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umfafst die jüdische Erzählung aus Palästina und das bretonische Märchen (II). Diese beiden Formen der Sage erzählen, wie bereits angedeutet, im Gegensatz zu allen anderen Fassungen nichts mehr von einer Gewinnung der Frau, ein Mangel, der ihre Einreihung in die angegebene Klassifikation einigermafsen erschwert. Doch ist ihre Lokalisation an der erwähnten Stelle der Entwickelungstafel dadurch gesichert, dafs sie noch einen, wenn auch unscheinbaren Rest der Loskaufsepisode Hilfe beim Überschreiten des Meeresarms, bezw. Rettung beim Schiffbruch zeigen, der ihnen die letzte Stufe unter den betrachteten Entwickelungsformen anweist.

Die hier verfolgten Entwickelungsreihen enthalten übrigens, wie ich nicht unterlassen will zu erwähnen, nicht alle früher verzeichneten, zu unserem Sagenkreise gehörigen Stoffe. Gewisse Versionen sind nämlich von Zügen aus anderen Sagengebieten so stark durchsetzt und zeigen infolgedessen eine so weitgehende Modifikation der Elemente unserer Sage durch fremde Motive, dafs sie in ihrer Stellung zu den reineren Fassungen nicht sicher zu beurteilen sind, sich somit einer exakten sagengeschichtlichen Konstruktion im Sinne des angegebenen Entwickelungsschemas entziehen.

Breslau.

Max Hippe.

Sitzungen der Berliner Gesellschaft
für das Studium der neueren Sprachen.

Sitzung am 20. September 1887.

Herr Bischoff macht auf Modersohns Realien in den Chansons de geste, Amis et Amiles und Jourdains de Blaivies aufmerksam. Das über das gewöhnliche Mafs einer Dissertation weit hinausgehende Buch stellt das kulturgeschichtliche Material aus diesen Dichtungen gut zusammen.

Herr Michaelis sprach über die neueren Resultate der von Oakley-Coles 1871 zuerst angewandten Stomatoskopie, und im besonderen über die Abhandlung von R. Lenz, Zur Physiologie und Geschichte der Palatalen (Zeitschr. für vergleichende Sprachforschung Bd. 29). Lenz giebt getreue Abbildungen der Gaumenartikulationen in natürlicher Gröfse und führt eine genaue Einteilung des Gaumendaches und des Zungenrückens ein. Unter dem Einfluss der palatalen Vokale werden die Artikulationen von k und g vom Gaumensegel ab vorgeschoben bis zum Präpalatum, wo die mouillierten k' und t' gebildet werden, indem die starke Krümmung des Präpalatum einen breiten Verschlufs herbeiführt und bei der Lösung des Verschlusses durch Rinnenbildung ein frikativer Nachlaut entsteht. Bei der Unterscheidung der t- und k-Laute tritt besonders der Gegensatz zwischen der Artikulation der Zungenmitte und der der Seitenteile der Zunge hervor, wobei auch das Zungenbändchen eine Rolle spielt. Rückschreitende Palatalisierung findet bei der Mouillierung von und statt, sowie bei den Assibilationen von t und d vor i, welche besonders im Polnischen am reichsten entwickelt sind. Im Spanischen sind nn und wahrscheinlich durch dorsale Bildung in mouillierte Laute übergegangen.

Herr Wätzold verliest eine Arbeit von Puls in Flensburg über den zweiten Teil von Brandes, Hauptströmungen der Litteratur im 19. Jahrhundert. Es wird darin nachgewiesen, dafs etwa drei

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Vierteile dieses Bandes aus deutschen Quellen mehr oder weniger wörtlich abgeschrieben sind, ohne dafs der Verfasser es auch nur der Mühe für wert gehalten hätte, seine Gewährsmänner zu nennen.

Sitzung am 25. Oktober 1887.

Herr Arnheim spricht über James Shirley. Der 1596 zu London geborene Dichter studierte in Oxford und Cambridge, war kurze Zeit Pfarrer in Herefordshire, ging aber, nachdem er vorher zum Katholicismus übergetreten war, bald nach London. Dort und während eines längeren Aufenthalts in Irland verfafste er seit 1624 dreiunddreifsig fünfaktige Dramen, von denen ihm das 1635 erschienene The Traitor mit Unrecht abgesprochen wird. Die eine ziemlich reiche Erfindungsgabe bekundenden Stücke enthalten keine tiefen Reflexionen, zeichnen sich aber durch Lebendigkeit und Wärme des Dialogs aus. Als Proben teilt der Redner darauf den Inhalt zweier Stücke (The Cardinal und The General) mit. Herr Vatke macht darauf aufmerksam, dafs auch Ben Jonson zur katholischen Kirche übergetreten sei, ohne dafs sich dies jedoch in seinen Dramen bemerkbar mache, was Herr Zupitza dadurch erklärt, dafs bei ihm der Rücktritt sehr bald erfolgt sei. Von einem Einfluss des Religionswechsels auf die schriftstellerische Thätigkeit hat Herr Arnheim auch bei Shirley nichts entdeckt.

Herr Rödiger berichtet über den von ihm herausgegebenen zweiten Band der deutschen Altertumskunde von Müllenhoff, der sich mehr mit eigentlich germanischen Dingen beschäftigt als der erste Band, aber doch auch viel Fragen behandelt, die andere Zweige der Philologie hätten erörtern sollen. Besonders handelt es sich darum, die historischen Grenzen Germaniens in den ältesten Zeiten festzustellen, vorzüglich nach Norden und Osten hin. Das mit den schwierigsten Fragen sich beschäftigende Buch bietet seinem ganzen Inhalte nach durchweg Neues, von dem manches auf allgemeine Anerkennung allerdings nicht wird rechnen dürfen. Herr Appel führt an, dafs Montelius auf dem Wege antiquarischer Forschung zu ganz anderen Resultaten über die Ausbreitung der Finnen in Skandinavien gelangt sei als Müllenhoff.

Herr Förster empfiehlt darauf von E. Dorer Abhandlungen zur spanischen Litteraturgeschichte und poetische Sachen.

Sitzung am 8. November 1887.

Herr Goldbeck sprach über den portugiesischen Dichter Anthero Quental, aus dessen tief und wahr empfundenen Sonetten er in deutscher Übertragung eine Reihe von Proben mitteilte, um daran zu zeigen, wie der Dichter sich aus düsterer, verzweiflungs

voller Stimmung allmählich zu einer Art Versöhnung mit Gott und der Welt durchgerungen hat.

Herr Wätzold gab Bemerkungen zum französischen Volksliede. Der germanische Charakter des altfrz. Heldenliedes erhält sich lange im geschichtlichen Volksliede, wie z. B. das Lied auf die Pavier Schlacht bei Leroux de Lincy, Recueil de Chants historiques français II, XX und das Lied vom König Renaud (Haupt-Tobler S. 132) beweisen. Ebenso finden sich reichliche Beziehungen zum germanischen Mythus im französischen Volksliede. Eine ganze Anzahl formelhafter Eingänge, wie Là haut sur la montagne u. ä. sind dem deutschen und dem französischen Volksliede gemeinsam. Zahlreich sind die Lieder gleichen Inhalts, wie z. B. das Lied von den zwei Königskindern. Auffallend ist die schlagende metrische Übereinstimmung einzelner französischer und deutscher Volksliedstrophen, besonders im 16. Jahrhundert, die auf gemeinsame Melodien schliefsen läfst. Im französischen Volksliede läfst das Metrum sich indessen schwer bestimmen, da nach dem Bedürfnis der Melodie Zerdehnungen und Kürzungen vorgenommen werden, die im Druck nicht immer hervortreten. Jedenfalls sind im französischen Volksliede Reim und Silbenzahl nur für das Ohr vorhanden. Das Volkslied kennt den Widerspruch zwischen den modernen Sprachsilben und der historischen Silbenzählung des Verses nicht. In sehr vielen Fällen geht die auffallende Ähnlichkeit zwischen den französischen Liedern der östlichen und nördlichen Landschaften und deutschen Liedern hervor aus der Ähnlichkeit der Zustände und der Kultur des Landvolkes. Doch enthält das französische Volkslied ein Stück germanischen Wesens zweifellos noch heute.

Herr Tobler besprach, ausgehend von dem, was im Neufranzösischen und hier und da bereits im Altfranzösischen bezüglich des Gebrauches von piéça und von naguères sich bemerken läfst, einige Fälle, wo auch das Präsens est die zeitliche Bestimmtheit, die ihm zukommt, eingebüfst hat, indem es unter Umständen auftritt, wo die Analyse des Ausdrucks nur ein Imperfektum gutheifsen kann.

Sitzung am 22. November 1887.

Herr Müller machte einige Mitteilungen über gewisse holländische Einflüsse auf den Westen Ostfrieslands. Sowohl in der Erscheinung von Land und Leuten, als auch in der Volkssprache ist die Ähnlichkeit zwischen Groningerland und West-Ostfriesland unverkennbar, besonders nähert sich der Reiderländer dem Holländer in Wesen und Sprache. Von dem Altfriesischen haben sich nur noch Reste erhalten, bereits seit dem 14. Jahrhundert wurde es in Ostfriesland durch die niedersächsische Mundart sowohl in Sprache wie in Schrift verdrängt. Heute herrscht die alte Sprache noch im

holländischen Westfriesland, in dem oldenburgischen Saterlande und an der schleswigschen Westküste. Einzelne alte Wörter, wie Hilk (Heirat), Fohne (Mädchen), biester (häfslich), tüddern (anbinden) werden noch gebraucht. Die alten friesischen Familiennamen, wie Tadema, Poppinga, Mennenga, Ykema u. s. w., wie sie sich auch in Groningerland und Westfriesland finden, erinnern an die Herkunft der Bewohner.

Aufser der Nachbarschaft und Stammesverwandtschaft hat die frühere politische Zugehörigkeit zu Holland in West-Ostfriesland Wurzeln geschlagen, die bis heute noch nicht ganz aus dem Boden verschwunden sind. Durch den Einflufs Hollands nahm der Westen das reformierte Bekenntnis an, während im Osten die lutherische Lehre sich befestigte. Hier gewann das Hochdeutsche die Oberhand, während dort in Schule und Kirche das Holländische herrschend wurde; unter der hannoverschen Regierung erfreute sich dieses Idiom besonders auf dem Lande noch einer gewissen Pflege beim Nachmittagsunterricht und an manchen Sonntagen in der Kirche. Erst seit den letzten Jahrzehnten ist die hochdeutsche Sprache Alleinbesitzerin von Katheder und Kanzel geworden.

Wie im 16. und 17. Jahrhundert Groningerland und West-Ostfriesland als zusammengehörig betrachtet wurden, bezeugen mehrere Landkarten aus dieser Zeit, die teils in Amsterdam, teils in Emden herausgegeben wurden, und zwar in holländischer Sprache. Als Autoren seien erwähnt: Ubbo Emmius, Professor in Groningen, und Martinus Faber in Emden. Die Dollartfluten seit dem 15. Jahrhundert haben Groninger und Ostfriesen durch das Bestehen gemeinschaftlicher Gefahren auch einander genähert; die Berichte über diese schrecklichen Naturereignisse sind teils in holländischer, teils in niederdeutscher, holländisch gefärbter Sprache verfafst. Beim Einzuge Friedrichs d. Gr. in Emden am 12. Juni 1751 hatte man eine Ehrenpforte errichtet, an welcher die Inschrift prangte:

O Koning groot van Macht, van Eeer en van Verstand,
Meer vader in ous Hart, als Koning in ous Land.

Ein Schullehrer Namens Sievers zu Pilsum giebt in einem Memorial van eenige aanmerkelike voorvallen (1741-1789)" in niederdeutsch anklingendem Holländisch eine anziehende Beschreibung des königlichen Einzugs.

Das Museum in Emden besitzt manche Merkwürdigkeiten aus der Zeit der Herrschaft der holländischen Sprache, mehrere Häuser weisen noch holländische Spruch-Inschriften auf, die Bauart der Stadt mit ihren den holländischen Grachten ähnlichen Delften ist ganz die des Nachbarstaates.

Bei der Fahrt auf der Unter-Ems eilt das Schiff an Ortschaften vorbei, deren Namen auf deutschem Gebiete denen in Groningerland

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