" Georgaina, wirf die Waffen weg, hier bist du nicht in Suli, 99 Wenn auch sich Suli unterwarf und türkisch ward Kiapha, Nimmt einen Feuerbrand zur Hand und all' die Ihren ruft sie: II, 2. Kolias. Des Kolias Mutter sitzt allein auf einem hohen Felsen, Und mit der Sonne hadert sie und mit dem Glanz des Mondes: O sage, liebe Sonne, mir, die du die Welt umwanderst, Hast Kolias nirgends du gesehn, den Kolias von Bityne?" Und schon von Weitem grüsst er ihn und nahebei dann sagt er: Gruss, Ali Pascha, dir und Heil." Willkommen auch dem Kolias!" 99 66 Und bringt die Cither ihm herbei, dass er ein Lied uns singe, Beides romanzenartige Ausführungen historischer Ereignisse, beide von gleicher Lebendigkeit, dramatischem Anflug, beide den trotzigen, todes verachtenden Sinn des für seine Freiheit kämpfenden Griechen athmend. Noch weniger freilich ist ein scharfer Unterschied zu entdecken zwischen Gedichten, die wie das Koliaslied unter Nr. 2 stehen, und den unter 3 mitgetheilten Balladen und Romanzen. Warum wurde unter der dritten Ueberschrift nicht 1 bis 3 zusammengefasst? dann hätten wir die Gedichte unter einer Rubrik, die alle am meisten mit den Uhlandischen Balladenstoffen Aehnlichkeit haben. Das Princip der von Kind befolgten Trennung ist mir dunkel. In Betreff der Bezeichnung des 4. Abschnitts und seines Unterschiedes vom 5. bin ich auch um eine Erklärung verlegen. Weshalb gehört das erste von den beiden folgenden Gedichten, die ich der bessern Vergleichung halber gleich nebeneinander stelle, zu den häuslichen Gedichten, das zweite aber zu den Liebesliedern? IV, 12. In der Fremde. Ziehet hin ihr lieben Vöglein, ziehet glücklich heim, Grüsset mir zu vielen Malen die Kommt ihr bei Athen vorüber, Ihr V, 8. Die Zauberin. Wandrer, wenn ihr wandert nach der Heimath mein, Im Hofe steht ein Apfelbaum, kehrt nur dorten ein. Zieht hin und bringet Grüsse meinem Mütterlein, Und bringet auch viel Grüsse meiner armen Frau, Auf die Zweige setzt euch nieder, hebt zu singen an, Saget meiner alten Liebe, dass sie's hören kann: Dass sie mein nicht länger harre, auch erwarte nicht. Haben ach! am fremden Orte bier gefesselt mich. Nahm die Tochter einer Wittwe, einer Hexe Kind, Die bezaubert alle Flüsse, und sie Und die Meere auch behext sie, Und meinen armen Kindern, Will sie, so mag sie warten, mag Mag Trauerkleider nehmen, Nahm eine kleine Frau da, einer Behexet alle Schiffe, laufen nicht Sie hat auch mich behexet, komme nicht zurück. Wenn ich mein Pferd mir sattle, abgesattelt wird's, Umschnalle ich das Schwert mir, wird's mir abgeschnallt, Will einen Briefich schreiben, ist die Schrift gar aus. Wie wenig Sorgsamkeit muss aufgewandt sein, um solchen faux pas zu machen! Zwei Lieder, die nur Variationen desselben Thema's sind, sich nur in unwesentlichen Ausführungen, Weglassungen, Aenderungen unterscheiden, zwei verschiedenen Dichtarten zuzuweisen! Ich glaube, alle Lieder des vierten Abschnitts liessen sich als Liebesgesänge oder Balladen auffassen. Dies sind die einzigen wirklichen Unterschiede, unter welche somit Alles fällt. *) Die Uebersetzung will, wie der Verfasser Seite XXX-XXXII etwas dunkel und umständlich auseinandersetzt, treu und verständlich zugleich sein, der eigenthümliche Hauch des Originals soll mit Pietät gewahrt werden und dabei der Sinn und Geist des Gedichts doch klar sich deutlich machen. Wer wollte dagegen Etwas haben? Ueber den Grad der Treue masse ich mir kein Urtheil an; verständlich ist die Uebersetzung meist. Die Verse fliessen, wie man, glaube ich, schon an den oben mitgetheilten Beispielen ersehen kann, leicht und angenehm. Im Ganzen ist es eine wohlthuende Lecture; es finden sich wenig Anstösse und Undeutlichkeiten. — I, 1. 18 höhnt ein Grieche springende Sarazenen: „Wie ihr's da mit dem Springen treibt, so könnten's auch die Frauen, Und dürre Frauen wären's nicht, es thäten's wohl auch schwang❜re." Der erste Theil von Vers 19 ist unverständlich; soll doch heissen: „Und es ist nicht einmal nöthig, dass sie dürr sind?" I, 5. 5:,,Sind Türken eingefallen nicht" kann man nicht sagen für: Es sind nicht die Türken eingefallen oder: Nicht Türken eingefallen sind. *) V, 15 ist freilich vollständig eine Fabel, indem an dem Wettgesang zwischen Nachtigall und Königstochter, die sich gegenseitig ihre Vorzüge beneiden und ihre Mängel enthüllen, die Moral deutlich gemacht wird: „Ach! was das Herz des Andern drückt, Niemand kann das ermessen." Jedoch das Gedicht ist nur eine Variation des vorhergehenden, das ohne diese Gedankenspitze auftritt. III, 20, 5 u. 6: Am Tische, wo gelagert sie (Plusquamperfect?), der Tafel, wo sie sassen, Verstummte plötzlich das Gespräch, dann aber sprach ein andrer: (!) Ein Anderer kann nur einem besonderen „Einen" gegenüberstehn. IV, 13 wünscht ein Unglücklicher, der in der Fremde Unbilden erleidet, seine Mutter möchte ihn nie geboren haben. Er fährt fort Vers 8: Was mach' ich hier? was will ich hier? was soll ich ihr (der Mutter?) gewähren? Ist das ein passender Sinn? Das Original lautet: Σὰ μὲ ἔκαμε, τί μ' ἤθελε; σὰ μ' ἔχει, τί μὲ θέλει; Eine sorgsame Durchsicht könnte so hier und da manches Schwerfällige, Ungenaue, sprachlich Gewaltsame beseitigen. Im Ganzen hat der Verfasser seinen Zweck erreicht, eine fliessende hübsche Uebertragung gegeben, die nicht abschreckt, wie's häufig geschieht. Es bleibt noch Einiges über Anmerkungen und Vorrede zu sagen. Auch die Anmerkungen sollten streng den Zweck, den Laien mit der Natur, dem Sinn des griechischen Volkslieds bekannt zu machen, festgehalten haben: wie es die Uebersetzung gethan. Hier ist aber häufig Ueberflüssiges, häufig zu wenig geschehn. Die überwiegende Mehrzahl erklärt unregelmässige Formen, dient also dem nebensächlichen Interesse. Anmerkungen ferner nach Art der, wie sie zu II, 7 beliebt ist, kann Jeder entbehren: „Das Gedicht ist ein lebendiger Ausdruck der nationalen Feindschaft zwischen Griechen und Türken auf dem Grunde des religiösen Glaubens, und es feiert namentlich die Vorzüge der morgenländischen Kirche und des Christenthums." Wer das nicht allein sieht, dem ist nicht zu helfen, für den schreibt man aber auch Nichts. Dunkele Gedichte, dunkele Vorstellungen habe ich häufig nicht erklärt gefunden. So war ich auf eine Erläuterung zu III, 19 wirklich begierig. Ich setze die Ballade ganz her: Der Vampyr. O Mutter mit der Söhne neun, mit deiner einz'gen Tochter, Und wenn zu mir der Tod nun kommt und Krankheit überfällt mich, 14 Als Bürgen riefest Gott du an, die Heiligen zu Zeugen, Wenn Leid mich oder Freude träf', du wolltest sie mir bringen." Dies Wort trieb aus dem Grab' ihn auf, und aus dem Grabe stieg er, Und traf sie, da sie kämmte sich, traf sie im Schein des Mondes, Wer sah ein schönes Mägdlein je ziehen mit einem Todten?" Wie traurig ist's, wie kläglich ist's, was wir da sehen müssen, Und sehn da, wie Lebendige hinziehen mit den Todten !" Hörst du, mein Konstantakis, wohl, was dort die Vögel sagen: Mir graut vor dir, mein Brüderlein, und duftest auch nach Weihrauch." Und sage mir, wo ist dein Haar? wo ist dein macht'ger Schnurrbart?“ ,,Sehr krank war ich und brachte mich die Krankheit nah dem Tode, Und fiel mein blondes Haar mir aus und auch mein mächt'ger Schnurrbart." Verschlossen finden sie das Haus, verschlossen und verriegelt Mit Spinngewebe sehen sie die Fenster überzogen. „Mach Mutter, auf, mach auf die Thür, ich bringe dir Areten." ,,Bist, Charos, du, zieh weiter nur, hab' keine andere Kinder, Die arme Aretula mein ist weit in fremdem Lande." ,,Mach, Mutter, auf, mach auf die Thür, dein Konstantis ja biņ ich; Als Bürgen rief ich Gott selbst an, die Heiligen zu Zeugen, Wenn Leid dich oder Freude träf', ich wollte sie dir holen." Und wie sie aus der Pforte trat, aus haucht sie ihre Seele. Wozu diese Ueberschrift? Hatte Constantis die Gestalt des Todesgottes wirklich angenommen, wie es Vers 64 andeutet? Weshalb stirbt die Mutter? auf welchen Vorstellungen beruht das? Blieb Aretula am Leben? Was ist der Sinn des Ganzen? Diese Fragen tauchten am Schluss sofort in mir auf. „Der Uebersetzer wird doch eine Erklärung versuchen." Ich sah die Anmerkung Seite 208 nach: An das oben mitgetheilte Volkslied, wofür sich bei Tommasio (Canti Toscani Corsi Illirici Greci Venezia 1842), nach ihm auch in der Sammlung von Passow S. 396 fgg. noch zwei ähnliche Lieder finden, und von dem schon früher anderwärts bemerkt worden ist, dass es eine gewisse Aehnlichkeit mit Bürger's Leonore habe, erinnert ein serbisches Volkslied: Jeliza und ihre Brüder. Dieses serbische Lied ist in der slawischen Volkspoesie das einzige Beispiel von der Wiederkehr eines Verstorbenen in jener mysteriösen Weise, wie christliche Nationen des Nordens und Westens ein solches Ereigniss darstellen. S. Talvj: Uebersichtliches Handbuch einer Geschichte der slawischen Sprachen und Literatur. Nebst einer Skizze ihrer Volkspoesie. Deutsch von Dr. Brühl. 1852. S. 276 fgg. Was klärt diese Anmerkung von all' den Fragen auf? wie viel unnützen gelehrten Ballast giebt sie? Wozu die Vergleichung mit der Leonore, die Jeder von selbst anstellt? Vieles was in der Anmerkung stehen sollte auch da könnte ja Alles auf einen Gegenstand sich beziehende an der passendsten Stelle zusammengedrängt werden ist in's Vorwort gesetzt. Manches steht halb im Vorwort, Ergänzungen folgen in den Anmerkungen; z. B. über oroixɛtov und die Ableitungen handelt Vorwort XX fgg. und S. 197. Anstatt über die Sitten, den Charakter und die Lebensweise der Neugriechen, vornehmlich von dem Wesen und Leben der Klephten das für das Verständniss der Gedichtsammlung Nöthige übersichtlich zusammenzustellen, was doch für denjenigen, der durch die Anthologie mit der griechischen Nationalität bekannt werden soll, unumgänglich zu fordern war, verweist Kind im Allgemeinen auf die der Fauriel'schen Sammlung der Chants populaires de la Grèce moderne voranstehende Einleitung! Ferner vermissen wir eine ausführliche Behandlung derjenigen Gedichte, welche nur, wie oben angedeutet, Variationen desselben Thema's sind. Gewiss wäre es auch für Viele, die nicht Neugriechisch verstehen, interessant und belebrend gewesen, die Arten der Umformungen im Zusammenhang erörtert zu sehen. Man hätte gewünscht, dass die gleichartigen Gedichte in Bezug auf ihre Abhängigkeit untereinander geprüft wären, kurz eine kritische Behandlung der betreffenden Lieder. Eine solche hätte vielleicht manches Gedicht um einige unpassende Verse, die aus einem ähnlichen Gedicht entlehnt, hier schlecht hineingearbeitet wurden, gekürzt. Z. B. folgendes Gedicht; Die junge Frau. Drei Tage war sie erst vermählt und ging ihr Mann auf Reisen. Die Arme trauerte zu Haus und klagte laut und weinte. Was send' ich in der Fremde dir? was soll ich dir nur senden, Sicher bekäme das Gedicht ohne die fremdartigen Verse 4- 6 grössere Einheit und Abrundung. Sollten sie Einschiebsel sein? Nun vergleiche IV, 11: In der Fremde. Mein Vogel in der Fremde du, um den so Viele klagen, |