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hat vielmehr durch die Untersuchung über die Georgica, welche ich in der Abhandlung de georgicis a Vergilio emendatis (Programm des Joachimsthalschen Gymnasiums, Berlin 1873) veröffentlicht habe, eine neue Stütze erhalten. Denn es ergab sich aus dieser Untersuchung, dass die Georgica in gleicher Weise von Vergil überarbeitet und nicht in ihrer ersten Gestalt auf uns gekommen sind. Nun ist die peinliche Sorgfalt, mit der Vergil bei der Herstellung des Textes verfuhr, von den Alten im höchsten Grade bewundert worden. Fast alle grossen Dichter des augusteischen Zeitalters verwandten auf die Wahl des Ausdrucks und den Bau des Verses sehr grosse Mühe. Von Vergil wird aber besonders berichtet, dass er bei der Dichtung der Georgica aus zahlreichen Versen täglich nur wenige auswählte und also den ersten Entwurf völlig umarbeitete 1). Wenn nun ausserdem hervorgehoben wird, dass er die Bucolica und Georgica emendirt hat (C. Suet. rel. ed. Reifferscheid p. 62, 13), so kann damit wohl nicht noch einmal die Feile des Ausdrucks im einzelnen, sondern nur die Herstellung eines neuen Textes gemeint sein, welche überdies in Betreff der Georgica ausdrücklich bezeugt ist 2).

Von den Herausgebern haben sich die ältesten mit den Notizen begnügt, welche die dem Ti. Claudius Donatus zugeschriebene vita Vergilii enthielt. In den ersten Jahrhunderten nach dem Erwachen der Wissenschaften war die Bewunderung des Dichters zu gross, als dass man sich mit eingehenden Untersuchungen über die Geburtsjahre der einzelnen Gedichte hätte beschäftigen können oder wollen. De la Cerda, dem es darauf ankam, seinen Lesern von der Grösse Vergil's ein richtiges Bild zu geben, schilderte ausführlich die Vorzüge seines Charakters und seiner Dichtung, verglich ihn mit andern Meistern der Prosa und Poesie, namentlich mit Cicero und Homer, und schloss die Einleitung mit einer Aufzählung der Ehren, die ihm im Leben und nach dem Tode erwiesen seien. Erst sehr allmählich ergaben sich aus der ununterbrochenen Lectüre und der sorgfältigen Interpretation immer mehr und immer genauere Zeitbestimmungen. Der gelehrte Jesuit de la Rue versuchte diese Resultate der Detailuntersuchung zu einem Gesammtbilde zu vereinigen3). Bei der Bestimmung der Jahre, in welchen die bukolischen Gedichte geschrieben sein könnten, ging er von der Annahme aus, dass

1) Reifferscheid Suet. p. 59.

2) Serv. comm. in Buc. Lion. II, p. 162; Serv. comm. in Georg. Lion. II, p. 288. Reifferscheid Suet. p. 60.

3) Ruaeus ed. II. (Amst. 1690) Virg. hist. descr. p. coss. a. 716.

Vergil seine Idyllen in einem Triennium verfasst und die vierte Ekloge im Jahre 40 vor Christo gedichtet habe1). Obgleich diese beiden Voraussetzungen weder miteinander, noch mit dem Inhalt der Gedichte, noch mit der Ueberlieferung der Alten in Einklang zu bringen waren, so glaubte er doch mit ihrer Hilfe in den Jahren 41-38 vor Chr. die Entstehungszeit der Eklogen ermittelt zu haben. Er nahm an, dass die erste Ekloge 41, die neunte 41 oder 40, die vierte 40, die achte und dritte 39, die zehnte 38 gedichtet sei, und bemerkte, dass sich die Jahre, in welchen die übrigen Eklogen verfasst seien, nicht genau bestimmen liessen 2). Manchen unter diesen Zeitbestimmungen legte er selbst nur den Werth unsicherer Vermuthungen bei 3), und dennoch erlangte seine Hypothese, wie es scheint, sofort allgemeine Anerkennung. Um für sämmtliche Eklogen feste Jahreszahlen zu erhalten, setzte man später die zweite und fünfte Ekloge vor die erste, schob die sechste und siebente in die Reihe des Ruaeus ein, gab der dritten, um nicht mit E. 5, 87 in Widerspruch zu kommen, ihre Stelle vor der fünften und erhielt so die Reihe: 2. 3. 5. 1. 9. 4. 6. 8. 7. 10, welche mit unwesentlichen Aenderungen aus einem Commentar in den andern überging und trotz aller Widersprüche des Inhalts der Gedichte und der Ueberlieferung beim Schulunterrichte allgemein gebraucht wurde. Neben dieser Ansicht trat aber in den Arbeiten, welche über die Zwecke der Schule hinausgingen, mehr und mehr die Meinung hervor, dass nicht alle Eklogen in dem von Ruaeus angenommenen Zeitraum gedichtet sein könnten 4); jedoch war es nicht möglich diese Controverse zu einem befriedigenden Abschluss zu führen, weil man durch den Namen des Pollio (E. 4, 12) an eine Zeit gebunden war, in der sich kein Abschnitt ohne gewaltsame Interpretation einzelner Stellen oder ganzer Eklogen zu einem Rahmen für die zehn Gedichte benutzen liess. Auch schien die Lösung dieser Aufgabe für die Erklärung der Bucolica nicht unbedingt nothwendig. In dieser hatte sich eine so feste Tradition gebildet, dass es fast unerlaubt schien, an ihrer Richtigkeit zu zweifeln. Die fortwährende Wiederholung derselben Bemerkungen liess die Schwierigkeiten allmählich weniger erheblich, die allegorischen Deutungen weniger gewaltsam erscheinen. Die Widersprüche,

1) ib. a. 714.

2) ib. a. 716.
3) ib. a. 715.

4) Jahrbücher f. kl. Ph. 1864 p. 635 und Bernhardy Grundriss der röm. Literatur p. 447.

welche nicht weggeleugnet werden konnten, wurden in dem Commentar entweder nur nebenbei bemerkt oder ganz übergangen. Dass drei von den Eklogen, die vierte, sechste und zehnte, nach alter Ueberlieferung später als die übrigen gedichtet sein sollen 1), dass diese Eklogen sich in ihrer ganzen Anlage und Diction von den übrigen wesentlich unterscheiden 2), dass die sieben älteren Eklogen Arbeiten eines Nachahmers, die drei späteren Schöpfungen eines selbständigen Meisters sind 3), dass sich in der Behandlung des Verses bei genauer Vergleichung beider Klassen der Idyllen ein deutlich erkennbarer Fortschritt zeigt 4), dass die vierte Ekloge die Segnungen des befestigten Friedens, die älteren Idyllen die Gefährdungen des Besitzstandes in Italien schildern, wurde nicht berücksichtigt 5). Man hatte sich einmal dafür entschieden, dass die Eklogen wohl oder übel in dem Zeitraum von etwa 42 bis etwa 38 gedichtet seien, und ein einfaches Exempel schien diese Ansicht über jeden Zweifel zu erheben. Drei Jahre hatte Vergil den Bucolica, sieben Jahre den Georgica, elf Jahre der Aeneis gewidmet. Ging man nach diesem Schema vom Jahre 37 weiter, so kam man mit den Georgica bis 30. Nach kurzer Pause hatte Vergil dann die Aeneis 29 v. Chr. begonnen und nach elf Jahren, 19 v. Chr. so weit vollendet, dass er daran denken konnte die letzte Hand an sein grösstes Werk zu legen. Gegen eine so einfache, so allgemein angenommene, durch die Autorität von fast zwei Jahrtausenden") geheiligte Lehre Widerspruch zu erheben, erschien unverzeihlich; und doch konnte, wie ich gegen Ribbeck und Benoist in meiner Abhandlung de eclogis Vergili interpretandis et emendandis (Programm des Friedrich-Wilhelms - Gymnasiums in Posen 1872) nachgewiesen zu haben glaube, für die Hypothese des Ruaeus kein haltbarer Grund vorgebracht werden). Sowohl

1) Vita P. Virg. M. c. XXIV, 101.

2) Vgl. Jahrbücher f. kl. Phil. 1864 p. 789-792.

3) ib. p. 791.

4) ib. p. 772-789 und Drobisch in den Berichten über die Verhandlungen der Königl. Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Phil. Histor. Kl. 1868 I, p. 31. 32.

5) Alle diese, für die Beantwortung der vorliegenden Frage wesentlichen Momente sind namentlich auch in dem neuesten Commentar von E. Glaser, Halle 1876, nicht beachtet worden.

6) Ribbeck prol. p. 11: Qua ille (Schaperus) opinione quod veterum testimoniis contemptis finxit quae ne Asconius quidem Pedianus fando audiverat, condonandum fortasse esset, si aliorum argumentorum necessitate pervicisset sententiam.

7) Vgl. m. Progr. Posen 1872 p. 1-4 und p. 36-42.

der Inhalt der Gedichte, als auch die Ueberlieferungen der Alten
nöthigen zu der Annahme, dass Vergil seine ersten Versuche auf

dem Gebiete der bukolischen Dichtung in den Jahren 27—25

einer Revision unterworfen, ihnen drei neue Gedichte hinzuge-

fügt und nach Vollendung dieser Arbeit 25 v. Chr. die Ausgabe

veröffentlicht hat, deren Text, im Ganzen wohl erhalten, auf uns

gekommen ist.

Nicht mehr Gewicht haben die Einwendungen, welche von

Ribbeck, Glaser und Benoist gegen die Resultate meiner

Untersuchung über die Georgica erhoben sind. Den beiden Letz-

ten schulde ich ein kurzes Wort der Entgegnung; denn dass ein

Kundiger in der Anzeige O. Ribbeck's (Jenaer Literaturzeitung

1874 Nr. 21 p. 316. 317) eine Widerlegung meiner Ansicht

oder eine Entkräftung irgend eines Satzes gefunden haben sollte,

den ich zur Begründung meiner Hypothese gebraucht habe, ist

wohl nicht anzunehmen.

Die Bedenken Glaser's (Jahrb. f. kl. Phil. 1874 p. 570 bis

573) sind bis auf einen Punkt in der Dissertation von Borgius de
temporibus, quibus Vergili Georgica scripta et perfecta sint, Halis
1875 widerlegt worden, und dieser eine Punkt wird mit Unrecht
gegen mich geltend gemacht. Glaser vertheidigt die Ansicht,
dass Octavian im Jahre 37 als Gott angeredet werde, durch Be-
rufung auf E. 1, 7. 8 und 41. 42. Beide Stellen habe ich aus-
führlich in den Jahrb. f. kl. Phil. p. 769 und in m. Progr. Posen
1872 p. 7-15 besprochen. Beide sind meiner Meinung nach
bei der zweiten Recension in die Ekloge eingeschoben, um den
Ausdruck der Verehrung der veränderten Stellung des Impera-
tors anzupassen. Wenn diese Ansicht richtig ist, so kann meine
Hypothese über die Georgica nicht durch Berufung auf jene Stel-
len widerlegt werden.

Benoist erklärt es in den Oeuvres de Virg. 2. Ausgabe,
Paris 1876, p. 342 für unwahrscheinlich, dass Vergil den Schluss
der Georgica in einer zweiten Ausgabe umgearbeitet habe; denn
über den Schluss der ersten Ausgabe müsste doch irgend etwas
Genaueres überliefert sein; die Zeitgenossen oder die Späteren
würden über dies Faktum etwas gesagt, die Moralisten ein sol-
ches Thema nicht übergangen haben. Dabei ist wohl übersehen,
dass Servius seine Notiz nur in den Berichten der Zeitgenossen
oder der Späteren gefunden haben kann und dass jene Moralisten
in der Kaiserzeit lebten, in welcher die Vernichtung missliebiger
Schriften und die direkte Beeinflussung der Schriftsteller durch
die Machthaber so gewöhnlich war, dass die eine nicht unmög-
lich und die andere nicht auffallend erscheinen konnte.

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Borgius ist in der oben erwähnten Dissertation nach Erwägung der wesentlichsten Momente zu einem Resultate gelangt, welches in der Hauptsache mit meiner Ansicht übereinstimmt. Er nimmt an, dass Vergil die Georgica 32-29 geschrieben, in den Jahren 29-26 emendirt 1) und in der Ausgabe, deren Text auf uns gekommen ist, 26 veröffentlicht habe 2). Die Frage über die Umarbeitung des Schlusses der Georgica lässt er unentschieden 3). Die einzige wesentliche Abweichung von meiner Hypothese besteht also darin, dass Vergil an den Georgica nicht von 31-25, sondern von 32-26 gearbeitet haben soll, Diese Abweichung führt aber erstens zu der sehr unwahrscheinlichen Annahme, dass er das erste Buch in den Jahren 32 und 31, das zweite in der zweiten Hälfte des Jahres 30, das dritte und vierte in der ersten Hälfte des Jahres 29 geschrieben habe 4) eine Ungleichmässigkeit der Arbeit, von der in dem uns vorliegenden Text keine Spur zu finden ist; zweitens ist die Annahme eines früheren Anfangspunktes durch nichts begründet. Denn die Einleitung des ersten Buches enthält in ihrem ersten Theile (v. 1 bis 23) nicht eine Schilderung des momentanen Zustandes von Italien), sondern die Inhaltsangabe für das ganze Gedicht (v. 1-4) und die Anrufung der Götter, unter deren Schutz der Landbau stand (v. 5—23), im zweiten Theile (v. 24-42) eine Anrede an Augustus, welche wohl nicht vor der Schlacht bei Actium geschrieben ist. Wenn nun, wie Borgius p. 16 und 17 bemerkt, die Verse G. I, 500-502 und 509-511 auf die Zeit hinweisen, welche derselben Schlacht unmittelbar vorherging, so ist man wohl berechtigt anzunehmen, dass Vergil die Anrede an den Kaiser nach der Beendigung des ersten Buches in die Einleitung eingeschoben hat 6).

Da nun auch Fritzsche in seinem Jahresbericht über die die griechischen und römischen Bukoliker betreffenden Schriften aus dem Jahre 1873 p. 315-317 meiner Ansicht über die Um

1) Borgius de temp. quibus V. G. scripta et perfecta sint. p. 21. 2) ib. p. 39.

3) ib. p. 22.

4) ib. p. 14. 16. 18. 20.

5) ib. p. 18: Ut paucis repetam, primis huius libri versibus civitas in pace et tranquillitate vivens depingitur cum extremis sollicitudine et bellis turbetur. Inde concludo quia huius libri finem ante pugnam Actiacam scriptum esse statuimus, initium ineunte anno 722 scribi coeptum esse.

6) Für das Jahr 25 als Schlussjahr der Arbeit Vergil's an den Georgica erklärt sich auch M. Hertz in den Anal. ad carm. horat. historiam p. 15. 16.

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