; dem gemäß wirken auch meine Seelenkräfte; der ganze Raum und Wirkungskreis meines Geschlechts ist also so fest bestimmt und umschrieben, als die Masse und Bahn der Erde, auf der ich mich ausleben soll: daher auch in vielen Sprachen der Mensch von seiner Mutter Erde den Namen führt. Je in einen größern Chor der Harmonie, Güte und Weisheit aber diese meine Mutter gehört, je fester und herrlicher die Geseze sind, auf der ihr und aller Welten Dasein ruhet, je mehr ich bemerke, daß in ihnen Alles aus Einem folgt und Eins zu Allem dienet: desto fester finde ich auch mein Schicksal nicht an den Erdenstaub, sondern auch an die unsichtbaren Geseze geknüpft, die den Erdenstaub regieren. Die Kraft, die

in mir denkt und wirkt, ist ihrer Natur nach eine so ewige Kraft, als jene, die Sonnen und Sterne zusammenhält: ihr Werkzeug kann sich abreiben, die Sphäre ihrer Wirkung kann sich ändern, wie Erden sich abreißen und Sterne ihren Play ändern; die Geseze aber, durch die sie da ist und in andern Erscheinungen wieder kommt, åndern sich nie. Ihre Natur ist ewig, wie der Verstand Gottes und die Stüßen meines Daseins (nicht meiner förperlichen Erscheinung) sind so fest, als die Pfeiler bes Weltalls. Denn alles Dasein ist sich gleich, ein untheilbarer Begriff; im Größesten sowohl als im Kleinsten auf Einerlei Geseze gegründet. Der Bau des Weltgebäudes sichert also den Kern meines Daseins, mein inneres Leben, auf Ewigkeiten hin. Wo und wer ich sein werde, werde ich sein, der ich jezt bin, eine Kraft im System aller Kräfte, ein Wesen in der unabsehlichen Harmonie einer Welt Gottes.

II.

Unfre Erde ist einer der mittleren Planeten. Die Erde hat zwei Planeten, den Merkur und die Venus, unter fich; den Mars (und wenn vielleicht über ihm noch einer versteckt ist) den Jupiter, Saturn, Uranus über sich; und was für andere noch da sein mögen, bis sich der regelmäßige Wirkungskreis der Sonne verliert und die eccentrische Bahn des leßten Planeten in die wilde Ellipse der Kometenbahnen hinüberspringt. Sie ist also ́ ein Mittelgeschöpf, so wie der Stelle nach, so auch an Größe, an Verhältniß und Dauer ihres Umschwungs um sich und ihres Umlaufs um die Sonne; jedes Aeußerste, das Größeste und Kleinste, das Schnellste und Langsamste ist zu beiden Seiten von ihr entfernt. So wie nun unsre Erde zur astronomischen Uebersicht des Ganzen vor andern Planeten eine bequeme Stelle hat b): so wåre es schön, wenn wir nur Einige Glieder dieses erhabenen Sternenverhältnisses näher kennten. Eine Reise in den Jupiter, die

b) Kästner's Lob der Sternkunst. Hamb. Magaz. Th. I. S. 206 u. f.

Venus, oder auch nur in unsern Mond, würde uns über die Bildung unsrer Erde, die doch mit ihnen nach Einerlei Geseßen entstanden ist, über das Verhältniß unsrer Erdegeschlechter zu den Organisationen anderer Weltkörper, von einer höhern oder von einer tiefern Art, vielleicht gar über unsre zukünftige Bestimmung so manchen Aufschluß geben, daß wir nun kühner aus der Beschaffenheit von zwei oder drei Gliedern auf den Fortgang der ganzen Kette schließen könnten. Die etnschrånkende, festbestimmende Natur hat uns diese Aussicht versagt. Wir sehen den Mond an, betrachten seine ungeheuren Klüfte und Berge: den Jupiter, und bemerken seine wilden Revolutionen und Streifen: wir sehen den Ring des Saturns, das röthliche Licht des Mars, das fanftere Licht der Venus, und råthseln daraus, was wir glücklich oder unglücklich daraus zu ersehen meinen. In. den Entfernungen der Planeten herrscht Proportion; auch auf die Dichtigkeit ihrer Masse hat man wahrscheinliche Schlüsse gefolgert, und damit ihren Schwung, ihren Umlauf in Verbindung zu bringen gesucht; alles aber nur mathematisch; nicht physisch, weil uns außer unsrer Erde ein zweites Glied der Vergleichung fehlt. Das Verhältniß ihrer Größe, ihres Schwunges, ihres Umlaufs, z. B. zu ihrem Sönnenwinkel, hat noch keine Formel gefunden, die auch hier Alles aus Einem und demselben cosmogonischen Geset erkläre. Noch weniger ist uns bekannt, wie weit ein jeder Planet in seiner Bildung fortgerückt sei, und am wenigsten wissen wir von der Organisation und dem Schicksal seiner Bewohner. Was Kircher und Schwedenborg davon getråumt, was Fontenelle darüber gescherzt, was Hugens, Lambert und Kant davon, jeder auf seine Weise, gemuthmaaßt haben, find Erweise, daß wir davon nichts wissen können, nichts wissen sollen. Wir mögen mit unsrer Schäßung herauf- oder herabsteigen; wir mögen die vollkommnern Geschöpfe der Sonne nah oder ihr fern sezen; so bleibt alles ein Traum, der durch den Mangel der Fortschreitung in der Verschiedenheit der Planeten beinah Schritt vor Schritt gestört wird und uns zuleßt nur das Resultat giebt: daß überall, wie hier, Einheit und Mannichfaltigkeit herrsche, daß aber unser Maaß des Verstandes, so wie unser Winkel des Anblicks, uns zur Schäßung des Fort- und Zurückganges durchaus

keinen Maaßstab gebe. Wir sind nicht im Mittelpunkt, sondern im Gedränge; wir schiffen, wie andre Erden, im Strom umher, und haben kein Maaß der Vergleichung.

Dürfen und sollen wir indeß aus unserm Standpunkt zur Sonne, dem Duell alles Lichtes und Lebens in unsrer Schöpfung, vor- und rückwärts schließen: so ist unsrer Erde das zweideutige goldne Loos der Mittelmäßigkeit zu Theil worden, die wir wenige stens zu unserm Trost als eine glückliche Mitte traumen mögen. Wenn Merkur den Schwung um seine Are, mithin seine Tagund Nachtrevolution vielleicht in 6 Stunden, sein Jahr in 88 Tagen vollbringt, und sechsmal stårker von der Sonne erleuchtet wird, als wir: wenn Jupiter dagegen seine weite Bahn um die Eonne in 11 Jahren und 313 Tagen vollendet, und dennoch seine Tag - und Nachtzeit in weniger als 10 Stunden zurücklegt: wenn der alte Saturn, dem das Licht der Sonne hundertmal schwächer scheint, kaum in 30 Jahren um die Sonne kommt und abermals sich vielleicht in 7 Stunden um seine Are dreht; so sind wir mittlere Planeten, Erde, Mars und Venus, von mittlerer Natur. Unser Tag ist wenig von einander, von den Tagen der andern aber so sehr verschieden, als umgekehrt unsre Jahre. Auch der Tag der Venus ist beinah 24 Stunden; des Mars nicht 25 lang. Das Jahr der ersten ist von 224, des leßten von 1 Jahr und 322 Tagen, ob er gleich 3 mal kleiner als die Erde und um mehr als die Hälfte von der Sonne entfernt ist; weiterhin gehen die Verhältnisse der Größe, des Umschwungs, der Entfernung kühn auseinander. Auf Einen der drei Mittelplaneten hat uns also die Natur geseßt, auf denen auch ein mittleres Verhältniß und eine abgewogenere Proportion, so wie der Zeiten und Räume, so vielleicht auch der Bildung ihrer Geschöpfe zu herrschen scheint. Das Verhältniß unsrer Materie zu unserm Geist ist vielleicht so aufwiegend gegen einander, als die Långe unsrer Tage und Nächte. Unsre Gedankenschnelligkeit ist vielleicht im Maaß des Umschwunges unsres Planeten um sich selbst und um die Sonne zu der Schnelligkeit oder Langsamkeit andrer Sterne; so wie unsre Sinne offenbar im Verhältniß der Feinheit von Dre ganisation stehen, die auf unsrer Erde fortkommen konnte und sollte. Zu beiden Seiten hinaus giebt es wahrscheinlich die größesten

Divergenzen. Lasset uns also, so lange wir hier leben, auf nichts als auf den mittelmäßigen Erdeverstand und auf die noch viel zweideutigere Menschentugend rechnen. Wenn wir mit Augen des Merkurs in die Sonne sehen und auf seinen Flügeln um sie fliegen könnten; wenn uns mit der Raschheit des Saturns und Jupiters um sich selbst, zugleich ihre Langsamkeit, ihr weiter großer Umfang gegeben wåre; oder wenn wir auf dem Haar der Kometen, der größesten Wärme und Kälte gleich empfångig, durch die weiten Regionen des Himmels schiffen könnten; dann dürften wir von einem andern, weitern oder engern, als dem proportionirten Mittelgleise menschlicher Gedanken und Kräfte reden. Nun aber, wo und wie wir sind, wollen wir diesem mildeproportionir-, ten Gleise treu bleiben; er ist unsrer Lebensdauer wahrscheinlich gerade gerecht.

Es ist eine Aussicht, die auch die Seele des trägsten Menfchen erwecken kann, wenn wir uns einst auf irgend eine Weise im allgemeinen Genuß dieser uns jezt versagten Reichthümer der bildenden Natur gedenken: wenn wir uns vorstellen, daß vielleicht, nachdem wir zur Summe der Organisation unsres Planeten gelangt sind, ein Wandelgang auf mehr als Einem andern Etern das Loos und der Fortschritt unsres Schicksals sein könnte, oder daß es endlich vielleicht gar unsre Bestimmung wåre, mit allen zur Reife gelangten Geschöpfen so vieler und verschiedener Schwesterwelten Umgang zu pflegen. Wie bei uns unsre Gedanken und Kräfte offenbar nur aus unsrer Erdorganisation keimen und sich so lange zu verändern und zu verwandeln streben, bis sie etwa zu der Reinigkeit und Feinheit gediehen sind, die diese unsre Schöpfung gewähren kann; so wird's, wenn die Analogie unsre Führerin sein darf, auf andern Sternen nicht anders sein; und welche reiche Harmonie läffet sich gedenken, wenn so vers schieden gebildete Wesen alle zu Einem Ziele wallen ) und sich einander ihre Empfindungen und Erfahrungen mittheilen. Unser Verstand ist nur ein Verstand der Erde, aus Sinnlichkeiten, die uns

c) Von der Sonne, als einem vielleicht bewohnbaren Körper: f. Bóden's Gedanken über die Natur der Sonne in den Beschäftig. der berlin'schen Gesellsch. naturforschender Freunde, B. 2. S. 225.

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