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151. Muth einer Kahe.

Eine Kate spielte einmal in einem schottischen Dorfe mit ihren Jungen in der Frühlings-sonne vor einer Stall-thüre. Ein großer Habicht schoss aus der Luft herab und ergriff eines der Käßchen. Die Mutter sprang grimmig auf ihn los und wehrte sich für ihr Junges. Der Habicht ließ es fahren, wendete sich aber gegen die große Kaze.

Der Kampf von beiden Seiten war sehr heftig. Der Habicht behielt durch seinen mächtigen Flügel-schlag, seinen spißigen Schnabel und seine scharfen Krallen eine Zeit lang die Ober-hand, zerfleischte jämmerlich die arme Kaze und hackte ihr ein Auge aus. Sie verlor aber den Muth nicht, hielt ihren Gegner mit ihren Krallen fest und durchbiss ihm den rechten Flügel. Nun hatte sie zwar mehr Gewalt über ihn: aber der Habicht war noch immer sehr stark, und der Streit dauerte fort.

Die Kaze war beinahe erschöpft; durch eine schnelle Wendung raffte sie sich aber nochmals auf und brachte den Habicht unter sich. Siegreich biss sie dem grimmigen Wütherich den Kopf ab; dann lief sie, ohne den Verlust ihres Auges und ihre Wunden zu achten, zu ihrem übel zugerichteten Käßchen, leckte ihm die von Blut triefenden Wunden ab, welche die Krallen des Habichts in die Seiten des zarten Thierchens gehauen hatten, und schnurrte, indem sie es lieb-koste, als wenn nichts vorgefallen wäre.

152. Die giftigen Beeren.

Stern.

Bruder Anton und Schwester Emilie waren in den Wald gegangen, um die schönen rothen Erd-beeren zu lesen, welche daselbst wuchsen. Sie fanden eine große Menge, aßen sie und füllten auch ein Körbchen für die Mutter und die kleine Frieda, die daheim geblieben war.

Auf dem Rück-wege erblickten sie einen Strauch, welcher fast noch einmal so hoch war, als sie selbst, und große schwarze Beeren trug. Die Kinder freuten sich über den neuen Fund, meinten, die Beeren seien Kirschen, bogen den Stengel um und pflückten sie ab.

Lass uns kosten, wie die Beeren schmecken, sprach Emilie; aber der verständige Anton, welcher in der Schule von giftigen Beeren gehört und in seinem Lese-buche davon gelesen hatte, sprach: Das dürfen wir nicht thun, die Beeren könnten giftig sein, und mein Lehrer hat mir gesagt, man dürfe nicht essen, was man nicht kenne.

Damit war die kleine Emilie nicht recht zufrieden, doch wollten sie die Beeren mit nach Hause nehmen und der Mutter zeigen. Anfangs war diese erschrocken, da sie meinte, die Kinder hätten bereits davon gegessen, freute sich aber, als dies nicht der Fall war. Nun sagte sie ihnen, dass dies die giftige Wolfs- oder Toll-kirsche sei, die schon oft von Kindern gegessen worden, worauf diese gestorben seien.

Zur Belohnung für ihre Vorsicht bekamen die Kinder ein Körbchen voll der schönsten Kirschen zum Vesper-brote, das nun noch einmal so gut schmeckte. Die Toll-kirschen aber wurden genau besehen, auch aufgebrochen und dann von Anton mit in die Schule genommen, um sie dem Lehrer und den übrigen Schülern zu zeigen. Hättest du an Stelle der Kinder auch so gehandelt?

153. Die Kinder im Kahne.

L. Thomas.

Was ein Kahn ist, wie er beschaffen und wozu er dient, das weißt du, liebes Kind, wie es aber Kindern in einem Kahne er= gangen ist, das will ich dir erzählen. Merk auf!

Drei Kinder, die Knaben Franz und Ernst mit ihrer Schwester Marie, hatten sich in den Garten geschlichen und in den Kahn gesezt, welcher auf dem Flusse hinter dem Garten lag und am Ufer befestigt war. Sie schaukelten und freuten sich über das schöne, helle Wasser. Bis jest war alles gut gegangen.

Da fiel es Franz ein, den Kahn abzubinden, und ein wenig weiter vom Ufer zu fahren, wie er es vom Vater manchmal gesehen hatte. Er that es, und lustig fuhr der Kahn der Strömung zu. Diese aber ergriff ihn und führte ihn mit fort; erst längs dem Garten des Vaters, dann längs dem Nachbar-garten, dann noch weiter und endlich sah man das Städtchen nur noch von fern. Die

Rinder weinten und schrieen nach Hilfe, aber alle Leute am Ufer, die ihr Geschrei vernahmen, fonnten nicht helfen, denn der Fluss war breit und tief, und die Strömung start.

Fast eine Stunde weit war der Kahn getrieben worden, als man in die Nähe eines Wehres kam, an welchem er sicherlich umgestürzt und die Kinder ertrunken wären, hätten nicht zwei Fischer, welche eben in der Nähe fischten, die Gefahr bemerkt. Sie ruderten dem Kahne entgegen, hielten ihn an und brachten die weinenden Kinder glücklich ans Ufer. Die freundlichen Fischer führten sie einige Stunden später zu ihren Eltern zurück. Franz, Ernst und Marie sind nicht wieder allein in den Kahn getreten.

154. Nachlässigkeit.

Arbeit macht uns frohe Tage;

Trägheit wird uns bald zur Plage.
Hast du Arbeit, frisch daran!

Fleiß und Kunst liebt jedermann.

L. Thomas.

Eine fleißige Mutter baute in ihrem Garten Gemüse aller Art. Eines Tages sagte sie zu ihrer kleinen Tochter: „Lieschen, siehe da an der unteren Seite des Kohl-blattes die kleinen, netten, gelben Dingerchen! Das sind die Eilein, aus welchen die schön-farbigen, aber verderblichen Raupen kommen. Suche diesen Nach-mittag alle Blätter ab und zerdrücke die Eier, so wird unser Kohl immer schön grün und unversehrt bleiben."

Lieschen meinte, zu dieser Arbeit sei es immer noch Zeit, und dachte am Ende gar nicht mehr daran. Die Mutter war einige Wochen nicht wohl und kam nicht in den Garten. Als sie aber wieder gesund war, nahm sie das saum-selige Mädchen bei der Hand und führte es zu den Kohl-beeten, und siehe, aller Kohl war von den Raupen abgefressen. Man sah nichts mehr als die Stengel und Gerippe der Blätter. Das erschrockene und beschämte Mädchen weinte über seine Nachlässigkeit. Die Mutter aber sprach: Thue künftig das, was heute geschehen kann, sogleich heute und verschiebe es niemals auf morgen."

Chr. Schmid.

155. Der Wolf und der Mensch.

Der Fuchs erzählte einmal dem Wolfe von der Stärke des Menschen; kein Thier könnte ihm widerstehen, und sie müßten List gebrauchen, um sich vor ihm zu erhalten. Da antwortete der Wolf: Wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme, ich wollte doch auf ihn losgehen." "Dazu kann ich dir helfen," sprach der Fuchs, "komm nur morgen früh zu mir, so will ich dir einen zeigen."

Der Wolf stellte sich früh-zeitig ein, und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg, den der Jäger alle Tage ging. Zuerst fam ein alter abgedankter Soldat. Ist das ein Mensch ?" fragte der Wolf. „Nein," antwortete der Fuchs, „das ist einer gewesen." Danach kam ein kleiner Knabe, der zur Schule wollte. Ist das ein Mensch ?" „Nein, das will erst einer werden.“

Endlich kam der Jäger, die Doppel-flinte auf dem Rüden und den Hirsch-fänger an der Seite. Sprach der Fuchs zum Wolf: „Siehst du, dort kommt ein Mensch, auf den mußt du losgehen; ich aber will mich fort in meine Höhle machen." - Der Wolf ging nun auf den Menschen los; der Jäger, als er ihn erblickte, sprach: „Es ist schade, dass ich keine Kugel geladen habe," legte an und schoss dem Wolfe das Schrot ins Gesicht. Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig, doch ließ er sich nicht schrecken und ging vorwärts; da gab ihm der Jäger die zweite Ladung. Der Wolf verbiss den Schmerz und rüdte dem Jäger zu Leibe. Da zog dieser seinen blanken Hirsch-fänger und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe, dass er über und über blutend, mit Geheul zu dem Fuchse zurück lief.

A

Nun, Bruder Wolf," sprach der Fuchs, wie bist du mit dem Menschen fertig geworden ?" Ach," antwortete der Wolf, so hab' ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt; erst nahm er einen Stock von der Schulter und blies hinein, da flog mir etwas ins Gesicht, das hat mich ganz entseßlich gekißelt. Danach pustete er noch einmal in den Stock, da flog mir's um die Nase wie Bliz und Hagel-wetter, und wie ich ganz nahe war, da zog er eine

blanke Rippe aus dem Leibe, damit hat er so auf mich los-ge> schlagen, dass ich beinahe todt wäre liegen geblieben." „Siehst du," sprach der Fuchs, was du für ein Prahlhans bist!

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Es wird Abend; die Sonne sinkt am Horizonte; die Wolken in ihrer Nähe färben sich roth. Die Hize hat aufgehört; es weht ein kühles Lüftchen; über dem Wasser erhebt sich Nebel; das Gras wird von dem Thau befeuchtet. In der Luft spielen Mücken in zahl-losen Schwärmen, die Vögel in den Büschen singen ihr leztes Lied, die Bienen kehren zu ihren Stöcken zurück, und alle schicken sich an zu schlafen.

Desto munterer quaken die Frösche in den Pfüßen, die Käfer schwirren, Fleder-mäuse flattern umher und Glüh-würmchen leuchten in der Dämmerung. Die Arbeiter sind von dem Felde zurückgekehrt und die Vieh-herden von der Weide. Alles ist müde und sehnt sich nach Ruhe. Aber Menschen und Thiere sind auch hungrig und warten auf ihr Abend-brot. Die rauchenden Schorn-steine und die heim-kehrenden Wagen mit Futter zeigen, dass dafür gesorgt wird. Bald werden alle satt sein und zur Ruhe gehen.

157. Räthsel.

Auf einer großen Weide gehen viel tausend Schafe filber-weiß; wie wir sie heute wandeln sehen, sah fie der aller-ält'ste Greis.

Sie altern nie und trinfen Leben
aus einem unerschöpften Born;
ein Hirt ist ihnen zugegeben.

mit schön gebog'nem Silber-horn.

Curtman.

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