ページの画像
PDF
ePub
[ocr errors]

Greflinger verdeutschten Novellen schon einen Ruf erlangt haben musste. Doch erwarb ich vor kurzem einen noch unbekannten Schauspieldruck aus demselben Jahre, welcher sich bei näherer Betrachtung als eine Übersetzung von Scarrons Komödie La fausse apparence (1662) herausstellte. Leider fehlt jede Angabe des Herausgebers und des Druckortes; die prosaische Übersetzung folgt getreu, auch in den Eigennamen, dem französischen Texte, der ja nur eine Bearbeitung von Calderons No siempre lo peor es cierto (1652) ist, 2 mufs aber als ziemlich fliefsend und gewandt bezeichnet werden. Der Titel lautet: „Der falsche Schein | Oder Die scheinbare Lieb. | Anno 1670." 120 S. 12o. Noch ein anderes Stück Calderons,,,El alcaide de si mismo", 3 in dessen Übertragung Scarron (Le gardien de soi-même) 1655 mit Thomas Corneille (Le geôlier de soi-même, auch Jodelet prince) wetteiferte, gelangte durch diese Vermittelung nach Deutschland: 1684 und 1690 spielte Velten in Dresden „Sein selbsteigen Gefangener", nachdem schon 1680 J. W. Francks von Matsen versifiziertes Singspiel „Sein Selbst Gefangener oder der närrische Prinz Jodelet" über die Hamburger Bühne gegangen war. 5 1726 wurde diese Oper einer Erneuerung unterzogen,

indem Praetorius den Text umarbeitete und Reinhard Keiser diesen neu komponierte. Eine Ausgabe der glücklicherweise erhaltenen Partitur des Keiserschen Jodelet wird durch Herrn Dr. F. Zelle in Berlin vorbereitet. In Moskau stellte eine deutsche Schauspielertruppe den „Prinz Pickelhering oder Jodelet durch sich selbst verhaftet" vor Peter dem Grofsen dar. 6

'Bolte, Anzeiger für deutsches Altertum 13, 107.

2 Val. Schmidt, Die Schauspiele Calderons, S. 85-87.

3 Schack 3, 217. 447. Val. Schmidt, S. 140-144. 510. Parfaict 8, 116-128. Niederländisch 1678 von P. van Geleyn nach J. te Winkel, Tijdschrift 1, 110.

4 Fürstenau 1, 271. 307. Heine, Velten, S. 31. Kormarts Übersetzung fällt vor 1669; s. oben S. 113.

5 Chrysander, Allgem. musikal. Zeitung 12, 199. 249. 449 f. Lindner, Die erste stehende deutsche Oper 1855, S. 109. Die Königliche Bibliothek zu Kopenhagen besitzt ein Textbuch o. O. und J., betitelt: „Sein selbst Gefangener.“ 41⁄2 Bogen 8o, welches wörtlich mit dem 5 Bogen 4° starken Hamburger Texte von 1680 übereinstimmt,

6Vgl. oben S. 88, Anm. 3,

Auch in dem 1679 von den Carlischen Komödianten in Dresden aufgeführten „Jodelet" könnte man dasselbe Stück Scarrons zu erblicken geneigt sein, wenn nicht die 1683 ebenda von etlichen Hofkomödianten gespielte Komödie von dem in seinen Herrn verkleideten Diener Namens Jodelet es wahrscheinlicher machte, dafs wir es in beiden Fällen mit dem ,,Jodelet ou le maitre valet" (1645) desselben Autors zu thun habén, dessen Quelle wieder ein spanisches Stück, Donde hay agravio no hay zelos von Rojas, 2 ist. Vielleicht war die der zweiten Aufführung beigegebene Posse „Die französischen Komödianten" eine Bearbeitung von Scarrons Comédie des comédiens (1635). Den Don Japhet d'Arménie (1652) hatte Velten 1689 in sein Repertoire aufgenommen. 3

Von Montfleury wurden durch die fahrenden Schauspieler zwei Stücke in Deutschland gespielt, L'école des jaloux ou le cocu volontaire (1664) und La fille capitaine (1672). Das letztere, dessen Idee der Dama capitan Figueroas entlehnt war, führte Paulsen mit seiner Truppe 1679 in Dresden auf; und Velten wiederholte 1684 die „Jungfer Capitain“, als er nach längeren Wanderzügen ebendort zum Karneval eintraf. „Der

1 Fürstenau 1, 254. 270.

5

2 Schack 3, 324-327. Klein 11, 1, 230. Eine holländische Übersetzung von J. Kommelijn, Jodelet of de knecht meester en de meester knecht, erschien 1683 zu Amsterdam; J. van Vloten, Het nederlandsch Kluchtspel 3, 182. Anders J. te Winkel, Tijdschrift 1, 112.

3 Heine, Velten, S. 35. Scarron folgte hier dem Marques del cigarral Moretos; vgl. Schack 3, 354. 448. J. te Winkel, Tijdschrift 1, 112. Wybrands, Het Amsterdamsche tooneel, S. 261. Eine holländische Übersetzung von Claude de Grieck wurde 1657 in Amsterdam aufgeführt und gedruckt. Über Kormarts Übersetzung vgl. oben S. 113.

4 Schack 3, 405. 448. Parfaict 11, 237. Eine holländische Übersetzung von Frans Rijk 1707 nennt J. te Winkel, Tijdschrift 1, 112. Auf eine spätere Verdeutschung von Montfleurys Stück durch Porsch ist oben S. 102, Anm. 2 hingewiesen.

5 Fürstenau 1, 253. 271. Heine, Velten, S. 32. Die Jungfer Capitain finden wir um 1710 im Nürnberger Dramenregister (Jahrb. der deutschen Shakespearegesellschaft 19, 147, Nr. 34) und etwas umgewandelt auf einem Frankfurter Theaterzettel vom 11. Juli 1741 (Archiv f. Frankfurter Gesch. u. Kunst, N. F. 9, 451). Französisch wurde es im Februar 1724 zu Hamburg als Zwischenspiel gegeben, ebenso L'Europe galante und 1725 Molières Mr. de Pourceaugnac (Lindner, Die erste stehende deutsche Oper, S. 118).

freiwillige Hahnrey" befand sich ebenfalls unter den zahlreichen aus dem Französischen entlehnten Stücken, welche Paulsen 1679 gab.1

Noch eine in Dresden wiederholt, von fremden Komödianten (1672), von Paulsen (1674. 1679) und Velten (1690) dargestellte Posse 2 „Die Perle" führt Heine S. 38 auf ein 1672 gedrucktes französisches Original, M. Girardins Le collier des perles, zurück; ob mit Recht, wird sich schwer ausmachen lassen; bei der ältesten Aufführung (1672) lautet der Titel wunderlich genug: das Possenspiel von Braten und der Perlen.

Vermutungsweise sei auch der französische Ursprung einer von Gottsched 1, 223 verzeichneten Schäferei Melissa (1668 o. O. 4o) erwähnt, welche jedenfalls nicht von der Melisa Harsdörffers (oben S. 110) herstammt. Man kann an Du Rocher, Mélize, pastoral comique (1639) oder an die anonyme Mélisse tragicomédie pastorale (1658) denken, in welcher Lacroix ein Jugendwerk Molières erkennen will.

Nicht nachzuweisen vermag ich das Original einer Onolzbacher Oper von 1678, deren Titel uns Gottsched 1, 240 überliefert: Der verliebte Föbus. Aus dem Französischen in das Teutsche übersetzt und in dem Hoch-Fürstl. Schau-Platz zu Onolzbach singend vorgestellet. 80." [Les amours du Soleil. 1671?]

[ocr errors]

Falls nicht blofs der Text, sondern auch die Komposition in Frankreich entstanden waren, hätten wir hier das erste Zeichen für die weitere Verbreitung der französischen Singspiele. Wenige Jahre später erschienen die grofsen Musikdramen Lullys auf den deutschen Bühnen, welche sich, dem allgemeinen Zuge der Zeit folgend, der Pflege der Oper widmeten, und errangen sich neben den italienischen Schöpfungen gleicher Art und ihren deutschen Nachbildungen Geltung. Zuerst gab man dieselben noch in der Sprache der Originale. So in Wolfenbüttel 1686 das 1678 von Molière und anderen gedichtete Ballett

1 Fürstenau 1, 253. Parfaict 9, 307-316.

2 Fürstenau 1, 235. 244. 254. 308.

3 Neudruck der Mélisse, Paris 1879 (Nouvelle collection Moliéresque Nr. 2).

4 Auch im Nürnberger Register Nr. 135 (Jahrbuch 19, 153). Andere Onolzbacher Opern bei Schletterer, Das deutsche Singspiel, S. 218 (1863).

Psyché und 1687 den Thesée (1675), zu dem Quinault den Text geliefert hatte; in Hamburg 1689 die zwei Jahre früher in Paris gespielte Oper Acis et Galatée und 1692 Achille et Polixène (1687), beide von Campistron gedichtet und mit Lullys Musik; 2 doch wurde bei der Aufführung des letzteren Stückes dem Textbuche eine deutsche Übersetzung von C. H. Postel beigegeben, und 1695 erschien auch Acis und Galathea in deutscher Sprache. 3 Kurz zuvor hatten die Leiter der Hamburger Opernbühne, welche ihrem Publikum die Pariser Novitäten vorführen wollten, obschon sie nur den Text derselben und nicht die Partitur in Händen hatten, zu einem eigentümlichen Auskunftsmittel gegriffen. Quinaults von Lully komponierte Alceste (1674) wurde ins Deutsche übertragen, J. W. Franck machte eine neue Musik dazu und führte 1680 das Werk auf, welches den gerade in Hamburg weilenden Dichter Regnard zu einem anerkennenden Urteile veranlafste und 1696 noch einmal unter dem veränderten Titel „Der siegende Alcides" in Scene ging. Genau ebenso erging es 1683 dem 1675 in Paris aufgeführten und 1682 im Haag wiederholten Thésée derselben Verfasser, von welchem schon oben die Rede war, nur dafs diesmal Lucas von Bostel die Rolle des Dolmetschers und N. A. Strunck die des Komponisten übernahm. 5

1 Chrysander, Jahrbücher für musikal. Wissensch. 1, 200. A. Pougin, Les vrais créateurs de l'opéra français 1881, p. 112. Auf eine Aufführung der auch von Elisabeth Charlotte von Orleans erwähnten Psyche 1693 in Hannover ist oben S. 83 hingewiesen. R. Keisers Oper gleichen Titels (Text von Postel) erschien 1701 zu Hamburg und wurde zu Wolfenbüttel 1702 und 1709 wiederholt; vgl. Chrysander, Allgem. musikal. Zeitung 14, 502. Jahrbücher 1, 257.

[blocks in formation]

4 Ebenda 12, 434-437. 449. Jahrbücher 1, 269. Lindner, Die erste stehende deutsche Oper, S. 27. G. Ellinger, Alceste in der modernen Litteratur 1885, S. 12 f. Eine neue Bearbeitung der Alceste von J. N. König mit Musik von Schurmann erschien zu Hamburg 1719. Andere Opern desselben Titels verzeichnet Gottsched aus den Leipziger Mefskatalogen von 1693, 1702 und 1704.

5 Allgem. musikal. Zeitung 13, 291. Nuitter et Thoinan, Les origines de l'opéra français 1886, p. 165.

Für die musikalische Verwertung waren, wie es scheint, auch die Übertragungen bestimmt, welche Bressand 1693 und 1694 von Racines Alexandre (1666, hier Porus betitelt) und Athalie (1691) für das Wolfenbütteler Theater veranstaltete; ebenso seine 1692 und 1695 veröffentlichten Verdeutschungen von Calprenèdes Herménigilde (1643) und von Pradons Régulus (1688). '

1

Hiermit mag für diesmal die Liste geschlossen werden, zu welcher eine umfassendere Prüfung der dramatischen Litteratur, auch der Operntexte noch manchen Nachtrag liefern wird. Auf blofse Vermutungen über Entlehnungen habe ich mich so wenig als möglich eingelassen; dafs das hier als Grenze angenommene Jahr 1700 keine neue Epoche für das Verhältnis des deutschen Dramas zum französischen bedeutet, brauche ich wohl kaum besonders zu betonen. Nur darauf möchte ich noch hinweisen, dafs viele der genannten Stücke ganz oder teilweise in Spanien wurzeln, dafs also die Franzosen, wie andererseits die Holländer 3 und Italiener in diesen Fällen nur die Vermittlerrolle zwischen dem spanischen und deutschen Schauspiel übernahmen. So erklärt sich die mehrfach bekämpfte Behauptung Löwens, dafs Velten und andere Prinzipale spanische Dramen nach Deutschland verpflanzt hätten, auf ganz natürliche Weise, gleichviel ob sie auf alter Tradition beruhte oder, wie Bobertag im Archiv für Litteraturgeschichte 5, 188 f. annimmt, auf eine von Lessing erst 1767, ein Jahr nach dem Erscheinen von Löwens Werk, veröffentlichte Beob

1 Chrysander, Jahrbücher 1, 227. 239. 209. 240. Goedeke, Grundrils 3, 229. Der Porus wurde von Cousser komponiert und 1694 für eine Aufführung in Hamburg von Postel einer Textrevision unterzogen. Allgem. musikal. Zeitung 14, 389. Ein Singspiel Porus erschien auch 1698 und 1700 zu Stuttgart. Von der Übersetzung der Athalie (in Alexandrinern) liegt eine Handschrift ohne Namen des Verdeutschers in Wolfenbüttel: Mscr. Nov. 637. 1 (59 Bl. 4o).

2 Vgl. für die folgende Zeit aufser Gottscheds Verzeichnis Creizenach, Zur Entstehungsgeschichte des neueren deutschen Lustspiels 1879 und seine Nachträge im Archiv für Litteraturgeschichte 14, 109-111.

3 Vgl. das allerdings der Vertiefung bedürftige Buch des Grafen Puibusque, Histoire comparée des littératures espagnole et française (Paris) 1843) und die öfter citierte Abhandlung von J. te Winkel.

« 前へ次へ »