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tische Geseße und das blinde Herkommen in Regeln gebrachte, durch Schrift bestätigte, an die Erdscholle gebundene Sklaverei war. Die Luft machte eigen; wer nicht durch Verträge ent bunden oder durch seine Geburt ein Despot war, trat in den angeblich - natürlichen Zustand der Zugehörigkeit, oder der Knechtschaft.

Von Rom aus war dagegen keine Hülfe zu erwarten; seine Diener selbst hatten sich mit andern in die Herrschaft Europa's ges theilet, und Rom selbst gründete sich auf eine Menge geistlicher Sklaven. Was Kaiser und Könige frei machten, mußte, wie in den Ritterbüchern, den Riesen und Lindwürmern, durch Freis heitbriefe entrissen werden; dieser Weg war also auch lang und beschwerlich. Die Kenntnisse, die das abendländische Christens thum hatte, waren ausgespendet und in Nuß verwandelt. Seine Popularitắt war eine elende Wortliturgie, die böse patristische Rhetorik war in Klöstera, Kirchen und Gemeinen ein zauberischer Seelendespotismus geworden, den der gemeine Haufe mit Geisel und Strick, ja büßend mit dem Heu im Munde auf Knieen vers ehrte. Wissenschaften und Künste waren dahin; denn unter den Gebeinen der Märtyrer, dem Gelåut der Glocken und Orgeln, dem Dampf des Weihrauchs und der Fegefeuergebete wohnen keine Musen. Die Hierarchie hatte mit ihren Blißen das freie Denken erstickt, mit ihrem Joch jede edlere Betriebsamkeit gelåhmet. Den Duldenden wurde Belohnung in einer andern Welt gepredigt; die Unterdrücker waren, gegen Vermächtnisse, ihrer Lossprechung in der Todesstunde sicher; das Reich Gottes auf Erden war verpachtet.

Außerhalb der römischen Kirche war in Europa kein Heil. Denn an die verdrängten Völker, die an den Ecken der Welt in klåglichem Zustande saßen, nicht zu gedenken; konnte man weder vom griechischen Kaiserthum, noch weniger von dem einzigen Reich, das sich östlich in Europa außerhalb dem Gebiet des römischen Pabstes und Kaisers zu bilden angefangen hatte, etwas erwarten *).

r) Dieses Reich ist Rußland. Von den Zeiten seiner Stiftung an nahm es einen andern und eignen Weg, als die westlichen Reiche Europa's; mit diesen tritt es nur spåt auf den Schauplay.

Also blieb dem westlichen Theile nichts übrig, als Er selbst, oder die einzige südliche Nation, bei welcher eine neue Sproffe der Aufklärung blühte, die Mohammedaner. Mit ihnen kam Europa bald, und lange, und an seinen empfindlichsten Theilen, in's Gedrånge; in Spanien dauerte der Conflict sogar bis auf die Zeit der völligen Aufhellung Europa's. Was war der Kampfpreis? und wem ist der Sieg geworden? Die neuerregte Thätigkeit der Menschen war ohne Zweifel der beste Preis des Eieges.

Zwanzigstes Buch.

Menn

Benn man die Kreuzzüge, die Europa nach dem Orient that, mit Recht als die Epoche einer großen Veränderung in unserm Welttheil ansieht: so hûte man sich, sie auch als die einzige und erste Quelle derselben zu betrachten. Sie waren nichts als eine tolle Begebenheit, die Europa einige Millionen Menschen kostete, und in den Zurückkehrenden größtentheils nicht aufgeklärte, sondern losgebundene, freche und üppige Menschen zurückbrachte. Das Gute, das zu ihrer Zeit geschah, kam meistens von Nebenursachen her, die in dieser Epoche ein freieres Spiel gewannen, und doch auch in manchem Betracht ein sehr gefährliches Gute erzeugten, Ueberdem steht keine Weltbegebenheit allein da; in vorhergehenden Ursachen, im Geist der Zeiten und Völker gegründet, ist sie nur als das Zifferblatt zu betrachten, dessen Zeiger von innern Uhrgewichten geregt wird. Wir fahren also fort, das Triebwerk Europa's im Ganzen zu bemerken, wie jedes Rad in ihm zu einem allgemeinen Zweck mitwirkte.

I.

Handelsgeist in Europa.

Vergebens hatte die Natur diesen kleinen Welttheil nicht mit so viel Küsten und Buchten begrenzet, nicht mit so viel schiffbaren Strömen und Meeren durchzogen; von den ältesten Zeiten an

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waren auf diesen die anwohnenden Völker rege. Was den füdli-
chen Europäern das mittelländische Meer gewesen war, ward den
Nordländern die Ostsee, ein früherer Uebungsplaß der Schifffahrt
und des Verkehrs der Völker. Außer den Galen und Kymren
sahen wir Friesen, Sachsen, insonderheit Normånner alle weft-
und nördliche Meere, ja auch die mittelländische See durchstreifen,
und mancherlei Böses und Gutes bewirken. Von gehöhlten Kie-
len stiegen sie zu großen Schiffen, wußten die hohe See zu halten
und sich aller Winde zu bedienen, so daß noch jezt in allen euro-
päischen Sprachen die Striche des Compasses und viele Benennun-
gen des Seewesens deutsche Namen find. Insonderheit war der
Bernstein das kostbare Spielzeug, das Griechen, Römer und
Araber an sich zog und die Nordwelt der Südwelt bekannt machte.
Durch Schiffe aus Massilien (Marseille) ward er über den Ocean,
landwårts über Karnunt zum adriatischen, auf dem Dnepr zum
schwarzen Meere in unglaublicher Menge geführet; vor allen
andern blieb der Weg zum schwarzen Meer die Straße des Völker-
verkehrs zwischen der Nord-, Süd- und Ostwelt a). Am Aus-
flusse des Dons und Dneprs waren zwei große Handelsplåge,
Afsow, (Tanais, Asgard) und Olbia, (Borystenes, Alfheim) die
Niederlagen der Waaren, die aus der Tatarei, Indien, Tsina,
Byzanz, Aegypten, meistens durch Tauschhandel in's nördliche
Europa gingen; auch als der bequemere Weg über das mittellän-
dische Meer besucht ward, über die Zeit der Kreuzzüge hinaus,
blieb dieser nordöstliche Handel gangbar. Seitdem die Slaven
einen großen Theil der baltischen Küsten besaßen, wurden von
ihnen, långs derselben, blühende Handelsstådte errichtet; die deut-
schen Völker auf den Inseln und der gegenseitigen Küste wetteifer-
ten mit ihnen, und ließen nicht eher ab, als bis des Gewinnes
und Christenthums willen dieser Handel der Slaven verstört war.
Jeßt suchten sie in ihre Stelle zu treten, und es kam allmählig,
långst vor dem eigentlichen Hanseatischen Bunde, eine Art von
Seerepublik, ein Verein handelnder Städte zu Stande,

a) In Fischer's Geschichte des deutschen Handels, Th. 1.
ist hierüber viel zusammengestellt und gesammelt.

der späterhin sich zur großen Hansa aufschwang. Wie es in Norden zu den Zeiten des Raubes Seetönige gegeben hatte: so erzeugte sich jetzt ein weit verbreiteter, aus vielen Gliedern zusammengesetter Handelsstaat, auf echte Grundsäße der Sicherheit und Gemeinhülfe gebauet, wahrscheinlich ein Vorbild des künftigen Zustandes aller handelnden europäischen Völker. An mehr als Einer nördlichen Seeküste, vorzüglich aber und am frühesten in Flandern, das mit deutschen Colonisten besezt war, blüheten Fleiß und nußbare Gewerbe.

Freilich aber war die innere Verfassung dieses Welttheils dem aufstrebenden Fleiße seiner Bewohner nicht die bequemste; indem nicht nur die Verwüstungen der Seeräuber fast an allen Küsten oft den besten Anlagen ein trauriges Ende machhten; sondern auch zu Lande der Kriegsgeist, der noch in den Völkern tobte, und die aus ihm entstandene Lehnverfassung ihm tausend Hindernisse entgegen legte. In den ersten Zeiten, nachdem sich die Barbaren in die Länder Europa's getheilt hatten, als noch eine mehrere Gleichheit unter den Gliedern der Nationen, auch eine mildere Behandlung der alten Einwohner bestand, da fehlte dem allgemeinen Fleiße nichts als Aufmunterung, die ihm auch, wenn mehrere Theodorichs, Kart und Alfrede gelebt hätten, nicht entgangen wäre. Als aber alles unter das Joch der Leibeigenschaft gerieth, und ein erblicher Stand sich zu seiner Völlerei und Pracht des Schweißes und Fleißes seiner Untersassen anmaaßete, sich selbst aber jedes nüßlichen Gewerbes schämte: als jede kunstsleißige Seele erst durch Gnadenbriefe oder Zins von Dämons Gewalt erlöset werden mußte, um ihre Kunst nur treiben zu dürfen; da lag freis lich alles in harten Banden. Einsehende Regenten thaten was ste konnten: ste stifteten Städte und begnadeten sie: sie nahmen Künstler und Handwerker unter ihren Schuß, zogen Kaufleute, ja selbst die ebräischen Wucherer unter ihre Gerichtsbarkeit, erließen jenen die Zölle, gaben diesen oft schädliche Handelsfreiheiten, weil sie des jüdischen Geldes bedurften; bei dem allen aber konnte unter vorgenannten Umständen auf dem festen Lande Europa's noch kein freier Gebrauch oder Umlauf des menschlichen Fleißes zu Stande kommen. Alles war abgeschlossen, zerstückt, bedrångt; und nichts war also natürlicher, als daß die südliche Behendigkeit

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