Aber der Vater sprach: Woher weißt du solches? Ach, es dünkt mich wie eine Täuschung des Schmerzes. Da erhob sich die Mutter des Kindes und sprach: Mein Herz verbürgt mir die Wahrheit. Siebe, meine Mutterliebe ist ewig. Sollte des Ewigen Vaterliebe uns täuschen? 199. Die Thränen. Hillel wandelte in einer mond- und sternhellen Nacht mit seinem Jünger Sadi zwischen den Gärten des Del= berges. Da sprach Sadi: Siehe dort den Mann im Strahl des Mondes; was beginnt er? Hillel sprach: Es ist Zadok, er sizet an dem Grabe seines Sohnes und weinet. Kann denn, Zadok, sprach der Jüngling, seine Trauer nicht mäßigen? Das Volk nennet ihn den Gerechten und Weisen. . . Hillel sprach: Soll er darum den Schmerrz nicht empfinden? Aber, fragte Sadi, welchen Vorzug hat dann der Weise vor dem Thoren? Da antwortete der Lehrer: Siehe, die bittere Thräne seines Auges sinket zur Erde, aber sein Antlig ist dem Himmel zugewendet. 200. Die Vollendung. Amos besuchte eines Tages feinen Freund Bildad, und stehe, er fand ihn sein graues Haupt auf beide Hände gestüßt und bitterlich weinend. Da sprach Amos zu seinem Freunde: Was weinest du? Vildad aber zeigte mit der Hand auf ein Bett, das stand in der Kammer, und auf dem Bette lag der Leichnam eines Jünglings, des einzigen Sohnes Bildad, den eine Seuche getödtet hatte. Siehest du, sprach Bildad, da liegt meine Hoffnung, eine Beute der Verwesung. Deine Hoffnung, antwortete Amos mit Wehmuth; aber wird nicht meines Freundes Glaube seinen Schmerz mildern und bestegen? Da antwortete Bildad und sprach: Ach! mein Glaube ist schwach und ermattet, seit meine Liebe und Hoffnung so getäuscht ward. Hab' ich nicht der schönen Anlagen des Knaben mit sorgsamer Hand gewartet und gepflegt? Und nun, da ste ihrer Vollendung sich naheten mit jedem Lage. Ein Strom von Thränen unterbrach die Rede des Vaters. |