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Herr Staedler spricht über den Artikel beim Superlativ. Der Artikel diene nicht zur Bildung des Superlativs. Formen wie le plus dur, il più duro, el mas duro seien Comparative.

Herr Herrig beleuchtet im Hinblick auf die bevorstehende Fichtefeier Fichte's Reden an die deutsche Nation vom Standpunkte der Pädagogik.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Gerth, der Hamlet von Shakspeare. Acht Vorlesungen. Leipzig, 1861.

Die Schrift ist in bester Gesinnung und mit richtiger Einsicht der in den letzten Erklärungsschriften zu Hamlet" herrschenden Verkehrtheit geschrieben. Es ist in der That für ein unbefangenes Gefühl wahrhaft verletzend, zu sehen, wie man sich von allen Seiten wetteifernd bemüht, eine poetische Heldengestalt, die der grösste Dichter ganz unzweifelhaft in der besondern Eigenthümlichkeit ihres Charakters als eine seiner idealsten Schöpfungen intendirt hat, im eigentlichsten Sinne in den Schmutz zu ziehen. Die Auslassungen eines Rohrbach oder Storffrich hätten freilich in keiner Weise eine Beachtung verdient, wie sie ihnen Herr Gerth mehrfach zu Theil werden lässt. Dergleichen ist durch sich selbst gerichtet. Aber von dem einsichtsvollen Kreyssig hätte man doch erwarten dürfen, dass er in Hamlet schliesslich mehr gefunden hätte, als die Zeichnung eines geistreichen Schwächlings," dessen Bemerkungen immer geistreicher werden, je weiter es mit seiner Gewissenhaftigkeit abwärts gehe zur sophistischen Verdrehung aller einfachsten sittlichen Vorstellungen, bis die geistreiche Sentimentalität endlich bei Thaten ankomme, die sich von Verbrechen kaum noch unterscheiden liessen. Inhaltslose Sentimentalität, die krankhafte Eitelkeit des Gedanken- und Redevirtuosen soll Hamlet's Wesen kennzeichnen, und der Sinn des Stückes soll sein, welches Unglück willenlose Schwäche anrichte. Wahrlich, jede gefühlvolle Zuschauerin aus dem mittleren Bürgerstande, die über das Unglück und die innere Zerrissenheit des armen Dänenprinzen herzbrechende Thränen des Mitleids weint, beweisst ein tieferes Verständniss des Stücks, des Charakters des Helden und der sittlichen Conflicte, in die er gestellt ist.

Es ist verdienstlich von Herrn Gerth, dass er es sich zur Aufgabe gemacht hat, dergleichen Auffassungen zurückzuweisen und zu zeigen, dass man den Charakter des Helden und die Bedeutung der Tragödie auch von ganz anderer Seite her fassen könne. Doch können wir auch Herrn Gerth nicht zugestehen, dass seine Auffassung im Wesentlichen die richtige und nothwendige ist, und dass er auch in seiner Polemik den Standpunkt eingenommen hätte, der die kräftigste Abwehr möglich macht.

Der Verfasser erklärt diejenige Seite an Hamlet, die eigentlich die Schwierigkeit der Erklärung begründet, sein Zaudern und Schwanken, für einen Ausfluss seiner Gewissensbedenken gegen die ihm auferlegte That. Recht verstanden ist dies offenbar das Richtige. Vieles zwar scheint dagegen zu sprechen. Vielleicht kein tragischer Held hat so viele und so lange Mo

nologe, die doch offenbar dazu bestimmt sind, das innerste Geheimniss des sittlichen Charakters und der Motive des Helden uns zu erschliessen. Gleichwohl kommt in sämmtlichen Aeusserungen Hamlet's kaum irgendwo ein eigentlich sittliches Bedenken gegen die Rachethat vor, wohl aber auffällig gehäufte und wiederholte Selbstanstachelungen und Racheschwüre und andererseits leidenschaftliche Selbstanklagen wegen der noch nicht vollzogenen Rache. Dies beweist offenbar, dass Hamlet's Bedenken, wenn sie auch sittlicher Natur sind, ihm doch nicht als solche in's Bewusstsein getreten sind. Man kann sie daher auch nicht eigentlich Gewissensbedenken nennen: denn so nennen wir nur solche Bedenken, die aus bewusster Abwägung des Werthes und des Verhältnisses sittlicher Mächte entstehen. Ist es daher nicht Feigheit, Willensschwäche, Unentschlossenheit, überhaupt kein Motiv gemeiner Art, was Hamlet's Arm bindet, und das erweist jedes Wort, jede That, die Gesammthaltung des Helden, der ganze Gang der Handlung, bleibt also nur die Annahme, das hemmende Princip sei sittlicher Art: so kann es doch nur in dem unbewussten Zuge der sittlichen Eigenthümlichkeit Hamlet's liegen, nicht in sittlichen Grundsätzen, die durch Reflexion in das Bewusstsein treten. Dem Hamlet wäre also eine That auferlegt, die seiner sittlichen Natur widerspricht, obgleich er den Wunsch und die Absicht hat, sie zu vollziehen, und während er offenbar bestrebt ist, sich die Mittel zur Vollziehung zu sichern; während Alles: die Pflicht gegen den elend gemordeten Vater, gegen das Reich, gegen die schmählich verletzte sittliche Gerechtigkeit, das Interesse der eigenen Ehre, der eigenen Existenz ihn dazu antreibt, hält ihn die eigenthümliche Anlage seines sittlichen Charakters davon zurück. Damit ist nicht gesagt, dass die auferlegte Rachethat absolut und unter allen Umständen verwerflich ist; dass nicht eine Orestesnatur, vollkräftig, ursprünglich und reflexionslos sie vollziehen dürfte ohne Beeinträchtigung des sittlichen Bewusstseins; dass nicht eine Electra, von sittlichem Pathos getragen und von der Idee der Pietät bis in's innerste Mark erfüllt, alle Seiten der That kühn in's Auge fassen und mit sicherer Hand den Plan zu derselben entwerfen dürfte. Die Eumeniden, durch die aus sittlichen Motiven und im Interesse der wiederherzustellenden sittlichen Harmonie vollbrachte Rachethat aufgestört, würden wenigstens wieder versöhnt werden können nach antiken wie nach modernen Begriffen. Es ist damit auch nicht gesagt, dass Hamlet, wenn er die bedenkliche, doch nicht verwerfliche That nicht zu thun vermag, weil er eben keine Orestesnatur, kein Electragemüth ist, deshalb ein Feigling, ein Schwächling wäre. Nein, jeder Andere möchte ohne Verletzung des Gewissens diese That vollziehen können: Hamlet darf es nicht und kann es nicht, weil er eben diese so geartete Natur ist. Und andererseits: Hamlet möchte zu jeder grossen That, zu jeder heroischen Anstrengung angelegt sein: aber grade diese That, die ihm auferlegt ist, vermag er nicht zu vollbringen, und darf es nicht. Für ihn wäre es ein Verbrechen. Goethe hatte Recht, wenn er sagte: von Hamlet würde das Unmögliche verlangt, nicht das an sich Unmögliche, sondern das, was ihm unmöglich sei. Obgleich ihm jede Pflicht heilig sei, sei grade diese ihm zu schwer. Nur hätte er nicht glauben sollen, dass dies von dem Mangel an der sinnlichen Stärke herrühre, die den Helden mache. Vielmehr ist die befohlene That der Art, dass ein inneres Widerstreben auch bei heroischen Naturen erklärlich ist, dass aber bei einem Helden, so überlegt, gefühlvoll, liebeglühend, wie Hamlet, dies Widerstreben entscheidend sein muss, ohne dass man ihn der Schwäche anklagen darf.

Mag man sich nun mit dem eben Vorgetragenen einverstanden erklären oder nicht: der Standpunkt, den der Verfasser in seiner Erklärungsweise einnimmt, wird jedenfalls bedenklich erscheinen. Herr Gerth führt Hamlet's Gewissensbedenken mit aller Bestimmtheit auf religiöse Motive zurück. Hamlet ist nach ihm wesentlich ein Held christlicher Gesinnung. Christliches Sittengebot ist die vielleicht bloss dunkle, aber die leitende Macht

seines Benehmens. Die ganze Entwicklung seines Charakters beruht auf dem Kampfe des natürlichen Menschen, des Rachegefühls und Ehrprincips des alten Adam in ihm gegen die Gebote christlicher Liebe. Die philologische Begründung aus dem Texte des Stücks ist natürlich äusserst schwach. Weil Hamlet das Wort tables für Schreibtafel gebraucht, das auch die Gesetzestafeln des Moses bezeichnen kann; weil er das Gebot des Geistes als commandement bezeichnet, was auch „zehn Gebote" bedeuten kann; weil der Verfasser in Polonius' Ermahnungen an seinen Sohn Aehnlichkeit mit Lehren gefunden hat, die in den Sprüchen Salomonis enthalten sind und in dem Prediger Salomonis eine Stelle entdeckte, die von einem Richter spricht, der höher als die Hohen das Unrecht straft, das den Armen geschieht, und andere Stellen von ähnlichem Belang, wo von Träumen die Rede ist, wie ja auch Hamlet sagt, dass er böse Träume habe, oder von Gelübden, während Hamlet ein Gelübde, das er gethan, nicht halten darf: so beruht also Hamlet's ganze Stimmung auf einem Nachhall der in seiner frühen Jugend eingesogenen religiösen Grundsätze, und Shakspeare hat auf der Basis von Bibelsprüchen sein Trauerspiel aufgebaut. Wir haben kein Wort gegen solche Schlussfolgerungen zu sagen; es würde verschwendet sein. Aber gesetzt auch diese Schlüsse wären nicht so ganz unbegründet, so müsste man, so lange nur irgend eine andere Erklärungsweise einen Grad von Wahrscheinlichkeit hat, gegen die Auffassungsweise des Verfassers aus allgemeinen ästhetischen Grundsätzen ankämpfen. Denn nichts ist einfacher und gewisser, als der Satz, dass die aus speciell christlichen Motiven entspringenden Entwicklungen menschlicher Gesinnung, dass die innern Seelenkämpfe des Christen absolut unfähig sind, durch künstlerische Gestaltung ausgedrückt und nachgeahmt zu werden. Nicht etwa, dass sie zu wenig ideell sind, sondern weil sie es in so hohem Grade sind, dass sie jenseits des Gebiets der Erscheinung heimisch und in Gegenständen der äussern Erfahrung nicht ausdrückbar, dass sie jedem irdischen Auge und jedem endlichen Geiste ein undurchdringliches Geheimniss sind. Man täusche sich doch nicht: die Kunst, zu allermeist die Dichtkunst, und in dieser wieder in besonders gesteigertem Grade die dramatische Kunst drücken sittliche Conflicte, Erscheinungsformen des sittlichen Willens aus. Die Ideale dramatischer Kunst sind die höchsten Ideale sittlicher Weltanschauung. Aber die Anschauungsweise der Kunst überhaupt geht überall nur auf die Form und über diese nirgends hinaus. Es ist immer nur die endliche Seite der Erscheinung, in der die unerreichbare Grösse transcendentaler Mächte als Schönheit durchscheint. Das Sittliche der ästhetischen Gestaltung fällt daher nie und nirgends zusammen mit dem Sittlichen der ethischen Idee. Niemand hat dies besser eingesehen als Schiller. Die höchste, geistigste Form der ethischen Idee hat mit der Kunst nichts mehr zu schaffen. Die Motive der Kunst sind auch auf sittlichem Gebiete formeller Art. Die frohe Blüthe der Kraft, die Energie des äussern Kampfes, das in die Augen springende, farbenreiche und wirkungsvolle Gemälde heroischer Gesinnung: das ist der eigentliche Gegenstand ästhetischen Wohlgefallens. In künstlerischer Darstellung ist nicht die Frage: was entspricht der höchsten Idee des Sittlichen, sondern was erregt am meisten unser sittliches Wohlgefallen. Auch die That der Gewalt gefällt, wenn sie aus rechter frischer Kraft hervorgegangen ist. Nur das Gemeine, Hässliche missfällt. Schönheit ist nur, wo geistige Ideen in körperliche Formen, in Formen erscheinender Verhältnisse wahrnehmbar werden. Die Poesie flieht überhaupt die Darstellung besonderer und eigenthümlicher religiöser Vorstellungen, wie sie sich dem Eigenthümlichsten nationaler Gebräuche vielfach versagt. Ihr Gebiet ist das Allgemein-menschliche in Motiven und Gebräuchen, weil sie eben durch ästhetische Verhältnisse der Form auf das Allgemein-menschliche des ästhetischen Urtheils wirken will. Aller Besonderheit des Positiven und Nationalen wird daher etwas abgezwackt, mit Nothwendigkeit, zu Gunsten poe

am

tischer Wirkung. Nichts aber entzieht sich der Poesie mit solcher Entschiedenheit, als die Seelenkämpfe des Christen. So wenig, wie der Herr, als er auf Erden wandelte, irgend eine Gestalt noch Schöne hatte, so wenig kann die tiefste, geistigste Entwicklung des dem Herrn nachwandelnden Christen durch Schönheit Gefallen erregen. Das Reich rein geistiger Entsagung und Weltentfremdung macht eher den hässlichen Eindruck der Ascetik; da ist nichts, was den Augen gefalle. Wir meinen daher: das eigentlich Christliche entzieht sich der künstlerischen Darstellung überhaupt, und kein rechter Dichter hat je den Versuch gemacht, es darzustellen: wenigsten gewiss Shakspeare. Es muss daher gegen eine Auffassung, die Shakspeare am Maassstabe der christlichen Ethik misst, und unser Verfasser ist bekanntlich darin nicht der erste, unter allen Umständen protestirt werden. Die weiteren Wirkungen, welche christliche Gesinnung auf das Urtheil und die Auffassung der Dinge hat, und die zu einem populären Bewusstsein werden, die den Charakter einer Epoche bilden, diese erscheinen auch beim Dichter, und bei Shakspeare nicht zum wenigsten. Es ist eben auch in der Dichtkunst zu verfolgen, dass alle Cultur der neueren Menschheit und unsere gesammte Anschauungsweise aus dem Christenthume entsprungen ist: aber man verwechsle das nicht mit dem Christlichen im engern Sinne, d. h. mit der Gesinnung des ganz und mit Ausschluss alles Fremdartigen, dem Glauben an den Herrn ergebenen Gemüthes. Jene Wirkungen des Christenthums als der Religion der Culturvölker erscheinen auch bei Goethe und Schiller; aber nicht diese christliche Gesinnung, der die beiden Grössten unter den deutschen Dichtern selbst entfremdet waren.

Aus diesen Gründen muss uns des Verfassers Bestreben, im Hamlet rein christliche Seelenkämpfe nachzuweisen, als verfehlt erscheinen. Ja, noch mehr. Was er für christliche Motive nimmt, die Conformität mit dem Wortlaute der Zehngebote, lässt sich nicht einmal so bezeichnen, sondern wäre höchstens als Motive der Gesetzlichkeit zu bezeichnen. Eine in das Mannesalter herüberwirkende Erinnerung an die in der Jugend erlernten Gebote kann vielleicht als ein religiöses Moment des Gewissens im weitesten Sinne, aber sicher nicht als etwas speciell Christliches gelten.

Es ist nun leicht nachzuweisen, dass eine Deutung, die eben im Princip falsch ist, auch in der Anwendung auf viele, ja auf die meisten Einzelheiten verkehrte Resultate ergiebt. Besonders eines wollen wir hervorheben. Es ist gewiss mit tieferer Absicht des Dichters geschehen, wenn Hamlet mit Wittenberg, Laertes mit Paris in Verbindung gebracht wird. Wenn man annimmt, dass Wittenberg Ernst und Tiefe, Paris Eleganz und Oberflächlichkeit bedeutet, so wird man dem Sinne des Dichters ziemlich nahe kommen. Aber das genügt unserm Verfasser nicht. Wittenberg bedeutet ihm die Religiosität als auszeichnendes Merkmal des deutschen Volkes gegen das französische. Allmälig bildet sich daraus die Deutung des Stückes als einer Darstellung der nationalen und confessionalen Gegensätze jener Zeit, des Katholicismus und Protestantismus, des Germanischen und Romanischen. Der Verfasser geht in seiner Abneigung gegen das Katholische und Romanische ziemlich so weit, als man überhaupt gehen kann. Protestantismus und Gottesfurcht sind ihm identische Begriffe, also auch Katholicismus und die äusserste Gottlosigkeit. So erhält denn das Stück auch ganz bestimmte historische Beziehungen. Es wird erinnert an die Verworfenheit der Päpste: Alexander's VI., Julius II., Leo's X., an die Unsittlichkeit Franz I., Heinrich's II., Franz II. etc. Der Claudius der Tragödie ist also ein Compositum aus Franz I. und Heinrich III. Die Stiftung und die Zwecke des Jesuitenordens werden herbeigezogen, insbesondere der Königsmord als Grundsatz jesuitischer Theorie, der vielfach auch in die Praxis überging. Und nun liegt merkwürdigerweise ein Königsmord auch dem Hamlet zu Grunde, Claudius aber ist auch der Name eines Jesuitengenerals, des Her

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