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Arbeit der lokal getrennten Individuen, sondern muss nach der Durchschnittsquantität Arbeit konstituiert werden, die das gesellschaftliche Gesamtprodukt der betreffenden Kategorie gekostet hat.18 Es wird also nicht ein Durchschnitt zwischen den Arbeitsleistungen der einzelnen lokal vereinigten Arbeiter, sondern zwischen sämtlichen Arbeitern einer bestimmten Kategorie in dem ganzen Staate gezogen. Je nachdem die Produktivität der Arbeit steigt oder fällt, werden die in Arbeitsstunden berechneten Preistarife der Waren und Dienstleistungen periodisch revidiert. 19

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Die Bedenken gegen diese Vorschläge liegen auf der Hand. Wenn jeder Arbeiter nur ein Recht auf seinen ganzen Produktwert hat, was soll geschehen, wenn eine auf die Erzeugung von Produktwerten gerichtete Arbeit ganz erfolglos geblieben ist, z. B. wenn in einem Landstrich der Hagel die Ernte vollständig vernichtet hat? Und wenn der Warenwert nur nach der auf sie verwendeten Durchschnittsarbeit bestimmt wird soll eine edle Weinsorte, die infolge der günstigen Lage des Weinberges nicht mehr Durchschnittsarbeit kostet als ein schlechter Landwein, nur mit der gleichen Zahl von Arbeitsstunden bezahlt werden wie dieser? Und wenn diese Frage, wie allerdings in der Konsequenz der von Rodbertus gemachten Vorschläge liegt, bejaht wird, wem werden diese durch günstige Naturbedingungen bevorzugten Produkte zugewiesen werden? Aehnliche Fragen könnte man jenen Vorschlägen, die von ihrem Urheber offenbar nur sehr mangelhaft durchdacht worden sind, noch in grosser Zahl entgegensetzen.

Aber auch wenn man von diesen mehr wirtschaftlichen Einwänden absieht, ergeben sich vom juristischen Standpunkt erhebliche Bedenken. Das Mass der Arbeit, welches durch

18 Rodbertus a. a. O. S. 146.
19 Rodbertus a. a. O. S. 148 ff.

schnittlich zur Hervorbringung eines bestimmten Produkts erforderlich ist, lässt sich im einzelnen Falle nur mit grosser Schwierigkeit feststellen. Thatsächlich war denn auch bei der Owen'schen Arbeitsbörse, welche gleichfalls auf dem System der Durchschnittsarbeit beruhte, im Grossen und Ganzen die Erklärung des die Ware an das Magazin abliefernden Arbeiters massgebend. 20 Ueberdies unterliegt die Produktivität der Arbeit nicht nur infolge von Erfindungen und anderen Verbesserungen im Laufe der Zeit grossen Veränderungen, sondern sie ist (namentlich bei landwirtschaftlichen Produkten, deren Menge und Güte von dem Wetter und anderen Naturfaktoren abhängt) auch in einem bestimmten Zeitpunkt grossen Schwankungen unterworfen. Auf diese täglich wechselnden Grundlagen hin fortwährend für die zahllosen Lebensbedürfnisse die gerechten Preise in Durchschnittsarbeit zu bestimmen - dies ist eine Aufgabe, welche selbst über die Kräfte des vollkommensten Staates hinausgeht. Und doch ist die Lösung dieser Aufgabe unerlässlich, wenn anders das Recht auf den vollen Arbeitsertrag verwirklicht werden soll.

Viel besser durchdacht als die Vorschläge von Rodbertus sind jene, welche Wilhelm Weitling in seiner Schrift: „Garantien der Harmonie und Freiheit" aus dem Jahre 1842 21 gemacht hat. Nach den Vorschlägen Weitling's soll die Gesellschaft verpflichtet sein, jedem Mitglied die notwendigen und die nützlichen Produkte oder Dienstleistungen zu liefern, wogegen dieses zu einer gewissen Zeitarbeit (6 Stunden. täglich) verpflichtet ist. Soweit hat also Weitling das Recht auf Existenz anerkannt. Sodann aber hat jedes Mitglied überdies auch noch das Recht, weitere Arbeitsstunden (Kommerzstunden) zu leisten, um sich dadurch auch die bloss ange

20 Vgl. das offizielle Organ der Arbeitstauschbanken in London

und Birmimgham The Crisis" vom 25. Januar 1834, S. 171.

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21 Die zweite Auflage dieses Werkes erschien 1845, die dritte 1849.

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nehmen Produkte oder Dienstleistungen zu verschaffen. Der Preis dieser letzteren soll in Arbeitsstunden bestimmt und diese gegen die Kommerzstunden ausgetauscht werden. Auch Weitling vertritt, ebenso wie schon früher Robert Owen, die Schätzung aller Produkte und Dienstleistungen in Durchschnittsarbeit. Die einer Mehrheit von fähigen Arbeitern zur Produktion irgend welcher Gegenstände nötige Arbeitszeit liefert den genauesten Massstab des Wertes dieser Arbeiten." 22 Es soll aber nicht, wie bei Rodbertus, das zur Hervorbringung einer Ware erforderliche Arbeitsquantum der einzige Massstab sein; vielmehr soll auch die Seltenheit der Produkte und die grössere oder geringere Nachfrage geradeso wie in unsrer heutigen Wirtschaftsordnung — für den Preis bestimmend sein. 23

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Dass diese Vorschläge wenigstens die gröbsten Mängel vermeiden, welchen wir bei Rodbertus begegnet sind, ist klar. Da Weitling in betreff der notwendigen und nützlichen Produkte ein Recht auf Existenz anerkennt, so braucht in der von ihm vorgeschlagenen Gesellschaftsordnung für die Arbeitsunfähigen und für die ohne Erfolg Arbeitenden nicht eine besondere staatliche Armenversorgung zu bestehen, die in dem „kommunistischen" Staat von Rodbertus sonderbar genug eine unerlässliche Notwendigkeit wäre. Dann trägt Weitling dem praktischen Bedürfnis dadurch Rechnung, dass er bei Produkten, welche nicht mehr Durchschnittsarbeit gekostet haben als andere, aber seltener und gesuchter sind, eine Preissteigerung eintreten lässt. Im übrigen sind aber den Vorschlägen Weitling's, soweit diese die Verteilung der angenehmen" Produkte an die Mitglieder

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22 Vgl. „Garantien" 3. Aufl. S. 190.

23 Weitling, Garantien S. 154 ff., 3. Aufl. 1849, S. 187 ff.; ähnlich auch Weitling, Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte. 2. Aufl., 1845, S. 36, 37. Die erste Auflage dieser Schrift erschien anonym im Jahre 1838.

betreffen, die nämlichen Einwände wie Rodbertus entgegen

zusetzen.

Als Resultat der soeben gegebenen Darstellung kann man folgende Sätze aufstellen. Mit unserer heutigen Gesellschaftsordnung, welche in dem grössten Teil von Europa das Grundund Kapitaleigentum anerkennt, ist das Recht auf den vollen Arbeitsertrag schlechterdings unverträglich. In einer Rechtsordnung, welche das Gemeineigentum mit Sondernutzung statuiert, ist das Recht auf den vollen Arbeitsertrag das natürliche Verteilungsprincip. In der kommunistisch organisierten Gesellschaft, in welcher das Gemeineigentum mit gemeinsamer Nutzung verbunden erscheint, ist zwar die Durchführung jenes Rechts an sich nicht unmöglich, doch sind die praktischen Schwierigkeiten, die sich einer solchen Kombination entgegenstellen, so gross, dass hier als die natürliche Grundlage der Güterverteilung das Recht auf Existenz betrachtet werden

muss.

§. 14. Schlussbemerkungen.

Welche Bedeutung haben die beiden neuen Rechtsbegriffe: das Recht auf den vollen Arbeitsertrag und das Recht auf Existenz, die sich im Laufe eines Jahrhunderts allmählich im Bewusstsein der arbeitenden Volksmassen ausgebildet haben, für die praktischen Bestrebungen der Gegenwart? Das unterliegt wohl keinem Zweifel, dass die Ausbildung eines Rechtssystems, welches von diesen fundamentalen Rechtsideen völlig beherrscht wird, einer fernen Zukunft angehört. Gar viele Anhänger des revolutionären Socialismus sind zwar der Ansicht, dass die arbeitenden Klassen sich nur der Staatsgewalt zu bemächtigen brauchen, um die socialistische Gesellschaftsordnung in verhältnismässig kurzer Zeit einzuführen, geradeso wie schon so oft durch einen glücklichen Handstreich eine Veränderung der Staatsverfassung bewirkt worden ist. Aber man darf nicht übersehen, dass politische Umwälzungen das innere Leben der Völker nur wenig berühren, während eine Nation durch verfehlte sociale Experimente geradezu vor die Existenzfrage gestellt werden kann. Die sociale Frage wird deshalb nicht wie die politische in einer Nacht (vom 4. auf den 5. August 1789) gelöst werden. Wohl entspricht unsere heutige Rechtsordnung nicht mehr vollständig den bestehenden Machtverhältnissen zwischen den Grund- und Kapitaleigentümern

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