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DAS RECHT

AUF DEN

VOLLEN ARBEITSERTRAG

IN

GESCHICHTLICHER DARSTELLUNG

VON

DR. ANTON MENGER,

ORD. PROFESSOR DER RECHTE AN DER WIENER UNIVERSITÄT.

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Alle Rechte,

insonderheit in Beziehung auf Uebersetzungen, sind von der Verlagshandlung vorbehalten.

Druck von Gebrüder Kröner in Stuttgart.

Vorrede.

Die vorliegende Schrift verfolgt den Zweck, die Grundideen des Socialismus vom juristischen Standpunkt aus zu bearbeiten. Sie ist ein Fragment aus einem grösseren Werk, in welchem ich den Socialismus als ein Rechtssystem darzustellen versuche. Erst wenn die socialistischen Ideen aus den endlosen volkswirtschaftlichen und philanthropischen Erörterungen, welche den Hauptinhalt der socialistischen Litteratur bilden, losgeschält und in nüchterne Rechtsbegriffe verwandelt sind, werden die praktischen Staatsmänner zu erkennen im Stande sein, wie weit die geltende Rechtsordnung im Interesse der leidenden Volksklassen umzubilden ist. In dieser juristischen Bearbeitung des Socialismus erblicke ich die wichtigste Aufgabe der Rechtsphilosophie unserer Zeit; ihre richtige Lösung wird wesentlich dazu beitragen, dass sich die unerlässlichen Abänderungen unserer Rechtsordnung im Wege einer friedlichen Reform vollziehen.

Grosse Schwierigkeiten verursachte es mir, die allmählige Entwicklung des Rechts auf den vollen Arbeitsertrag in der socialistischen Litteratur von der französischen Revolution bis auf die Gegenwart zu verfolgen. Man kann ohne Uebertreibung sagen, dass die geschichtliche Bearbeitung des Socialismus sich in einem Zustand befindet, welcher der deutschen Wissenschaft nichts weniger als zur Ehre gereicht. Die älteren geschichtlichen Darstellungen von Stein und Marlo beruhen noch auf einem freilich oberflächlichen und lückenhaften Quellenstudium. Die neueren Geschichtsschreiber des Socialismus haben sich dagegen damit begnügt, Reybaud, Stein und Marlo zu excerpieren oder einfach auszuschreiben, ohne auf die Quellen des englischen und französischen Socialismus zurückzugehen, obgleich in diesem der Ausgangspunkt für die sociale Bewegung der Gegenwart zu suchen ist. Natürlich hat dieses allen Regeln der Geschichtsschreibung widersprechende Verfahren zur Folge gehabt, dass unsere geschichtlichen Darstellungen des Socialismus einen fortwährend wachsenden Ballast von Irrtümern und Missverständnissen mitschleppen und dass manche derselben, obgleich sie den Namen von sehr angesehenen Gelehrten tragen, geradezu den Eindruck einer Travestie auf den behandelten Gegenstand machen. - Die vorliegende Entwicklungsgeschichte einer der fundamentalsten socialistischen Ideen ist überall, wo das Gegenteil nicht ausdrücklich bemerkt ist, unmittelbar aus den Quellen geschöpft.

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Die fast absolute Unkenntnis des englischen und des französischen Socialismus, namentlich der älteren Zeit, hat nicht wenig zu der übermässigen Wertschätzung beigetragen, welche die Schriften von Marx und Rodbertus gegenwärtig in Deutschland geniessen. Wenn Jemand dreissig Jahre nach dem Erscheinen von Adam Smith's Werk über den Nationalreichtum die Lehre von der Arbeitsteilung wieder entdeckt" hätte, oder wenn heute ein Schriftsteller die Entwicklungstheorie Darwin's als sein geistiges Eigentum vortragen wollte, so würde man ihn für einen Ignoranten oder für einen Charlatan halten. Nur auf dem Gebiete der Socialwissenschaft, welche eben einer geschichtlichen Tradition noch fast völlig entbehrt, sind erfolgreiche Versuche dieser Art denkbar. Ich werde in dieser Schrift den Nachweis führen, dass Marx und Rodbertus ihre wichtigsten socialistischen Theorien älteren englischen und französischen Theoretikern entlehnt haben, ohne die Quellen ihrer Ansichten zu nennen. Ja, ich nehme keinen Anstand zu erklären, dass Marx und Rodbertus, die man so gern als die Schöpfer des wissenschaftlichen Socialismus hinstellen möchte, von ihren Vorbildern an Tiefe und Gründlichkeit bei Weitem übertroffen werden.

Wie mangelhaft der historische und der dogmatische Teil dieser Arbeit ist, weiss Niemand besser als ich selbst. Die juristische Bearbeitung des Socialismus, dessen Schauplatz die ganze Welt und dessen Organe unzählige Schriftsteller,

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