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Meifsners auf den Frankfurter Reichstag gehört, dieser Tadel des Meifners nicht in demselben Atemzuge vorgetragen sein kann, wie Wilmanns freilich annehmen will. Gegen den formellen Grund von Wilmanns läfst sich der Umstand geltend machen, dafs z. B. ein Lied auf Gerhard Atze und das Lied auf Reinmars Tod gleichen Ton zeigen, ohne dafs jemand daraufhin ihre enge Zusammengehörigkeit behauptet hätte.

Übrigens kann gerade die Untreue des Meilsners, für dessen Treue er so sicher bürgen zu können geglaubt hatte, Walthers Zorn hervorgerufen und neben anderen Gründen seine vollständige Lossagung vom Meifsner herbeigeführt haben. Denn dafs jenes Lob der Treue vor dem Kaiser das einzige 2 gewesen wäre, das Walther dem Meifner gezollt hätte, wie Wilmanns meint, damit stehen die Worte Walthers selbst: „Ich hân dem Missenære gefüeget manec mære“ (106, 3. 4.) in direktestem Widerspruch.

Nur eins lässt sich gerade aus diesen gegen den Meifsner gerichteten Sprüchen noch zu Gunsten Walthers ersehen: dafs ihm nämlich um Lohn nicht alles feil war, er verzichtet vielmehr ausdrücklich auf den Lohn für seinen Dienst (105, 29), nur sein Lob als Dichter will er von ihm anerkannt sehen.

Wenn Wilmanns ferner behauptet, dafs Walther wieder um Lohnes willen seine Kunst ganz in den Dienst der persönlichen Politik Friedrichs stelle und darum für die Wahl des jungen Königs Heinrich eintrete, so ist schon oben bemerkt,3 dafs keinerlei bestimmte Angabe in dem betreffenden Gedichte selbst dieser Vermutung zu Grunde liegt.

Schwerer zu rechtfertigen ist der Übergang Walthers von Otto zu Friedrich, da er selbst hier mangelnden Lohn als Grund angiebt und somit Wilmanns' Behauptung, er singe seine Sprüche nur um Lohn und Ehre, nicht um politischer Thaten willen, selber zu bestätigen scheint.

1

Wilmanns bemerkt aber selbst, dafs kein Lied Walthers eine persönliche Annäherung an Otto verrät, dafs sich nirgend eine Spur davon zeigt, dafs die Waffengenossenschaft mit ihm

2.

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1 P.-B., Beitr. 8, 161 ff. Wir kennen nur das eine, eben jenes Lob unwandelbarer Treue gegen Kaiser und Reich." Leb. S. 76. 3 S. 17, Anm. 3. Leb. S. 116.

freundlichere Beziehungen geweckt habe; nie ruhe das Auge des Sängers auf dem Kaiser mit jenem Wohlgefallen, mit dem er einst Philipp betrachtet habe.

In dem Spruche 26, 23 wirft er dem Könige Otto geradezu Wortbruch ihm gegenüber vor, was zu dem historischen Urteil über ihn als magnificum promissorem et parcissimum exhibitorem stimmt. Da er ihn nun in demselben Spruche als den bösesten Herrn bezeichnet, den er je gehabt, so wird er in dem Spruche 29, 4 unter dem „bösen Manne" gewifs ihn auch im Auge gehabt haben, zumal er anderweitig (28, 31) mit völlig unzweifelhafter Beziehung auf Otto nach Empfang seines Lehens alle bösen Herren desto minder anzuflehen verspricht.

Bezieht man aber den Spruch 29, 4 richtig auf Otto, so ergiebt sich folgende Charakteristik desselben: ein böser Mann, freundlich ins Gesicht; aber wer ihm traut, den kratzt er mit giftigem Nagel.

Unter solchen Umständen ist ihm die Abwendung von Otto weniger zu verargen als die Zuwendung zu Friedrich; entschuldbar ist auch die letztere teils durch die äufsere Not, in der ihn Otto trotz seiner Verdienste gelassen hatte, teils durch die Erinnerung daran, dafs Friedrich längst die Krone bestimmt gewesen war; vor allem aber durch die Sympathien, denen Friedrich als Sprofs des staufischen Fürstenhauses von vornherein bei seinem ersten Auftreten begegnet war,3 und die in immer weitere Kreise drangen; 3 endlich durch die gewinnende und einnehmende Persönlichkeit des jungen Fürsten, die eine neue Zeit des Glanzes, eine neue staufische Kaiserherrlichkeit für Deutschland verhiefs.4

Die ersten Sprüche übrigens, die er dem Staufer widmete, sind rein persönlicher Natur; einen politischen Spruch, der mit seiner bisherigen antipäpstlichen Gesinnung im Widerspruch stände, würde man vergebens suchen; er war kein gewöhnlicher Renegat, und als der Kampf von neuem begann, finden wir ihn aufs neue als Rufer im Streit wider die päpstliche Gewalt.

1 Wilm., Leb. S. 117; Winkelm. 2, 154, Anm. 3. 2 Auf ihn auch gedeutet von Pfeiffer-Bartsch, Überschrift zu Nr. 146 Pf. 3 Kaiserchronik 17992; Winkelm. 2, 338. Eine eingehende Rechtfertigung des Übertritts bei Menzel 195 u. 225.

Es bleibt noch die letzte Anklage von Wilmanns zu prüfen übrig: dafs er Fürsten, welche ihr politisches Handeln von ihrem persönlichen Vorteil abhängig machten, nicht gemieden habe, folglich politische Gesinnungslosigkeit viel weniger anstöfsig fand als wir.

Ersteres ist richtig, der daraus gezogene Schluss falsch. Walther ist am Hofe des Thüringers wie des Meifsners gewesen, er war eben als Dichter gezwungen, sich um den Lohn fürstlicher Gönner zu bemühen. Was steht der Annahme entgegen, dafs es seine Minnelieder waren, welche ihm den Zutritt bei ihnen verschafften? Also nicht, weil sie politisch gesinnungslos, sondern weil sie Beschützer der Kunst waren, und zwar solche Beschützer der Kunst, wie es späterhin keine mehr gab; deshalb hat er ihre Wohlthaten erbeten und angenommen. Er hat, gewifs in gutem Glauben, des Meifsners Treue bezeugt, für den Landgrafen ein gutes Wort eingelegt; beiden gegenüber hat er gethan, was sein dankbares Herz ihm eingab, mehr nicht. Wäre er der Mann dazu gewesen, um Lohnes willen wider besseres Wissen falsches Zeugnis abzulegen, nun, so hätte er auch aus gleichem Beweggrunde im Interesse seiner Gönner zum Abfalle vom Kaiser auffordern müssen, was er in keinem seiner politischen Gedichte thut. Bei blofsem Streben nach Lohn und Ehre hätte er aber nicht mit solchem Takt, mit solcher Sicherheit jene Scheidegrenze

gezogen.

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„Zwei Zungen stehen schlecht in einem Munde“; „der schîn nimt drâte ûf und abe"; diu meiste menge enruochet wie si erwirbet guot; sol ich 'z also gewinnen, sô gane slâfen, hövescher muot“; „des mannes muot sol veste wesen als ein stein“: 2 wer so sprechen konnte, der hat gewifs nicht wider besseres Wissen falsches Zeugnis abgelegt, der hat seine politischen Sprüche nicht blofs um Lohn und Ehre, sondern aus tiefster innerer Überzeugung gedichtet und gerade dadurch seine Zuhörer, ja seine Zeitgenossen mächtig fortgerissen.

Sämtliche Anklagen von Wilmanns sind also hinfällig, und

1 Docen, Über die deutschen Liederdichter seit dem Erlöschen der Hohenstaufen u. s. w. (Archiv f. Geschichte u. s. w. Jahrg. 1821) S. 201. 2 Ähnliche Stellen bei Wilm., Leb. S. 229; Uhland S. 49.

es behält das Urteil von Scherer1 über den Charakter Walthers uneingeschränkte Gültigkeit. „Wenn der wandernde Spielmann, der von der Gnade seiner Gönner lebte und kaum lebte, unter dem Drucke der Not die Parteien wechselte, soweit es sich um Personen handelte, so hat er doch niemals die Partei gewechselt, soweit es sich um Principien handelte. Er war stets ein guter Patriot, ein frommer Mann, ein Feind des Papstes."

Mit Recht nennt Wilmanns 2 die politischen Sprüche Walthers recht eigentlich Gelegenheitsgedichte, da sie sich fast durchweg auf bestimmte politische Ereignisse zurückführen lassen. Ihre fast epigrammatische Kürze trug mit zu ihrer schnellen Auffassung und raschen Verbreitung bei. „Unter3 drei Königen und Kaisern hat er an den öffentlichen Angelegenheiten teilgenommen; seine Bedeutung und sein Einflufs war mit den Jahren gewachsen.“ Schon Uhland hat sich ähnlich über die Wirkung seiner politischen Dichtung geäufsert.4

Die eine bekannte Stelle bei Thomasin 5 zeigt zur Genüge, dafs seine Worte nicht leerer Schall, sondern gleich Thaten waren, mit denen er dem Papste viele Tausende abwendig machte." 6

Dritter Abschnitt.

Die politische Dichtung des dreizehnten Jahrhunderts

nach Walther.

Gervinus weist bezüglich der gesamten Spruchdichtung des dreizehnten Jahrhunderts auf ihre Abhängigkeit von Walther hin. Die flache Nachahmerei, sagt er, das Entlehnen (namentlich von Walther von der Vogelweide) ist unter den Spruchdichtern (bei Walther von Breisach, Günther von dem Vorste, dem Teschler u. a.) noch leichter nachweislich. Diese Ansicht könnte zweifelhaft erscheinen, da die drei von Gervinus als Spruchdichter angeführten Minnesänger zu Unrecht als solche bezeichnet sind. Von den erhaltenen Dichtungen Walthers von Breisach ist keine ein

Litteraturgesch. S. 198. S. 129 u. 91. 5 W. G. 11163 ff. 7 MSH II, 140 ff.

2 Leb. S. 83. 3 Ebd. S. 152. 4 a. a. O. 6 Wackernagel, Litteraturgesch. S. 106.

Spruch, sondern alle drei umfangreiche Lieder, und zwar II ein Tagelied, I und III religiösen Inhalts; die sechs erhaltenen Gedichte Günthers v. d. Vorste und die fünf des Teschlers 2 sind durchweg Minnelieder. Wenngleich also die drei Beispiele von Spruchdichtern unrichtig gewählt sind, trotzdem scheint mir die Ansicht selbst in ihrer Allgemeinheit zutreffend; bezüglich der politischen Spruchdichter gehört eine nähere Prüfung dieser Ansicht hierher.

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Da ist zunächst der Truchsefs von St. Gallen, der manches von Walther in Wort und Gedanken entlehnt hat;3 er klagt mit Walther über die Veränderung der Zeit, da im Gegensatz zu früher die Jugend zuchtlos heranwüchse; sein Spruch „Ez nam eine witewe einen man“ hat ähnlichen Inhalt wie Walthers „Swâ der hohe nider gât": Walther sagt von den nidern, „die selben brechent uns die reht"; Singenberg von der Rechtspflege am königlichen Hofe, dafs die unter ungerechten Urteilen leidenden Parteien doch nur mit eigenem Mafse gemessen würden; 6 Walther beschuldigt di nidern, dafs sie aus Mangel an Kunst sich mit Lug und Trug helfen und durch ihr Thun auch die Fürsten dazu anweisen; Singenberg klagt, dafs Könige und Fürsten seiner Tage in dem Spiele „dâ hin, dâ her" ausgelernt seien.

Wie Walther pfaflîche riter, riterliche pfaffen, so tadelt Reinmar von Zweter hofmünche und klôsterritter. Weitere Entlehnungen Reinmars zeigt ein Vergleich von MSH II, 200 b, Spr. 129, desgl.

1 MSH II, 164. 2 Ebd. II, 125. 3 Gödeke S. 155; Bartsch, Dtsch. Liederdichter S. XLVI. MSH I, 293. L. XV. 5 Rieger (Walther S. 51) bezieht den Spruch 83, 14 auf Heinrich und seine Umgebung, wozu aber die Schlufsverse „nu sehent wie die krône liege und wie diu kirche stê" nicht passen; Wilm., Leb. S. 100 zieht den Spruch auf die letzte Zeit Philipps, bei dem doch kein Einfluss der nidern, noch weniger infolge davon die im Spruche angedeutete Demütigung des Kaisertums unter das Papsttum eintrat; vielmehr liefs der Papst 1207 Philipp durch seinen Legaten vom Banne lossprechen und bot ihm seine Vermittelung an, um Otto zur Abdankung zu bewegen; daher wird wohl Menzel S. 220 den Spruch richtig auf Otto und dessen Umgebung gedeutet haben. Dafs beide Sprüche „dieselbe Absicht" haben und sich auf dieselben politischen Verhältnisse beziehen, lässt sich schwerlich nachweisen. 6 Rieger S. 52 f. 7 Meyer, Untersuchungen über das Leben Reinmars von Zweter und Bruder Wernhers. Basel 1866. S. 66.

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