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Lockere und straffe italienische Perfektformen.

Das Perfektum erfreut sich im Italienischen einer reichen Verwendung, es ist nicht nur erzählend, sondern auch präsentisch, und so besitzt es einen grofsen Reichtum an neben- und durcheinander gehenden Formen, welcher den Blick der Grammatiker mehrfach getrübt und irregeführt hat. Ohne mir vorzunehmen, alle Einzelheiten dieser Formen des italienischen Perfekts zu beleuchten, will ich in den. nächsten Sätzen eine der über dasselbe bestehenden Lehren beseitigen und durch eine richtige, wie ich hoffe, ersetzen; in anderen dunkleren Punkten hoffe ich wenigstens ein gutes Fragezeichen, vielleicht auch einen Wink gegeben zu haben, durch welchen später einmal das Richtige zu finden ist.

Meine Hilfsmittel sind folgende. Erstens: Würdigung und Prüfung des bisher Aufgestellten und Gangbaren, insbesondere bei Blanc, Diez und in meiner Italienischen Sprachlehre (Hann. 1882); auch manche der älteren habe ich herangezogen, sowie auch Neuestes, Zeitschriften; ich hoffe nichts Wesentliches übergangen zu haben, wenn mir auch genaue Verzeichnung aller Ansichten fern lag. Zweitens: Betrachtung, Vergleichung und Auseinanderhaltung der Thatsachen: a) in der heutigen italienischen Allgemeinsprache, b) in der alten italienischen Litteratur, c) in den italienischen Mundarten, a) Toscanas, p) des Südens, y) des Nordens, d) im Latein, a) im vorklassischen, ) im klassischen, y) im späten, e) in altitalischen Mundarten, a) im Oskischen und im Oscolatein, ) im Umbrischen und im Umbrolatein, f) in aufseritalischen romanischen Sprachen und Mundarten, a) im Rätoromanischen, ) im Rumänischen, y) im Spanischen, d) im Alt- und Neuprovençalischen, ) im Alt- und Neufranzösischen.

I. Die Accentregel für das italienische Perfektum.

Schon Castelvetro zu Rembos Prose 51 bemerkt, dafs im Perfekt auf ai, ei, etti, ii der Accent von der Stelle, die er im Präsens, 1. Sing., habe, dem Ende etwas zurücke: ámo, amái; er bleibe aber in den Perfekten auf si und den nach lateinischer Art, pòrgo, pòrsi in der 1. Sing. und in der 3. Sing. Pl., die zweiten Personen und die 1. Pl. habe den Ton wie jene ersten, zu denen sie in Wahrheit gehörten, es habe v vorgelegen: valevisti, valesti. Eine sonderbare Erscheinung, dieses heutzutage gewöhnlich als stark oder unregelmässig bezeichnete italienische Perfekt mit seiner Teilung der sechs Formen in zwei verschiedenartige Gruppen:

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Nirgends auf dem gesamten Gebiete der Verwandtschaft findet sich so etwas wieder, wie schon Diez bemerkt; keine der anderen. romanischen Sprachen hat eine Spur von etwas Ähnlichem, nirgends das Latein, nicht auch eine der altitalischen Mundarten. Wie in aller Welt kommt oder kam man dazu, von feci zu facesti auszuweichen, von strinsi zu stringesti? Da doch sonst die Sprache in der Konjugation und gerade auch im Perfektum sich dem Latein so eng anschliefst? Ja, der Accent, heifst es, scheidet die beiden Gruppen. Das wäre sonderbar. Dem Lateiner sollte fecísti gut zu féci gepafst haben, aber dem Italiener sollte in einem fecísti oder fecésti der Accent nicht passen, so unerträglich sein, dafs er nun für die zweiten Personen und für die erste der Mehrheit aus einer anderen Vorratskammer etwas vorsuchen müfste? Nein, es ist ja rein unmöglich! Wir haben doch vidi, vedesti auch in der Art, mit Verlassung des Perfektischen, mit Zurückgehung auf das Präsentische gebildet, aber vedésti ginge von Accents wegen und fecesti nicht? Nein!

Doch halt! Altmeister Diez hat ein Beispiel zur Hand, durch das die nun einmal nicht abzuleugnende Thatsache, dafs der Accentwechsel hier wirkt, wo nicht begreiflich, so doch glaublich wird. Wir haben bei dovere, udire und uscire wahrgenommen, wie die ital. Sprache das vom Infinitiv gegebene Thema in allen flexionsbetonten Stellen durchführt, wenn (d. h. während) es in den stammbetonten abgeändert wird. Dasselbe geschieht nun auch im starken Perfekt, in welches sich stamm- und flexionsbetonte Formen teilen."

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Das lässt sich hören, sieht auf den ersten Anblick unserem Falle recht ähnlich! Aber doch wohl nur auf den ersten Anblick! Obgleich es von Fr. Diez vorgeführt wird! Hier nämlich handelt es sich um eine Verdunkelung des Vokals der ersten Silbe in dem Falle, dafs sie den Ton verliert: e wird dann zu o, zu u, offenes o (eigentlich au) zu u. Ein wohl begreiflicher Vorgang! So sagen die Rumänier für lateinisches ambulare âmblà, indem das a zu einem ihnen eigenen tiefen ü, ähnlich dem Seufzer eines sich Anstrengenden, wird, oder 'mblà, indem es zu einem blofsen, dem m sich von selbst vorschiebenden leisen Brummen herabsinkt weil der starke Ton nachfolgt. Die Stärkung einer folgenden Silbe durch kräftige Betonung schwächt und verdunkelt die vorhergehende. So wird im Italienischen aus amarò amerò, denn e ist auch dunkler als a. (1) In dovere (lat. debere) ist auch um des nachfolgenden Tones willen zu do gegriffen. Dafs diese Nebenform von der Präposition de immer beliebt wird, wenn ein Lippenlaut folgt, hat Diez vortrefflich angemerkt; wir dürfen wohl hinzusetzen, dafs stets der nachfolgende Ton gewirkt zu haben scheint: dománi, domándo, in domandáre mag der etwas entfernter folgende Ton doch empfehlend gewirkt haben. In dopo dürfte es ähnlich sein, denn es ist ursprünglich stets Präposition, so dafs der Ton erst im folgenden Worte lag: dopo mòrte, dopo sé. Haben wir úscio (Ausgang), so ist dies entweder vom Verbum genommen oder es gab, wie Diez meint, dem Zeitworte das Vorbild, gerade wie ich unabhängig von Diez do als eine mögliche Nebenform, zu welcher am geeigneten Orte gegriffen werden konnte, bezeichne (Ital. Sprachl. S. 35). Der ganze Vorgang aber, sieht man wohl, vergleicht sich mit unserem zweiteiligen Perfektum gar nicht oder fast gar nicht. Denn in finsi, fingesti sind die ersten Silben ganz dieselben; in vidi, vedesti, feci, facesti ist auch keine Erleichterung, geschweige Verdunkelung zu spüren; höchstens wäre in eb-bi

(1) Die Beweiskraft von amerò könnte wohl einmal so in Abrede gestellt werden, dass man es von amere herleitete, doch bliebe immer, dass man es gerade hier gern hatte. Aber es giebt noch viele andere Beispiele mit Beweiskraft. So das morse muriu, welches in III erwähnt wird. Von sic. purtári heifst die erste Silbe unbetont immer pur, betont por.

a-vesti, scris-si scri-vesti eine, jener freilich unähnliche, Erleichterung zuzugeben. Das ist aber nur ein kleiner Bruchteil von Zeitwörtern. Auch wird dafür in mi-si met-testi die erste Silbe sogar schwerer. Und die Annahme von der Wirkung des Accentes bei dieser Zweiteilung erhält vollends noch den gröfsten Stofs, wenn wir bemerken, dafs zwar die beiden zweiten Personen zu ihr passen, aber die erste der Mehrzahl gar nicht: fecísti fecístis, ja, aber fécimus! Wie kam man dazu, dieses von der Reihe der vorn betonten abzutrennen? Wenn irgend etwas, so ist deutlich, dafs die Accentregel für die Zweiteilung des Perfekts, wie sie Diez hat, nichtig und unhaltbar ist.

Vor wenigen Jahren versuchte ich einmal die Schwierigkeit der ersten Person pluralis hinwegzuräumen. Ich vermutete, man könnte im Volke unbemerkt in alter und neuer Zeit von der klassischen abweichende Betonung der vorletzten Silbe, wie in dederímus dederítis, so ein fecímus beliebt haben. Der Accent wechselte ja mehrfach: dedérunt déderunt déderim! Doch sie steht auf zu schwachen Fülsen, diese Vermutung, sie ist unrettbar, jene schon so unklare Accentregel. Fecísti fécimus, die guten lateinischen Formen, sind durch ihren Ton nicht gegen das Sprachgefühl des Italieners und des Toscaners. So wenig, dafs sie wirklich vorhanden sind, diese letzteren Formen: weit und breit toscanisch und sonst mundartlich und in der nicht edelsten Schriftsprache arsimo díssimo ébbimo fécimo giúnsemo lèssamo méssamo trássamo. Zu den eben angeführten Formen der ersten Person der Mehrheit schreibt Diez die Worte: „wahrscheinlich zufällige bequeme Flexionen ohne historischen Grund.“ Ungerecht und ganz ungerechtfertigt, soweit ich sehen kann. Als ob facemmo das wohl begriffene, nicht zu erklärende, auf historischem Grunde erkannte wäre, und nicht fécimus das klassisch-lateinische, auf das er doch überall zurückwill, oder als ob er mit einer Silbe erwiesen hätte, dafs fécimus im Accent zu fecístis stimmte und nicht zu féci. Denn wenn oben auf p. 126 (der dritten Auflage) zurückverwiesen wird, so sehen wir dort nur, es ist einmal so: facémmo, sp. hicímos, pr. fezém, afrz. fesímes, so ist das doch kein Beweis, zumal Spanisch und Altfranzösisch die Betonung der drittletzten wenig begünstigen, gegen Toscanisch, Sicilisch und andere der Quelle näher stehende Mundarten. So ein unhistorischer Zufall, der uns ein fécimo gäbe, wäre wohl der Betrachtung wert.

Es ist also erwiesen, dafs die Annahme, die sogenannten starken

italienischen Perfekta seien um des wechselnden Accents willen in zwei Hälften geteilt, nichtig ist, indem sie erstens unvernünftig und unbegreiflich ist, zumal auch Diezens Vergleichung von devo dovere, esco uscire, odo udire gar nicht pafst, und weil zweitens eine von den drei Formen der einen Gruppe derselben gar nicht entspricht.

II. Das Perfekt auf si in allen Personen vorhanden. Haben wir im vorigen richtig gesehen, dafs kein Grund vorläge, weshalb ein gemeinhin stark oder unregelmässig geheifsenes Perfektum nicht vollständig durchgeführt werden sollte, so mufs es sich in der Wirklichkeit zeigen. Das s-Perfektum hat vor allen anderen hier in Betracht kommenden in der Sprache die bei weitem gröfste Ausdehnung: versuchen wir es mit diesem zuerst.

Wie es jedem von uns gelegentlich vorkommt, dafs er eine Form unserer Sprache im Augenblicke des Bedürfnisses nicht sowohl fertig aus seinem Gedächtnis hervornimmt, sondern sie eben selbst macht, aus den gehörigen Stücken zusammensetzt, gerade so der Italiener; seine Sprache ist auch eine recht lebende, in ihren kleinsten Stücken verstandene. In Zeiten, wo es wenig Litteratur giebt, wo sich die Sprache erst noch bildet, ist das, versteht sich, am meisten der Fall. Lassen wir so das Perfektum von vivere gebildet werden, so wird an vive oder vivi si angehängt und es erscheinen die Formen:

1) vívesi, auch vi'esi, auch vi"si, vi❞ssi

2) vives'sti oder vivesti,

3) vívese, auch vi'ese, auch vi❞se, visse,

1) vívesimo, auch vi'esimo, auch vi"simo, víssimo,

2) vives'ste oder viveste

3) vívesero, dann vi'esero und vi"sero, vissero.

Im Latein bildete sich aus vívesi, indem e schwand und v sich härtete und zum Gaumenlaute umschlug (vgl. propior proximus, statt propisimus), vixi. Das Toscanisch - Italienische hält die Vokale, namentlich zwischen Konsonanten, fester. Deshalb schwand dieser vor dem s mehr allmählich, zögernd, wo ihn der Accent nicht zu stützen kam. Er mufste ihn zu stützen eintreten in den zweiten Personen, da sich hinter ihm zwei s und ein t anhäuften: eine durch Position beschwerte vorletzte Silbe reifst im Lateinischen und auch im Italienischen wenn es sich nicht um losere Zusammensetzung

handelt, wie in prénder-si

stets den Ton an sich, Die Sache ist

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