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treibet. Wohlthätig hat die Natur seine Sinne gestumpft: sein Ge sicht fürchtet das Feuer, da es auch den Glanz der Sonne nicht er trågt: ›er wittert nicht scharf, weil er auch, der Lage seiner Muskeln nach, nur zum mächtigen Sprung, nicht zum Lauf gemacht ist und keine Fäulung ihn reizt. Die überdeckte gefurchte Stirn ist klein ges gen den Untertheil des Gesichts, die Raubknochen und Freßmuskeln. Plump und lang ist seine Nase: eisern sein Nacken und Vorderfuß: ansehnlich seine Mähne und Schweifmuskeln; - der Hinterleib hingegen ist schwächer und feiner. Die Natur hatte ihre furchtbare Kräfte verbraucht und machte ihn in Geschlecht, auch sonst, wenn ihn sein Blutdurst nicht quålt, zu einem sanften und edlen Thier. So physiologisch ist also auch dieses Geschöpfs Art und Seele.

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Ein drittes Beispiel mag der Un'au sein, dem Ansehen nachh das lezte und ungebildetste der vierfüßigen Thiere: ein Klumpe des Schlammes, der sich zur thierischen Organisation erhoben. Klein ift sein Kopf und rund; auch alle Glieder desselben rund und dick, unausgebildet und wulstig. Sein Hals ist ungelenk; gleichsam Ein Stück mit dem Kopf. Die Haare desselben begegnen sich mit dem Rückenhaar, als ob die Natur das Thier in zweierlei Richtungen formirt habe, ungewiß, welche sie wählen sollte. Sie wählte endlich den Bauch und Hintern zum Haupttheil, dem auch in der Stellung, Gestalt und ganzen Lebensweise der elende Kopf_nur dienet. Der Wurf liegt am After; Magen und Gedårm füllen sein Juneres: Herz, Lunge, Leber sind schlecht gebildet, und die Galle scheint ihm noch gar zu fehlen. Sein Blut ist so kalt, daß es an die Amphibien grenzet; daher sein ausgerissenes Herz und sein Einges weide noch lange schlägt, und das Thier, auch ohne Herz, die Beine zuckt, als ob es in einem Schlummer låge. Auch hier bemerken wir also die Compensation der Natur, daß, wo sie empfindsame Nerven, selbst rege Muskelkråfte versagen mußte, sie desto inniger den zähen Reiz ausbreitete und mittheilte. Dies vornehme Thier also mag unglücklicher scheinen, als es ist. Es liebt die Wärme, es liebt die schlaffe Ruhe und befindet sich in beiden schlammartig wohl. Wenn es nicht Wärme hat, schläft es; ja als ob ihm auch das Liegen schmerzte, hångt es sich mit der Kralle an den Baum, frißt mit der andern Kralle, und genießt, wie ein hangender Sack, im warmen Sonnenschein sein raupenartiges Leben. Die Unförm

lichkeit seiner Füße ist auch Wohlthat. Das weiche Thier darf sich), vermittelst seines sonderbaren Baues, nicht einmal auf die Ballen, sondern nur auf die Converitåt der Klaue, wie auf Råder des Wagens, stüßen, und schiebt sich also langsam und gemächlich weiter. Seine sechs und vierzig Ribben, dergleichen kein andres vierfüßiges Thier hat, sind ein langes Gewölbe seines Speisemagazins und, wenn ich so sagen darf, die zu Wirbeln verhärteten Ringe eines fressenden Blättersacks einer Raupe.

: Genug der Beispiele. Es erhellt, wohin der Begriff einer Thierseele und eines Thierinstinkts zu sehen sei, wenn wir der Phyfiologie und Erfahrung folgen. Jene nämlich ist die Summe und das Resultat aller, in einer Organisation wirken den, lebendigen Kräfte. Dieser ist die Richtung, die die Natur jenen såmmtlichen Kräften dadurch gab, daß sie sie in eine solche und keine andere Temper ratur stellte: daß sie sie zu diesem und keinem andern Bau organisirte.

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Wir haben über die Triebe der Thiere ein vortreffliches Buch des feligen Reimarus i), das, so wie sein andres, über die natúrliche Religion, ein bleibendes Denkmal feines forschenden Geistes und seiner gründlichen Wahrheitsliebe sein wird. Nach gelehrten und ordnungsvollen Betrachtungen über die mancherlei Arten der thierischen Triebe sucht er dieselbe aus Vorzügen ihres Mechanismus, ihrer Sinne und ihrer innern Empfindung zu erklären; glaubt aber noch, insonderheit bei den Kunsttrieben, besondere determinirte Naturkräfte und natürlich angeborne Fähigkeiten

i) Reimarus allgemeine Betrachtungen über die Triebe der Thiere. Hamb. 1773. Ingleichen angefangene Betrachtungen über die besondern Arten der thierischen Kunsttriebe: venen auch I. A. H. Reimarus reiche und schöne Abhandlung über die Natur der Pflanzenthiere beigefügt ist.

annehmen zu müssen, die weiter keine Erklärung leiden. Ich glaube das lezte nicht; denn die Zusammensegung der ganzen Maschine mit solchen und keinen andern Kräften, Einnén, Vorstellungen und Empfindungen, kurz, die Organisation des Geschöpfs felbst war die gewisseste Richtung, die vollkom in en ste Determination, die die Natur ihrem Werk eindrücken konnté.

Als der Schöpfer die Pflanze baute, und dieselbe mit solchen Theilen, mit solchen Anziehungs- und Verwandlungskräften des Lichts, der Luft und andrer feinen Wesen, die sich aus Luft und Wasser zu ihr drången, begabte: da er sie endlich in ihr Element pflanzte, wo jeder Theil die ihm wesentlichen Kräfte natürlich åußert, so hatte er, dünkt midy, keinen neuen und blinden Trieb zur Vegetation dem Geschöpf anzuschaffen nöthig. 'Jeder Theil ́mit seiner lebendigen Kraft thut das Seine, und so wird bei der ganzen Erscheinung das Resultat von Kråften sichtbar, das sich in solcher und keiner andern Zusammenfeßung offenbaren konnte. Wirkende Kräfte der Natur sind alle, jede in ihrer Art, lebendig: in ihrem Innern muß ein Etwas sein, das ihren Wirkungen von außen entspricht; wie es auch Leibniz annahm und uns die ganze Analogie zu lehren scheint. Daß wir für diesen innern Zustand der Pflanze, oder der noch unter ihr wirkenden Kräfte keinen Namen haben, ist Mangel unsrer Sprache: denn Empfindung wird allerdings nur von dem innern Zustande gebraucht, den uns das Nervensystem gewährt. Ein dunkles Analogon indessen mag da sein, und wenn es nicht da wåre: so würde uns ein neuer Trieb, eine dem Ganzen zugegebene Kraft der Vegetation nichts lehren.

Zwei Triebe der Natur werden also schon bei der Pflanze sichtbar, der Trieb der Nahrung und Fortpflanzung; und das Resultat derselben sind Kunstwerke, an welche schwerlich das Geschäft irgend eines lebendigen Kunstinsekts reicht: es ist der Keim und die Blume. Sobald die Natur die Pflanze oder den Stein in's Thierreich überführet, zeigt sie uns deutlicher, was es mit den Trieben organischer Kräfte sei? Der Polyp scheint wie die Pflanze zu blühen, und ist Thier: er sucht und genießet seine Speise thierartig; er treibt Schößlinge und es sind lebendige Thiere: er erstattet sich, wo er sich erstatten kann das größeste Kunstwerk, das je ein Geschöpf vollführte. Gehet etwas über die Künstlichkeit eines Schneckenhauses ?

Die Zelle der Biene muß ihm nachstehn; das Gespinnst der Raupe und des Seidenwurms muß der künstlichen Blume weichen. Und wodurch arbeitete die Natur jenes aus? durch innere organische Kräfte, die,, noch wenig in Glieder getheilt, in einem Klumpen las gen, und deren Windungen sich meistens dem Gange der Sonne ge måß dies regelmäßige Gebilde formten. Theile von innen heraus gaben die Grundlage her, wie die Spinne den Faden aus ihrem Untertheile ziehet, und die Luft mußte nur hårtere oder gröbere Theile hinzubilden. Mich dünkt, diese Uebergänge lehren uns genugsam, worauf alle, auch die Kunsttriebe des künstlichsten Thiers beruhen ? nämlich auf organischen Kräften, die in dieser und keiz ner andern Masse, nach solchen und keinen andern' Gliedern wirken. Ob mit mehr oder weniger Empfindung? kommt auf die Nerven des Geschöpfs an; es giebt aber außer diesen noch regsame Muskelkräfte und Fibern voll wachsenden und sich wieder herstellenden Pflanzenlebens, welche zwei von den Nerven un-abhängige Gattungen der Kräfte dem Geschöpf genugsam erseßen, was ihm an Gehirn und Nerven abgeht.

Und so führet uns die Natur selbst auf die Kunsttriebe, die man vorzüglich einigen Insekten zu geben gewohnt ist; aus keiner andern Ursache, als weil uns ihr Kunstwerk enger ins Auge fållt, und wir dasselbe schon mit unsern Werken vergleichen. Je mehr die Werkzeuge in einem Geschöpf zerlegt sind, je lebendiger und feiner seine, Reize werden: desto weniger kann es uns fremde dünken, Wirkun gen wahrzunehmen, zu denen Thiere von gröberm Bau und von einer stumpferen Reizbarkeit einzelner Theile nicht mehr tüchtig sind, so viel andre Vorzüge sie übrigens haben mögen. Eben die Kleinheit des Geschöpfs und seine Feinheit wirkte zur Kunst; da diese nichts anders sein kann, als das Resultat aller seiner Empfindungen, Thätigkeiten und Reize.

Beispiele werden auch hier das Beste fagen; und der treue Fleiß eines Schwammerdam, Reaumur, Lyonet, Rösels u. a. haben uns die Beispiele auf's schönste vor's Auge gemalt. Das Einspinnen der Raupe, was ist es anders, als was so viele andre Geschöpfe unkünstlicher thun, indem sie sich håuten. Die Schlange wirft ihre Haut ab, der Vogel seine Federn, viele Landthiere åndern ihre Haare: sie verjüngen sich damit und erstatten ihre Kräfte.

Die Raupe verjünget sich auch, nur auf eine hårtere, feinere, künst lichere Weise; sie streift ihre Dornenhülle ab, daß einige ihrer Füße darán hangen bleiben, und tritt, durch langsame und schnellere Ulebergånge, in einen ganz neuen Zustand. Kräfte hierzu verlieh ihr ihr erstes Lebensalter, da sie als Raupe nur der Nahrung diente; jezt soll sie auch der Erhaltung ihres Geschlechts dienen, `und zur Gestalt hiezu arbeiten ihre Ringe und gebåren sich ihre Glieder. Die Natur hat also bei der Organisation dieses Geschöpfs Lebensalter und Triebe nur weiter auseinander gelegt und läßt sich dieselbe in eignen Uebergången organisch bereiten - dem Geschöpf so unwillkürlich, als der Schlange, wenn sie sich häutet.

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Das Gewebe der Spinne, was ist's anders, als der Spinne verlängertes Selbst, ihren Raub zu erhalten? Wie der Polyp die Arme ausstreckt, ihn zu fassen: wie sie die Krallen bekam, ihn fest zu halten; so erhielt sie auch die Warzen, zwischen welchen sie das Gespinnst hervorzieht, den Raub zu erfagen. Sie bekam diesen Saft ungefähr zu so vielen Gespinnsten, als auf ihr Leben hinreichen, und ist sie darin unglücklich, so muß sie entweder zu gewaltsamen Mitteln Zuflucht nehmen oder sterben. Der ihren ganzen Körper und alle demselben einwohnende Kräfte organisirte, ̈bildete

sie also zu diesem Gewebe organisch.

Die Republik der Biene sagt nichts anders. Die verschiedenen Gattungen derselben sind jede, zu ihrem Zweck gebildet, und sie sind in Gemeinschaft, weil keine Gattung ohne die andre leben könnte. Die Arbeitsbienen sind zum Honigsammeln und zum Bau der Zellen organisiret. Sie sammeln jenen, wie jedes Thier seine Speise sucht; ja wenn es seine Lebensart fordert, sie sich zum Vorrath zusammentrågt und ordnet. Sie bauen die Zellen, wie so viele andre Thiere sich ihre Wohnungen bauen, jedes auf seine Weise. Sie nåhren, da ste geschlechtlos sind, die Jungen des Bienenstocks, wie andre ihre eignen Jungen nähren, und tödten die Drohnen, wie jedes Thier ein andres tödtet, das ihm seinen Vorrath raubt und seinem Hause zur Last fällt. Wie dies alles nicht ohne Sinit und Gefühl geschehen kann: so ist es indeffen doch nur Bienensinn, Bienengefühl; weder der bloße Mechanismüs, den Buffon, noch die entwickelte mathematisch-politische Vernunft, die andre ihnen angedichtet haben. Ihre Seele ist in diese Organisation einge

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