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ideale Gestalten kontrastierend gegenüberstellt; dafs in diesem Kontrast eine Kritik liegt; dafs er durch sein wahrheitsgetreues Verfahren selbst in kleinem Rahmen eine gewisse Totalität anstrebt. Hier also ergiebt die historische Betrachtungsweise ein ästhetisches Gesetz: auch im kleinen Totalität zu erstreben, einseitige Darstellung zu meiden, die immer falsch ist, da sie, wie bei Zola, die Vorstellung von dieser schlechtesten der moralischen Welten, die möglich, nur durch Übergehung des vielen Lichtvollen, das thatsächlich in ihr vorhanden, so der Thatsachen der Aufopferung, der Sympathie u. s. f., zu stande bringt. Die Lehre vom Erfolg aber zeigt, dafs der Dichter unbedingt mit der durchschnittlichen Lebensanschauung des Publikums rechnen mufs, um seines Beifalls sicher zu sein. Will er die sittlichen Schranken, die die Gesellschaft dem Streben des Einzelnen setzt, durchbrechen, verletzt er die sittlichen Instinkte der Menge, so darf er des Mifserfolgs sicher sein. Da haben wir also einen ästhetischen und einen sittlichen Mafsstab, von denen aus wir die Poesie beurteilen, eine indirekte und eine direkte Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Poesie und Sittlichkeit.

In dem Kapitel über den Tauschwert der Poesie und den litterarischen Verkehr bejaht Scherer die Frage, ob es für den Dramatiker heilsam sei, auf ein bestimmtes Theater Rücksicht zu nehmen und so den Schauspielern dieser Bühne die Rollen gleichsam auf den Leib zu schreiben. Eine gefährliche Behauptung, der gegenüber viele, wohl in richtiger Erwägung der Art, wie dichterische Produktion zu stande kommt, abweichender Meinung sein werden. Sie beruht auf unmittelbarer, durch keine Zwischenglieder vermittelter Beobachtung des darzustellenden Gegenstandes, auf unmittelbarem Kontakt mit ihm: eine Erkenntnis, die schon längst treffenden Ausdruck einen besonders treffenden beim englischen Ästhetiker Warton gefunden hat und wohl der ganzen modernen litterarischen Produktion zu Grunde liegt. Bei dem empfohlenen Verfahren ist die Gefahr schwerlich zu vermeiden, dafs der Dramatiker auf den Griff ins volle Menschenleben" verzichte, vielmehr aus der Erinnerung an Dargestelltes und Darsteller Neues schaffen und, was er gleichsam aus zweiter Hand übernommen und durch die Brille anderer geschaut, neu formen will. Dafs auf solche Weise jemals ein echtes Kunstwerk geschaffen worden, kann auch Scherers Meinung nicht gewesen sein. Die allerdings wünschenswerte „Garantie des nötigen Erfolges" entspringt am sichersten aus dem naturgemäfsen Verfahren, wenn es von berufenen Händen geübt wird. Mit Vorteil können nur die Einrichtung des Scenariums sowie die Wahl des Stoffes durch jene Rücksicht beeinflusst werden, besonders die Wahl des Stoffes, die, wenn er einem bereits behandelten und bühnenwirksamen ähnlich ist, allerdings für den Erfolg des zukünftigen Werkes mehr bürgt, als wenn sie ohne jede Anlehnung an schon Dargestelltes, an schon Dagewesenes getroffen wird.

Diesen Ausstellungen lassen sich ohne Zweifel manche andere zur Seite stellen. Sie zu machen, liegt im Interesse der Wissenschaft und im Sinne des verstorbenen grofsen Gelehrten. Ernste Erwägung auch unbedeutender, aber von Liebe zur Sache eingegebener Ansichten schien ihm der Wissenschaft Vorteile zu bringen, ähnlich wie auch Leibnitz kein noch so minderwertiges Buch ohne Nutzen gelesen zu haben erklärt. Darum sei uns zum Schlufs noch folgende Bemerkung gestattet: Scherer gab sich, wie es scheint, der Täuschung hin, als ob durch sein Verfahren die Werturteile aus der Poetik verbannt oder doch mindestens sehr eingeschränkt werden würden. Er sagt zwar (p. 68), dafs in der Analyse der Wirkung der Kunstwerke Werturteile lägen, so dafs seine Poetik auf ähnliches komme, wie es die frühere angestrebt habe; doch noch kurz zuvor (p. 65) meint er, dafs die Ästhetik am besten von den verschiedenen Wirkungen rede, welche durch verschiedene Arten der Poesie

hervorgebracht werden, sich indes des Urteils auf Gut oder Schlecht enthalten solle. Aber wenn einmal Werturteile zulässig sind, was sind sie anders als eine Skala, die sich zwischen den Polen gut“ und „schlecht" bewegt? Oder sollten sie wirklich ganz zu umgehen sein? Wie uns scheint nein. Man erwäge: Kunstwerke erregen Gefallen oder Mifsfallen; diese psychologisch unerklärten Gemütszustände kommen in Geschmacksurteilen zum Ausdruck, welche sich im Laufe der Zeit zu traditionellen Urteilen abklären, durch Vergleichung Werturteile werden. Die Thatsachen des Geschmacks, auf denen aller Genufs an den Künsten beruht, werden sich nie aus der wissenschaftlichen Kunstbetrachtung eliminieren lassen, weil sie nur in den Händen desjenigen fruchtbringend sein wird, der Geschmack besitzt. So ist ihre letzte Aufgabe im Grunde, die Wirkungen der Kunstwerke durch Analyse derselben nach Stoff und Inhalt leider nur indirekt zu erklären, die spontan gefällten Werturteile in bewusste, begründete zu erheben. Demnach stellt die Poetik schliesslich nur die Verbindung zwischen zwei festen Punkten her. Auf welche Weise aber dies geschehen soll, dafür soll die Poetik eine Topik, eine Anleitung sein, bei der die induktive Methode, wie wir sie oben angedeutet, zu Ehren kommt. Dr. S. Saenger.

Über den Vortrag epischer und lyrischer Dichtungen. Mit zahlreichen kommentierten Musterstücken für monologischen und dialogischen Vortrag wie auch für chorische Aufführungen. Von Gustav Humperdinck, Seminar-Direktor. Köln, DuMontSchauberg, 1886. gr. 8. 3,20 M.

Mit grofser Wärme tritt der Verf. für seinen hohen Zweck, für die edlen Schöpfungen unserer Epik und Lyrik weite Kreise empfänglicher zu machen, ein; diesen hofft er durch das Mittel eines wohlvorbereiteten Einzel- und Mehrstimmenvortrags am besten erreichen zu können. Es ist ein Erfahrungssatz, dafs bedeutende Recitatoren wie die Rhapsoden alter Zeit grofse Versammlungen entzücken, durch die Schönheit des Vortrags Unzähligen erst die Schönheit der Dichtung erschliefsen; nun mufs auch die Schule für diesen Weg gewonnen werden, und wie nun durch den monologischen Vortrag nicht allein, sondern auch durch Aufführungen in Chor und Wechselrede für die Schule zunächst ein tieferes Verständnis des Gedichts, ein wärmeres Gefühl für die Poesie erzielt wird, so hofft der Verf., dafs auch unser geselliges Leben daraus Nahrung schöpfen und sich edler gestalten werde. Wenn zu besserer Unterhaltung bisher Dramen gewählt wurden, so erhebt gegen diese Bevorzugung der Verf. den Einwurf, dafs das Drama seiner Natur nach doch eine scenische Darstellung fordere, ein Vorlesen immer nur ein abgeblafstes Bild gebe. Bevor der Verf. an einer grofsen Anzahl von Gedichten von Goethe, Schiller, Klopstock, Herder, Ühland u. a. bis ins einzelne auseinandersetzt, wie sie vorzutragen seien, legt er im ersten Teile sehr ausführlich mit grofser Sachkenntnis die Grundsätze dar, nach denen der Vortrag eingerichtet werden müsse; denn ihrer Natur nach solle die Poesie, um zu ihrer rechten Würdigung zu gelangen, weil sie eine redende Muse sei, in schönem Vortrag gehört werden. Aber nicht zu monologischem Vortrag eigne sich jedes Gedicht; die Erfahrung hat schon bewiesen, dafs manche, wie Schillers Glocke, Platens Grab im Busento u. a. erst durch die chorische Gestaltung eines Vortrags in ihrer vollen Schönheit für die Hörenden und für die Mitwirkenden hervortreten und die Schönheit hier dieselbe erziehende Kraft wie beim Gesange hat, ja, dafs ein solcher Vortrag vor dem Gesange den Vorteil hat, dafs er in voller

Eigenheit, weil kein anderer Klang dareinredet, die ganze Fülle der Sprachmusik, die in den Worten liegt, entfaltet. Worin diese Sprachmusik ihren tieferen Grund hat, das setzt der Verf. in dem ersten Hauptteile seines Buches aufs eingehendste auseinander, diese Kunstmittel der Sprache, der konsonantische Bau, der vokalische Farbenwechsel der Wortstämme, die Ton- und Quantitätsverhältnisse entfalten nicht im Gesange, sondern im gesprochenen Vortrag ihre grofse Schönheit. Der Verf. behandelt nun in den folgenden Kapiteln den Sprachlaut in der Poesie, die Aussprache, die bei uns noch sehr daniederliegt, den deutschen Rhythmus, die Tongeltung der Silben im Wort und im Verse, die Hauptstile des deutschen Rhythmus, wobei die Vortragsgesetze für den schematischen Versbau und für die freien Rhythmen zu unterscheiden sind, das wird besonders an Klopstocks Frühlingsfeier klar gemacht. Für die richtige deklamatorische Wiedergabe eines Dichterwerkes kommt es auch wesentlich auf die Auffassung, auf das Tempo und die Toumodulation an, und auch diese Punkte werden einer eingehenden Erörterung unterzogen. Schliefslich giebt der Verf. wertvolle Vorschriften für das Stimmverhältnis bei chorischen Vorträgen.

Unter

Der zweite Teil bringt 31 epische und lyrische Dichtungen, mit Einleitung und Erläuterungen zur Auffassung und Wiedergabe im ganzen wie in den Einzelheiten, neun davon zum Einzelvortrag, die übrigen zu Mehrstimmenvorträgen und chorischen Aufführungen bestimmt. den ersteren scheinen zwei Gedichte, Ungelöste Fragen" von Hamerling, Der Knabe aus Tirol" von Martin Greif, ihres trüben Charakters wegen für den Vortrag der Jugend nicht geeignet zu sein. Unter den für den chorischen Vortrag geeigneten nimmt die erste Stelle ein das Lied von der Glocke; die Verteilung an Einzelstimmen, Gesamtchor und Chorabteilungen ist mit feinem poetischen Sinn durchgeführt, jedenfalls erfordert aber die Einübung nach diesen Schemen die gröfste Sorgfalt, und ob durch die Zerteilung einzelner Verse, z. B. die Schilderung der Feuersbrunst, unter vielfache Chorteile ein tieferer Eindruck gewonnen wird, kann zweifelhaft sein, sowie die Wiederholung mancher Versteile, wie Fliegt zum Tanz" u. a. durch nichts geboten scheint. Doch darum darf man nicht leugnen, dafs das Buch von jedem Deutschlehrer nicht blofs, sondern von jedem Freunde unserer Poesie, von jedem Freunde edlerer Unterhaltung gelesen und beherzigt zu werden verdient. Besonders sind die gewonnenen Resultate für Schulfeste zu verwerten.

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Die Grundzüge der Meditation. Eine Anleitung zum Entwerfen von Aufsätzen und Vorträgen für die oberen Klassen höherer Lehranstalten als Vorstufe zu den „Meditationen". Von Dr. Ferd. Schultz, Direktor des Gymnasiums zu Charlottenburg. Dessau, P. Baumann, 1887. 60 S. 8.

Die Meditationen" des Verf. haben einen solchen Anklang gefunden, dafs man demselben zu Dank verpflichtet ist, dafs er in dem obigen Werke über die Methode der Auffindung des Stoffes, die manches Eigentümliche bietet, näheren Aufschlufs giebt. Es ist namentlich von der üblichen Einteilung der Aufgaben nach den Stoffen abgewichen und eine andere Einteilung nach der Behandlung gewählt. Namentlich bei den Aufgaben, welche eine Charakteristik erheischen, hat er einen anderen als den gewöhnlichen Weg eingeschlagen und also auf Gesichtspunkte hingewiesen, welche zu einer tieferen und allseitigeren Auffassung der Aufgabe dienen. Ausführliche Anweisungen über Schlufs und Beweis, denen man in ähnlichen Anleitungen begegnet, hat der Verf. nicht gegeben, da sie in die Logik gehören, ist dagegen auf die Begründung aus der Analyse des Begriffes näher eingegangen. Nach der Einteilung der Alten in das genus

historicum und rationale teilt er nun die Aufgaben der Schilderung und Untersuchung, jene in Beschreibung und Erzählung, fügt aber als Übergang zur zweiten Hauptabteilung die einen Gegenstand der Erfahrung in seiner Entwickelung schildernde, auch das innere Leben zur Anschauung bringende Charakteristik hinzu. Ist der Hauptpunkt der einzelnen Aufgabe bestimmt festgestellt, der Stoff unter Berücksichtigung der Kategorien des Raumes, der Zeit, Ausdehnung, Beschaffenheit, des Verhältnisses gefunden und nach Inhalt und Umfang geteilt, so ist der Aufbau in Togischer Gedankenfolge zu vollziehen.

Im zweiten besonderen Teile sind für die Beschreibung, namentlich auch für Beschreibung der geschichtlichen Zustände, sowie für die Erzählung zweckmäfsige Gesichtspunkte aufgestellt, dann aber vorzugsweise die Charakteristik ausführlich besprochen; da vorzüglich der Mensch Gegenstand dieser Klasse ist, so hat hier der Verf. nicht umhin können, die innere Entwickelung des Menschen überhaupt, der Seelenkräfte auf psychologischer Grundlage zu verfolgen, auf die Stellung in der Gesellschaft, die Weltanschauung als auf die für die Charakteristik wichtigen Gesichtspunkte hinzuweisen. So ist hier der Weg vorgezeichnet, wie die Meditation bei den vom Verf. gestellten Aufgaben: das Gedächtnis, die Sprache, der Charakter, das Glück, Coriolan, Sigfrid, Parcival, Cordelia, Walther von der Vogelweide u. s. w. zu leiten ist. Anders als die Schilderung hat es die Untersuchung mit dem inneren Wesen der Gegenstände zu thun; knüpft sie sich an Gegenstände des reinen Denkens, so ist sie Entwickelung, an Gegenstände der Erfahrung Abhandlung. Die Entwickelung ist teils Begriffsentwickelung, teils Urteilsentwickelung. Bei der ersteren wird mit der Untersuchung der sprachlichen Bezeichnung anzufangen empfohlen, dann handelt es sich um die Feststellung der höheren Gattung, endlich der von den Arten derselben Gattung unterscheidenden Kennzeichen, wie an einzelnen Meditationen hier klar gemacht wird. Wie zur Erläuterung auf Inhalt und Umfang, so ist zur Erörterung und Begründung auf die Gesichtspunkte des Gegensatzes und der Ähnlichkeit, zur Begründung auf das ursächliche Verhältnis, auf Folgen und Zweck zu achten. Ist ein Urteil zu entwickeln, so sind wiederum die Begriffe zu erklären, dann das Urteil gegen andere abzugrenzen, endlich die Art der Verbindung beider Begriffe zu erörtern. Bei der Abhandlung, welche es mit Gegenständen der Erfahrung zu thun hat, wird der Inhalt nicht in Form einer Definition dargebracht, sondern derselbe entfaltet oder erläutert; dann folgt die Erörterung durch Unterordnung und Vergleichung, endlich die Begründung durch Würdigung, Beweis und Kritik; in der Theorie des Gegenstandes werden die allgemeinen Gesichtspunkte zusammengefasst. Diesen Gang veranschaulicht der Verf. ausführlich an dem Begriffe der Kunst, den Unterschieden der bildenden und der redenden Künste, der redenden Künste untereinander, nämlich der Musik und der Dichtkunst, kommt so auf die Gegensätze des Naiven und Sentimentalischen, auf die Begriffe satirisch, pathetisch, elegisch. Teilen wir ein nicht nach dem Verhältnis der Dichtkunst zur Natur, sondern nach dem Inhalte, so kommen wir auf die beiden Hauptteile, einerseits Lyrik, andererseits Epos und Drama. Bei der Meditation über das Stoffgebiet des Dramas wird Aristoteles, Lessing und Schiller herangezogen, namentlich auf den Wert der Erörterungen Schillers gegenüber Aristoteles zur rechten Würdigung Shakespeares hingewiesen. Nach diesen allgemeinen Festsetzungen wird auf die Erläuterung, Erörterung und Begründung besonders eingegangen und an einer grofsen Menge von Aufgaben nachgewiesen, auf welche Gesichtspunkte jedesmal die Meditation zu richten ist, somit auch der Schein des Schablonenhaften vermieden. Der Anhang weist ebenso auf die nach den Aufgaben notwendige Verschiedenheit des Inhalts, der Einleitung und des Schlusses hin.

Die Berechtigung der Fremdwörter.

Von Gustav Rümelin, Kanzler der Universität Tübingen. Zweite Auflage. Freiburg i. B., Mohr, 1887.

Das sehr anregende Buch, ursprünglich eine Rede zur akademischen Preisverteilung am 6. November 1886, hat schon viel Staub aufgewirbelt, hier und da Zustimmung, weit mehr Widerspruch erfahren, so von G. Hauff in Sanders' Zeitschrift, namentlich von Prof. Dunger. Man habe, sagt der Verf., die Frage über die Zulassung von Fremdwörtern in deutscher Rede als eine Sache der nationalen Ehre und Gesinnung dargestellt, und diese Rücksicht hält er für etwas Nebensächliches, das Urteil müsse nur aus dem Charakter und der Geschichte unserer Sprache, sowie aus den Bedürfnissen des menschlichen Lebens und praktischen Lebens geschöpft werden, er für seine Person fühle sein deutsches Gewissen um kein Haar mehr belastet, wenn er nach Bedarf ein fremdsprachliches Wort gebrauche, als wenn er sich in australische Wolle kleide, chinesichen Thee oder französischen Wein trinke. Mit der letzteren Bemerkung ist aber nichts gesagt, um die Sache ernstlich zu betrachten; mit der ersteren aber bezeichnet der Verf. seinen Standpunkt als nicht abweichend von dem seiner Gegner, nur auf die Auffassung der Begriffe kommt es an. Den Charakter der Sprache können wir nur erkennen, wenn wir ihre Geschichte verfolgen; diese zeigt uns, dafs unsere Sprache eine edle, ursprüngliche ist, dafs zu gewissen Zeiten man dies verkannt, dafs man sie mit fremdem Zierat bekleidet hat, so dafs ihre edle Gestalt schier unkenntlich wurde, dafs dies aber Zeiten waren, da auch unser Volkstum in Gefahr stand vergiftet zu werden. Welche Zeiten dies gewesen sind, weifs jedermann, und wenn Fischart, Lauremberg und andere vaterländisch gesinnte Männer das Volk aufrufen, sich auf sich selbst zu besinnen, seiner grofsen Ahnen würdig zu werden, so eifern sie auch immer gegen die gedankenlose Sprachmengerei. Die Sprache ist aber etwas anderes als ein Luxusgegenstand für den täglichen Gebrauch, wie australische Wolle. Der Verf. giebt zu, dafs es thöricht sei, wenn die Muttersprache die den Sinn vollkommen deckenden Worte biete, in anderer Zunge zu reden; nun, darum handelt es sich ja nur, ob wir solche Worte besitzen, und da zeigt sich der verschiedene Standpunkt des Verf. Es fällt ja seinen Gegnern nicht ein, auf wissenschaftlichen Gebieten die Fremdwörter von der Wurzel aus verbannen zu wollen, die Wissenschaft ist international; aber die Grenzen des Wissenschaftlichen und Internationalen ziehen eben andere anders als der Verf. Die gewaltigen sprachlichen Umwälzungen, welche auf dem Gebiete des Postwesens vorgenommen sind und sich schnell eingebürgert haben, würde der Verf., als sie ins Leben gerufen wurden, als unannehmbar, als, wie er sich ausdrückt, dem Denken Fesseln anlegend bezeichnet haben. Wie aber diese Wandlung leicht gewesen ist, so wird der Wandel auch auf anderen Gebieten so schwierig nicht sein. So will der Verf. die Toilettensprache der vornehmen Welt geschützt wissen, Brosche sei statt Busennadel, Collier gegen die Halskette, die mit den Hunden zu teilen sei, beizubehalten, als ob die grofse Masse des deutschen Volkes, für deren Denken doch die genannten Begriffe nicht transcendentale sind, Brosche und Collier verstände, als ob nicht der Verf. folgerecht auch dem Halsband, das wir ja mit den Schafen teilen können, den Krieg erklären müfste. Und nicht einmal äufserlich unschädlich ist der Gebrauch solcher wie der genannten Fremdwörter, mit dem Gebrauch derselben im gewöhnlichen Leben setzt sich bekanntlich leicht die Meinung fest, dafs die mit ihnen bezeichneten Gegenstände auch nur vom Auslande in würdiger Gestalt uns geliefert werden könnten, und so bringt eine Nachäfferei die andere hervor. Immer wieder betont der Verf. den Satz, dafs die Muttersprache dem Denken keine Fesseln an

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