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grossen Grundbesitz adliger Familien beschränkt ist, wenigstens in seinen wesentlichsten Bestimmungen auf alle Bauerngüter von einem bestimmten Umfang auszudehnen, so ist keinem Zweifel unterworfen, dass die Aufhebung oder richtiger die Beschränkung der Verpfändbarkeit (etwa bis zu einem Drittel des Wertes) praktisch wirklich durchgeführt werden kann. Durch eine solche Massregel wird dann freilich dem Erstgeborenen der Besitz eines wenig oder gar nicht belasteten Bauerngutes und damit auch ein beträchtliches arbeitsloses Einkommen gesichert; alle nachgeborenen Kinder werden aber durch eine positive Rechtssatzung in die Reihen der besitzlosen Proletarier gedrängt. Ich verkenne nicht, dass solche geschlossene Bauerngüter vom Standpunkt einer rationellen Landwirtschaft manche technische Vorteile haben; auch mögen einzelne grosse Grundbesitzer sich der Hoffnung hingeben, in den Besitzern der Bauernfideikommnisse eine Schutzwehr für ihre eigenen Privilegien, in den enterbten Kindern aber ein billiges und bereitwilliges Arbeitermaterial zu finden. Aber alle diese Rücksichten werden durch die socialpolitischen Nachteile der Massregel weit überwogen. In früheren Zeiten, wo die besitzlosen Arbeiter ihr Los stillschweigend trugen, mochte man leichten Herzens Einrichtungen schaffen oder erhalten, durch welche der weit überwiegende Teil der nachwachsenden Landbevölkerung in eine künstliche Dürftigkeit versetzt wird; heute sind solche Vorschläge eine verderbliche Thorheit. Denn man vergesse nicht, dass die besitzlosen Klassen der Kulturländer immer mehr von einem Gefühl der Zusammengehörigkeit ergriffen werden, und dass die Zeit vielleicht nicht ferne ist, wo jeder Proletarier, mag er den Pflug oder den Hammer führen, sich in einem bewussten Gegensatz zur geltenden Rechtsordnung befinden wird.

Das Rentenprincip, die neue Grundentlastung und die Aufhebung oder Beschränkung der Verpfändbarkeit der landwirtschaftlichen Güter dies sind die drei Grundideen, aus

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welchen sich alle Vorschläge zur Rettung der Landwirtschaft zusammensetzen, soweit diese nicht auch in das Erbrecht hinübergreifen. Diese überaus zahlreichen Projekte, von welchen ich jene von Ratzinger, 26 Schaeffle 27 und Preser28 hervorhebe, brauchen deshalb hier nicht besonders dargestellt und besprochen zu werden.

26 Ratzinger, Die Volkswirtschaft in ihren sittlichen Grundlagen, 1881, S. 345 ff.

27 Schaeffle, Die Inkorporation des Hypothekarkredits, 1883, S. 6-9.

28 Preser, Die Erhaltung des Bauernstandes, 1884, S. 324.

§. 12. Moderne Bestrebungen.

II. Die Verstaatlichung von Grund und Boden

in England.

In keinem Lande der Welt beherrscht diejenige Wirtschaftsform, welche man seit Louis Blanc den Kapitalismus zu nennen pflegt, so unbedingt das ganze ökonomische Leben wie in England. Man könnte deshalb erwarten, dass die socialistischen Bestrebungen dieses Landes sich vorzüglich gegen das sogen. „mobile Kapital" richten werden. In Wirklichkeit bekämpfen die socialistischen Systeme, welche bisher in England grössere Popularität erlangt haben, vorherrschend den Grundbesitz und die Grundrente, während der Kapitalbesitz und Kapitalgewinn (profit) vorläufig noch wenig angefochten werden. Der Grund dieser auffallenden Erscheinung liegt wie in Deutschland in den gesellschaftlichen Machtverhältnissen; die thatsächliche Macht des Grundbesitzes, welcher sich allmählich in verhältnissmässig wenigen Händen vereinigt hat, ist gering, und auch seine politische Macht hat sich durch die wiederholten Parlamentsreformen namhaft vermindert. In den letzten Jahren, seit dem ersten Erscheinen dieser Schrift, hat allerdings dieser Zustand erhebliche Modifikationen erfahren.,.,.,. ^ ”,

Der älteste Vertreter der Bodenverstaatlichung oder richtiger der Vergemeindlichung von Grund und Boden, der sich auch nach Art des heutigen Socialismus mit seinen Plänen schon

unmittelbar an die grossen Massen wandte, ist Thomas Spence. Er wurde um das Jahr 1750 in Newcastle-upon-Tyne in dürftigen Verhältnissen geboren und nahm daselbst in seiner Jugend die Stellung eines Schulmeisters ein. Am 8. November 1775 hielt er in der philosophischen Gesellschaft von Newcastle einen Vortrag, der schon alle wesentlichen Grundsätze seines Systems enthielt und über den er auch später, während einer fast vierzigjährigen Agitation, nicht hinausgegangen ist.2 Infolge dieses Vortrages musste er nach London übersiedeln, wo er sich der Verbreitung seiner Ideen widmete, aber dadurch zu wiederholtenmalen, namentlich während der Revolutionskriege, die Verfolgung der Regierung auf sich zog. Er starb im September des Jahres 1814, doch hinterliess er eine beträchtliche Anzahl von Anhängern, welche, wenn man den amtlichen Parlamentspapieren Glauben schenken kann, im Jahre 1817 in London einen Aufstand zur Durchführung der Absichten ihres Meisters versuchen, wollten. Doch wurden diese Pläne von der Regierung vereitelt und die Vereine der Anhänger von Thomas Spence aufgelöst. Da Robert Owen um diese Zeit seine erfolgreiche und mit grossen äusseren Mitteln unterstützte Agitation begann, so trat das sociale System von Thomas Spence sehr bald in den Hintergrund der öffentlichen Aufmerksamkeit.

Die Grundgedanken dieses Systems sind die folgenden. Spence nimmt an, dass die in einem Lande Lebenden kraft

1 Ueber das Leben und die Lehre von Thomas Spence vgl. Allen Davenport, The life, writings, and principles of the Spencean system or agrarian equality, London, 1836.

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Ich benütze die Ausgabe des Vortrags, welche von Thomas Spence selbst unter dem etwas schwülstigen Titel: The meridian sun of liberty; or the whole rights of man displayed and most accurately defined, London, 1796 besorgt worden ist. Ein Abdruck dieser wichtigen Schrift wurde von Hyndmann (London, 1882) veröffentlicht.

3 Vgl. Report from the Committee of Secrecy vom 19. Februar 1817; Second Report from the Committee of Secrecy vom 20. Juni 1817.

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ihres Rechts auf Existenz ein gleiches Recht auf den Grund und Boden samt allem Zubehör besitzen., Die rechtswidrige Aneignung des Bodens durch die Grundbesitzer sei die Quelle alles Unglücks der arbeitenden Klassen, indem diese dadurch gezwungen werden, für die müssigen Grundeigentümer zu arbeiten und andere Opfer zu bringen. Deshalb soll das Grundeigentum auf die Gemeinde oder das Kirchspiel (parish) in der Weise übertragen werden, dass alle Bewohner daran ein gleiches Recht besitzen und dass die Gemeinde ihren Grundbesitz niemals veräussern darf. Doch braucht sie ihre Ländereien nicht selbst zu bewirtschaften, vielmehr wird vorausgesetzt, dass sie dieselben den Meistbietenden gegen Zahlung eines Pachtzinses auf siebenjährige Pachtperioden überlassen würde. Von den eingehenden Pachtgeldern sind zunächst die Steuern und andere gemeinnützige Auslagen zu bestreiten, der Rest aber unter die Bewohner in gleichen Beträgen zu verteilen. Auf die bewegliche Habe soll sich dieser zwischen Privat- und Gemeinwirtschaft schwankende agrarische Socialismus nicht beziehen. 5

Diese Gedanken, welche durch die Unterdrückungsmassregeln der englischen Regierung und durch die Agitation Robert Owen's für längere Zeit in den Hintergrund gedrängt worden waren, sehen wir bald nach der Julirevolution wieder

4 Thomas Spence, Meridian Sun S. 6: Hence it is plain, that the land or the earth, in any country or neighbourhood, with every thing in or on the same, or pertaining thereto, belongs at all times to the living inhabitants of the said country or neighbourhood in equal manner. For, as I said before, there is no living but on land and its productions, consequently, what we cannot live without, we have the same property in, as in our lives.

5 Thomas Spence, Meridian Sun S. 8-11; Thomas Evans, Librarian to the Society of Spencean Philanthropists: Christian Policy, The Salvation of the Empire, 2. Aufl., 1816, S. 25 ff.; Davenport, Life of Thomas Spence S. 11. Ueber Charles Hall, dessen Vorschläge vielfach mit Thomas Spence übereinstimmen, vgl. oben S. 49.

Menger, Arbeitsertrag. 2. Aufl.

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