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sieht etwas Zufälliges für das Wesentliche an. Die Geschlechtsformen des Artikels dienen, wo und in so weit sie vorhanden sind, lediglich dem Congruenz-Verhältnisse. Der Artikel hat vermöge derselben die Fähigkeit, sich mit dem Nominalgeschlechte in Uebereinstimmung zu setzen, aber nicht den Zweck, dieses zu bezeichnen. Sie sind ein Reichtum für ihn, den er, wie verschiedene Sprachen zeigen, auch entbehren kann, aber keine Nothwendigkeit. Er verhält sich in diesem Stücke wie die übrigen Pronomina, wie die Adjectiva, die Participia; auch diese fügen sich in das Genus ihrer Substantiva, aber dass sie es darum „bezeichnen", hat noch Niemand gesagt.

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Es ist deshalb auch ersichtlich, dass die Erfindung und der Gebrauch des Ausdruckes Geschlechtswort" nur einem Mangel an Sachkenntniss zuzuschreiben ist. In der That kommt er, wie hier wiederholt werden muss, nur in ganz unwissenschaftlichen Bearbeitungen der französischen und leider auch der deutschen Grammatik vor; denn die übrigen Sprachen geben auch selbst dem unwissenschaftlichen Bearbeiter nicht einmal Gelegenheit dazu. Wiewohl man ihn trotzdem, wie oben erwähnt, auch da antreffen kann. Grammatiken von nur einigermassen wissenschaftlichem Werthe kennen ihn nicht. Aber nicht nur Mangel an Sachkenntniss, die sich unter Umständen allenfalls entschuldigen liesse, trägt die Schuld jenes Ausdruckes. Wenn man weiter noch die syntaktische Anwendung des Artikels in Betracht zieht: so überzeugt man sich, dass auch Mangel an Nachdenken, sträfliche Gedankenlosigkeit ihren Antheil daran hat.

Im Zusammenhange der Rede kommen die Substantiva nicht immer mit ihrem Artikel, sondern eben so oft ohne denselben vor. Der Artikel ist also in einigen Fällen nothwendig, in andern entbehrlich oder unzulässig. Wann ist er dies, wann jenes? Die Vertheidiger des „Geschlechtswortes" sind in der Lage, zugeben zu müssen, dass Wörter wie Mann und Frau, Vater und Mutter, Sohn und Tochter, Hahn und Henne, König und Königin u. s. f., deren Geschlecht ja unzweifelhaft ist, das ,, Geschlechtswort" ein für alle Mal entbehren könnten. Sie sind in der Lage, fordern zu müssen, dass Wörter, die aus

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nahmsweise ein anderes Geschlecht haben als ihnen der Regel nach zukommt, nie ohne ihr „Geschlechtswort" gebraucht werden sollten. Sie müssen dies noch nachdrücklicher bei solchen verlangen, welche, wie Band, Hut, Thor, mit dem verschiedenen Geschlechte auch eine verschiedene Bedeutung verbinden, die also in Abwesenheit des Geschlechtswortes" unentschieden bliebe oder sich gar verwechseln liesse. Oder wenn man ihnen. Sätze vorlegt wie z. B. „Jetzt ist es Zeit“ und „Die Zeit ist edel": so sind sie in dem Falle, behaupten zu müssen, dass es in dem einen derselben von Wichtigkeit sei, das Geschlecht der ,,Zeit" ausdrücklich anzugeben oder in Erinnerung zu bringen, in dem andern aber nicht. Sie sind in dem Falle, auf die Frage nach dem Grunde dieser Wichtigkeit die Antwort schuldig zu bleiben. Nöthigt man sie, noch solche Sätze zu vergleichen wie z. B. „Der Löwe zerreisst seine Beute mit den Zähnen" und „Sein Rachen ist mit Zähnen besetzt": so können sie das Geständniss nicht versagen, selber zu sehen, dass man trotz dem „Geschlechtsworte" von dem Geschlechte der „Zähne" doch in dem einen dieser Sätze gerade so viel erfahre als in dem andern, wo es fehlt.

In der That vergessen sie auf dem syntaktischen Gebiete plötzlich ihre ganze Theorie von dem,, Geschlechtsworte". Dem klaren Thatbestande gegenüber fühlen sie selber, dass davon nicht die Rede sein könne.

Ist also die Theorie von dem „Geschlechtsworte", ist die Behauptung, der Artikel diene zur Angabe des Geschlechtes, Nichts weiter als ein Product der Ignoranz: so könnte es im Grunde überflüssig scheinen, solchem Producte so viel Aufmerksamkeit zu widmen als hier geschehen ist. Die Sache hat indess auch eine pädagogische Seite, die noch eine besondere Beachtung verdient.

Manche Elementarlehrer machen geltend, dass es schwer sei, die eigentliche Bestimmung des Artikels Kindern zu verdeutlichen. Die Kinder würden das nicht verstehen. Also sage man ihnen kurz, der Artikel bezeichne das Geschlecht. Das können sie verstehen.

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Hierauf ist dreierlei zu entgegnen.

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Erstens Womit soll der Grundsatz gerechtfertigt werden, dass es erlaubt sei, Kindern, weil und so lange sie für das Verständniss des Wahren noch unempfänglich sind, Unwahres zu lehren? Was man auf der unteren Stufe nicht lehren zu können glaubt, das verspare man eben für die höhere. Man thut den Kindern kein Unrecht, wenn man sie mit Erklärungen verschont, für welche sie noch nicht vorbereitet sind; aber man versündiget sich an ihnen, wenn man wissentlich Irrtümer in sie hineinpflanzt. Schüler, welche um bei unserer Sache zu bleiben sich einmal eingebildet haben, der Artikel sei dazu da, das Geschlecht zu bezeichnen, sind - das ist erfahrungsmässig nur mit der äussersten Schwierigkeit zu der Einsicht zu bringen, dass er im Gegentheil zu etwas ganz Anderem da ist. Der erste Eindruck kehrt, wie Unkraut, immer wieder und raubt der bessern Erkenntniss Kraft und Boden auf lange Zeit. Womit also will man jenen pädagogischen Missgriff entschuldigen, womit ihn wieder gut machen? Wozu Etwas lehren, was man nachher zu eigner und der Schüler Qual wieder vertilgen muss ?

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Zweitens Was ist die eigentliche Bestimmung des Artikels? Dem Wortlaute nach ist er ein „Glied" des Hauptwortes, ein Zusatzglied, welches hinzutreten oder nach Umständen auch wegbleiben kann. Das wird an Beispielen wie Hier liegt Geld“ und „Das Geld wird geprägt" Kindern, die überhaupt Sprachunterricht empfangen, doch wohl anschaulich zu machen sein. Auch wird sich, wer nicht weiter gehen zu dürfen glaubt, vorläufig getrost hierauf beschränken dürfen. Es ist jedoch nicht abzusehen, warum man selbst auf der unteren Stufe Kindern nicht auch Sätze vorlegen dürfe wie „Das Fenster ist offen, Dies ist der Schlüssel zu dem Schranke, Wir wollen das Märchen von den drei Schwänen lesen". Es ist nicht abzusehen, warum man hieran den Kindern nicht wolle deutlich machen können, dass es sich da um etwas Gegenwärtiges, Vorliegendes handle, um Etwas, womit man es eben zu thun habe oder bekannt sei und dass eben dies durch den Artikel ausgedrückt werde. Bedienen sich doch die Kinder selbst

in jedem Augenblicke des Artikels, wenn sie von einer Sache reden, von welcher sie wissen oder glauben, dass sie der Andere kenne, von welcher sie annehmen, dass der Andere verstehe, welchen sie meinen. Welche Schwierigkeit findet man also darin, Kindern den Begriff des Bekanntseins zu verdeutlichen? Will man alsdann auf der höheren Stufe ausführen, dass der so als bekannt gesetzte Gegenstand eben dadurch von andern ihm gleichen oder ähnlichen unterschieden, dass er als dieser, als Individuum bezeichnet sei; will man hinzufügen, dass der sogenannte unbestimmte Artikel (ein, eine, ein) das Individuum als solches unbestimmt lasse und nur auf die Gattung deute, zu welcher es gehört; will man bemerklich machen, dass das Substantiv, wenn es ohne allen Artikel gesagt wird, den Gegenstand nur von Seiten seines gedachten, d. h. qualitativen Werthes und Wesens, oder seines quantitativen, numerischen Verhaltens vorstelle (ein Unterschied, der in denjenigen Sprachen, welche keinen Artikel haben, nicht zum Ausdruck gelangt): so wird man hiermit jene anfängliche einfache Kenntniss erweitern und vervollständigen, aber nicht zu der SisyphusArbeit genöthigt sein, sie zu berichtigen, zu bekämpfen, zu vertilgen.

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Drittens Was stellt man sich unter dem Geschlechte, unter dem Genus vor, wenn man voraussetzt, dass dies den Kindern ohne Weiteres verständlich sei? Das Genus ist ein Flexions-Verhältniss. Es beruht auf der formalen Bildung und Gestaltung der Nomina, welche und in so weit sie sich zu dem Unterschiede der Declination entwickelt. Im Deutschen bildet das Masculinum nebst dem ähnlichen Neutrum die starke, das Femininum die schwache Declination. Im Griechischen und Lateinischen ist die dritte Declination die der Stämme, die erste und zweite umfassen die in der einen oder andern Richtung gehenden Ableitungen. In den romanischen Sprachen kommen, da die Casusformen aufgegeben sind, nur noch die unterschiedenen Pluralbildungen in Betracht. Im Französischen sind auch diese, da sie (mit den wenig zahlreichen Ausnahmen auf x) alle auf s ausgehen, zu einartigen geworden. Wenn trotzdem da noch von einem Genus die Rede ist: so ist es eine aus den Archiv f. n. Sprachen. XXXI.

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übrigen romanischen Sprachgliedern herübergenommene, mit Rücksicht auf die Adjectiva und Participia, denen der FlexionsUnterschied zum Theil noch im Singularis (z. B. grand, grande) anhaftet, aufbewahrte Erinnerung. Im Englischen und Ungarischen, wo die Declination oder vielmehr Pluralbildung gleichfalls eine einartige ist, verschwindet das Genus in der That gänzlich. Auf ähnliche Weise verhält es sich mit dem Genus in den slawischen und orientalischen Sprachen, worüber man sich aus Bopp's vergleichender Grammatik des Weiteren belehren kann. Das Flexions-Verhältniss, welches seinen Ausdruck in dem Genus findet, ist also eine Sache, deren Bekanntschaft sich bei den Kindern begreiflicher Weise nicht voraussetzen lässt, deren Behandlung im Gegentheil, auch wenn man sie noch so sehr vereinfacht, eine weit grössere Umständlichkeit erfordert als die oben dargelegte Verdeutlichung des Artikels. Die Erklärung des Artikels, den Kindern gegenüber, für schwierig, die des Genus hingegen für leicht oder gar selbstverständlich halten verräth eine unklare Auffassung des Einen wie des Andern. Freilich, wenn man in Betreff des Genus die Bezeichnungen „masculinum, femininum, neutrum“ oder „männlich, weiblich, sächlich“ zum Maassstabe nimmt: so kann man sich wohl darauf berufen, dass die Kinder allerdings wissen, was ein Mann, eine Frau und etwa auch eine Sache sei. Auch die Griechen unterscheiden das γένος als άρσενικόν, θηλυκόν und ovdétεgov; bei den Indern heisst das Neutrum, dem Manne und Weibe gegenüber, noch weit ausdrucksvoller sogar der Eunuche. Aber diese Bezeichnungsweise ist eine ganz ungehörige, den grammatischen Verhältnissen ganz unangemessene und fremdartige. Sie rührt von den orientalischen Grammatikern her, deren phantastischer Sinn die Unterschiede des sinnlichen, natürlichen Geschlechtes auf die Unterschiede der Wortgestalten übertrug und bildlich diese nach jenen bezeichnete. Auch passen diese Bezeichnungen, die den Sexus (das Naturgeschlecht) angehen, überhaupt nicht zu dem Ausdrucke yévos oder Genus, und eben so ungehörig ist es, diesen Ausdruck mit „, Geschlecht" zu verdeutschen. Genus bedeutet nicht das, was wir insgemein unter „Geschlecht" verstehen. Es bedeutet „Art“ und bezieht sich auf die Bildung und Gestaltung des Wortes, auf

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