ページの画像
PDF
ePub

Er dichtete ein Lied auf den Tod seines Freundes Gallus (E. 10), besang in einem andern die Einführung desselben in den Kreis der Sänger, welche nach der Vorstellung der Alten in ewiger Ruhe nach dem Tode ihre Kunst pflegten (E. 6), und erflehte in einem dritten von den Göttern die Erscheinung eines Genius, welcher das Friedenswerk des Augustus als sein Nachfolger vollenden sollte (E. 4). Um dem Geschmack seiner Zeitgenossen und den veränderten politischen Verhältnissen zu entsprechen, änderte er in dieser zweiten Recension auch einzelne Stellen der älteren Gedichte.

Die Träger der Handlung sind in allen Eklogen die Hirten und ihre Götter. Die Hirten erscheinen uns in Vergil's Gedichten als betriebsame Landleute, die zugleich Gärtnerei, Bienenzucht, Weinbau und Jagd treiben und in den Mussestunden Wirthschaftsgeräthe anfertigen, d. h. aus Binsen Körbe, Seigen, Käseformen u. s. w. flechten, E. 2, 71-72. 10, 71. Mit der sie umgebenden Natur fühlen sie sich so eng verwachsen, dass nach ihrer Anschauung die Fluren sammt den Wäldern und Thieren Freude und Leid mit ihnen treulich theilen, vgl. E. 1,.39. 40. 5, 25-28.60-64. 10, 13-16. Beim Weiden des Viehes tragen sie den Hirtenstab (pedum, E. 5, 88, das homer. zaλavgoy, II. 23, 845.) von knotigem Dorn, Wachholder oder Olivenholz, unten mit einer eisernen Pike, die ein Ring von Erz oder Kupfer im Schafte befestigte, und werfen ihn unter die Herden, wenn sie diese von einem gefährlichen Orte zurücktreiben wollen, E. 3, 96. Wie der Hirtenstab, so ist die Rohrflöte oder Syrinx ihr unzertrennlicher Gefährte. Diese Pfeifen bestanden aus mehreren, neben einander verbundenen, stufenweis abnehmenden Röhren von ungleicher Dicke und Länge und waren oft aus Schierling verfertigt: die einfachste Pfeife war die einröhrige Halmpfeife (avena E. 1, 2, calamus E. 1, 10, fistula E. 3, 22, arundo E. 6, 8, cicuta E. 2, 36. 5, 85), die siebenröhrige Syrinx (E. 2,36) gehörte schon zu den künstlicheren. Auf diesen Rohrpfeifen ersannen (meditari) und spielten sie die Melodien zu ihren Liedern, und zwar so, dass die Rohrpfeife zum Vorspiel oder zum Zwischenspiel zwischen den einzelnen Absätzen eines längeren Liedes benutzt wurde. Denn gesangslustig und gesangskundig waren die Hirten: während sie ihre Herden weideten, besangen sie entweder ihr Liebesglück und ihre Liebespein, oder verherrlichten durch ihren Gesang auch das Urbild der sicilischen Hirten, den Daphnis, den schönsten und gesangskundigsten Hirten, den Sohn des Merkur und einer Nymphe, welchen Pan selbst in der

Musik unterrichtet haben sollte. War dem Hirten ein solches Lied besonders gut gelungen, so ritzte er es auch wohl zur Unterstützung seines Gedächtnisses in frische Buchenrinde, E. 5, 13. 14. 10, 53. 54. Treffen zwei Hirten zusammen, so entsteht oft unter ihnen ein Wettstreit im Gesang; ein benachbarter Hirte wird in der Regel zum Schiedsrichter ernannt, ein schön gearbeiteter Hirtenstab oder eine kunstvoll zusammengesetzte Syrinx, oder Hausgeräthe, werthvolle Arbeiten berühmter Künstler, oder auch wohl ein Stück aus der Herde werden zum Kampfpreis gesetzt; die Reihenfolge der Sänger wird bestimmt und die Hirten wetteifern nun mit einander im Wechselgesange (alternis versibus E. 7, 18. di άuoißaíwv äεidov Theocr. VIII, 61). Es gab zwei Arten dieser amöbäischen Lieder: die erste bestand darin, dass der Vorsänger irgend einen Gedanken in 2-4 Versen vortragen musste, worauf der Nachsänger auf der Stelle in ebenso viel Versen denselben Gedanken weiter ausführen, oder seinen Gegensatz hinstellen, in beiden Fällen aber den Vorsänger, sei's in poetischer Färbung des Ausdrucks, sei's in Energie des Gedankens, zu überbieten suchen musste. Der Inhalt dieser Liederchen wechselte rasch und konnte sowohl in eigenen Erlebnissen als witzigen Erdichtungen oder einfachen Naturbildern bestehen. Solche Wechselgesänge haben wir E. 3 von V. 60 und E. 7 von V. 21 an. Die zweite Art des Wechselgesanges bestand in grösseren Liedern von einer gleichen Anzahl Verse, die theils in einem Zuge fortgesungen wurden, wie E. 5, 20-44 und 56— 80, theils in eine gleiche Anzahl Strophen gebracht wurden, die durch einen stets gleichlautenden Vers (Refrain), versus intercalaris genannt, von einander getrennt waren; der versus intercalaris musste eine gleiche Anzahl Verse einschliessen, wie die achte Ekloge zeigt, welche von V. 16 an ein amöbäisches Lied dieser Art enthält.

VERZEICHNIS DER WÖRTER,

welche zuerst in den Eklogen Vergil's vorkommen; die Wörter, welche von Vergil selbst gebildet sein können, sind mit gesperrter Schrift gedruckt.

(Das Verzeichnis ist von Ladewig zusammengestellt.)

Acanthus. E. 3, 45. 4, 20.
Amomum. E. 3, 89. 4, 25.
Anethum. E. 2, 48.
Apium. E. 6, 68.
Arbutus. E. 7, 46.

Baccharis. E. 4, 19. 7, 27.
Calathus. E. 2, 46. 5, 71.
Caltha. E. 2, 50.

Muletra. E. 3, 30.

Murex. E. 4, 44.

Myrica. E. 4, 2. 6, 10. 8, 53.
Narcissus. E. 2, 48. 5, 38. 8, 53.
Olor. E. 9, 36.
Ornus. E. 6, 71.
Paliurus. E. 5, 39.

Pedum. E. 5, 88.

Carduus. E. 5, 39.

Carectum. E. 3, 20.

Castanea. E. 1, 81.

Colocasia. E. 4, 20.
Corymbus. E. 3, 39.
Damma. E. 8, 28.
Electrum. E. 8, 53.

Evincire. E. 7, 32.

Faginus. E. 3, 37.

Fraga. E. 3, 92.

Flavescere. E. 4, 28.

Gryps. E. 8, 27.
Hibiscum. E. 2, 30.

Hyacinthus. E. 3, 63. 6, 53.
Infindere. E. 4, 33.
Intermiscere. E. 10, 5.
Juniperus. E. 7, 53. 10, 76.
Labrusca. E. 5, 7.
Licium. E. 8, 74.
Ligustrum. E. 2, 18.

Limosus. E. 1, 48.

Luteolus. E. 2, 50.
Lynx. E. 8, 3.
Magicus. E. 8, 66.

Motare. E. 5, 5. 6, 28.

Pererrare. E. 1, 61.

Philomela. E. 6, 79.
Pinifer. E. 10. 14.
Pirus. E. 1, 73. 9, 50.
Praevenire. E. 8, 17.
Prunum. E. 2, 53.
Racemus. E. 5, 7.

Ruscum. E. 7, 42.
Saetosus. E. 7, 29.
Saliunca. E. 5, 17.
Sandyx. E. 4, 45.

Saxosus. E. 5, 84.

Semiputatus (άл. ɛiọ.) E. 2, 70.
Spelaeum. E. 10, 52.
Spinetum. E. 2, 9.
Spinus. E. 5, 39.

Subterlabi. E. 10, 4.
Superaddere. E. 3, 38.

Supervenire. E. 6, 20.

Supervolitare. E. 6, 81.
Thymum. E. 5, 77.
Upilio. E. 10, 19.

Vaccinium. E. 2, 18. 50. 10, 39.
Viburnum. E. 1, 25.
Vivax. E. 7, 30.

Vergil I. 6. Aufl.

2

ECLOGA I.

MELIBOEUS. TITYRUS.

M. Tityre, tu patulae recubans sub tegmine fagi
silvestrem tenui musam meditaris avena:
nos patriae finis et dulcia linquimus arva.
nos patriam fugimus: tu, Tityre, lentus in umbra
formosam resonare doces Amaryllida silvas.

T.

O Meliboee, deus nobis haec otia fecit. namque erit ille mihi semper deus, illius aram saepe tener nostris ab ovilibus imbuet agnus.

Ecl. 1. Vergil stellte diese Ekloge, obwohl sie der Zeit nach nicht die früheste war, in seiner Sammlung voran, weil sie zur Verherrlichung des Octavianus diente. Seinen Dank für den ihm geleisteten Dienst (s. Einl. p. 3) spricht der Dichter unter dem Namen des Tityrus so aus, dass er die Grösse des ihm gewordenen Glückes durch die Zusammenstellung mit dem Lose eines aus Furcht vor den Veteranen geflohenen Ziegenhirten Namens Meliboeus hervorhebt. Weiter aber geht die Allegorie nicht; denn Alles, was sich auf die Individualisirung des Tityrus bezieht, hat mit dem Vergil Nichts zu thun, sondern gilt nur von dem Wirthschafter auf dem Gute (dem vilicus).

1-2. Die italischen Hirten weideten ihr Vieh vom Frühling bis in den Spätherbst auf den waldigen Bergen und ergötzten sich dabei durch Gesang, silvestris musa.

4. In lentus liegt ein kräftiger Gegensatz zu dem fugere. Mel. schiebt die Klagen über sein eigenes Los chiastisch zwischen die Verse,

5

in denen er das Glück des Tityrus preist.

6. deus, Octav. nämlich, den er v. 42 iuvenis nennt und nach v. 43 wie einen Lar familiaris verehrt.

[ocr errors]

7-8. Der Cultus des Augustus wurde erst 30 v. Chr. eingeführt; vgl. Cass. Dio H. R. LI, 19: ev τε τοῖς γενεθλίοις αὐτοῦ καὶ ἐν τῇ τῆς ἀγγελίας τῆς νίκης ἡμέρα ἱερομηνίαν εἶναι ἔγνωσαν. Vor diesem Jahre können die Verse 7 u. 8 wohl nicht geschrieben sein; denn wenn auch die Gottheit den Alten näher stand als uns, so ist doch das Lob ausgezeichneter Menschen als überirdischer Wesen von dem Gelöbnis regelmässiger Opfer wesentlich verschieden. Da nun die erste Ekloge zu den älteren bukolischen Gedichten des Vergil gehört, so ist es wahrscheinlich, dass der Dichter bei der zweiten Recension der Sammlung beide Verse eingeschoben hat, um den Ausdruck seiner Verehrung der veränderten Stellung des Imperators anzupassen.

8. nostris ab ovilibus ist zu agnus nicht im Sinne des Genet.

ille meas errare boves, ut cernis, et ipsum
ludere, quae vellem, calamo permisit agresti.

M. Non equidem invideo; miror magis; undique totis
usque adeo turbatur agris. en, ipse capellas
protenus aeger ago; hanc etiam vix, Tityre, duco.
hic inter densas corylos modo namque gemellos,
spem gregis, ah! silice in nuda conixa reliquit.
saepe malum hoc nobis, si mens non laeva fuisset,
de caelo tactas memini praedicere quercus.
sed tamen, iste deus qui sit, da, Tityre, nobis.

T. Urbem, quam dicunt Romam, Meliboee, putavi
stultus ego huic nostrae similem, quo saepe solemus
pastores ovium teneros depellere fetus.

sic canibus catulos similes, sic matribus haedos noram, sic parvis componere magna solebam.

partit. hinzugefügt; die Präp. ab be-
zeichnet das physische oder geistige
Ausgehen von einem Punkte, vgl.
unten v. 53. G. III, 2. A. III, 647.
10. ludere, s. z. G. IV, 565.
11. undique totis. In welchem
logischen Verhältnisse steht dieser
Satz zu dem vorhergehenden? vgl.
auch zu A. V, 404. tot. turb.
agris, die Landgüter werden in
allen ihren Theilen gleichmässig in
Mitleidenschaft gezogen; hätte V.
geschrieben: in omnibus agris, so
hätte er die Vorstellung freigelas-
sen, dass es doch nicht überall so
toll hergegangen sei. magis
nähert sich hier, wie öfters, der Bed.
von potius, vgl. Catull. 68, 30: id
non est turpe, magis miserum est.
14. namque steht auch A. X,

614 mitten im Satze.

[ocr errors]

15. conixa, zur Vermeidung des Hiatus statt des sonst in der Bed. gebären gebräuchlichen enixa.

16. Mit denselben Worten schliesst der V. A. II, 54.

17. Wetterschlag in fruchttragende Bäume sollte nach römischem Aberglauben Böses überhaupt anzeigen, in Oelbäume Misswachs, in Eichen Landesverweisung: malum hoc geht also auf die Vertreibung aus der Heimat, auf das nos pa

[blocks in formation]

triam fugimus in v. 4. Der Vers: saepe sinistra cava praedixit ab ilice cornix, der gewöhnlich noch hinter v. 17 gelesen wird, in den besten Handschriften aber fehlt, hat sich aus E. 9, 15 unpassender Weise hier eingedrängt.

18. da, sage, wie accipe, höre, A. II, 65. In dieser Bedeutung kommt dare nur bei Dichtern vor. Da Melib. gemerkt hatte, dass Tit. den Namen seines Gönners nicht nennen wollte, so sagt er hier nicht: iste deus quis sit.

Die

19. Zur Beantwortung der Frage des Mel. kommt Tit. erst nach langem Umwege von v. 40 an. Alten schickten gerne die Beschreibung eines Ortes der Erzählung dessen, was sich dort ereignet hat, vorauf, vgl. A. I, 499 sq. II, 21. 512. 713. IV, 457. 490. So auch in Prosa, wie bei Cic. p. r. Dej. 6, 17: сит- - devertisses, locus erat quidam, in quo cet.

21. depellere. Die Umgegend von Andes war bergig, Mantua aber (nostra urbs) lag in einer Ebene.

22-23. Angabe des Grundes, warum sich Tit. stultus nennt. sic: in solcher Weise, wie ich nämlich eine Aehnlichkeit zwischen Rom und Mantua annahm. Die

« 前へ次へ »