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163. Die theuren Erdbeeren.

Herr Doktor Millner ging alle Tage einige Stunden spazieren. Am liebsten ging er in den Wald, denn die Waldluft, sagte er, ist die gesundeste.

Eines Tages wollte er eben auch den Wald betreten, da begegnete ihm die kleine Emma, ein armes Mädchen. Emma trug ein Körbchen in der Hand voll wunder-schöner Erd-beeren.

Den Doktor reizten die schönen, hoch-rothen Früchte. „Ich will dir die Beeren abfaufen, mein Kind," sagte er freundlich. Nein, ich verkaufe sie nicht," antwortete Emma.

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„Wenn ich dir sie nun recht gut bezahle ? Auch dann nicht ?” „Nein, auch dann nicht. Ich bin selbst froh, dass ich so schöne Beeren gefunden habe."

„Aber nicht wahr, wenn ich dir einen Dollar dafür gäbe, dann ließest du sie mir wohl ?"

„Nein, auch dann nicht."

Aber, warum sind dir denn diese Beeren gar nicht feil? Ich denke, ihr armen Rinder seid froh, wenn ihr die gepflückten Waldbeeren verkaufen könnt?"

„Das wohl. Aber mit diesen Erd-beeren ist's etwas anderes. Ich habe ein krankes Brüderchen zu Hause. Ach, es ist gar sehr trant. Meine Mutter hat schon gesagt, es würde wohl morgen nicht mehr leben. Das kranke Brüderchen aber bekam heute plößlich Appetit auf Erd-beeren. Ach, wenn ich nur ein paar Erd-beeren hätte, sagte es. Da bin ich denn auch gleich fort in den Wald gelaufen und habe ihm ein Körbchen voll geholt. Und da sehen Sie wohl, dass es nicht recht wäre, wenn ich diese Beeren verkau fen wollte. Es sind vielleicht die legten, die ich ihm gepflückt habe.“ Nein," erwiderte da der Doftor, wenn es so ist, dann möchte ich diese Früchte um keinen Preis. Aber sage mir, habt ihr feinen Arzt für den kranken Knaben ?"

„Einen Arzt? Nein! Wir könnten ihn ja nicht bezahlen, denn meine Eltern sind sehr arm."

Das rührte den Doktor. Augenblicklich beschloss er, heute seine Wald-partie aufzugeben. Er kehrte um und ging mit dem

armen Mädchen zu dem kranken Brüderchen. Sehr bald erkannte er, was dem Kinde fehlte, und durch seine Bemühungen wurde das Kind wieder gesund. Natürlich, nahm er keinen Cent dafür.

Emma aber war hoch erfreut, als ihr Brüderchen das Bett wieder verlassen fonnte. Heute aber, lieber Herr Doktor," sagte sie in ihrer dankbaren Freude, „will ich Ihnen ein Körbchen Erdbeeren holen, die Ihnen gewiss schmecken sollen. Ich weiß schon, wo die schönsten stehen!" Fr. Wiedemann, „Goldsternchen".

164. Der Knabe vor dem Apfelkorbe.

Ein Knabe ging in ein Haus, um einen Kameraden zur Schule abzuholen. In der Stube sah er keinen Menschen, wohl aber bemerkte er am Fenster einen Korb voll Aepfel. „Das sind schöne Aepfel," dachte er bei sich, ging näher hinzu und sah sie noch begieriger an. Er hätte gar zu gern einen davon genommen. „Aber nein," sagte er, „dies darf ich nicht thun, denn sie gehören ja nicht mir." Er ließ Korb und Aepfel stehen und wollte gehen. "Halt, bleib!" rief jemand in der Stube. Wie da der Knabe erschraf! Noch mehr erschraf er aber, als ein alter Mann, der hinter dem Ofen gesessen hatte, auf ihn zuging. Fürchte dich nicht!" sagte der Alte zu dem Knaben, „du bist ein gutes Kind, denn du bist ehrlich. Jezt nimm Aepfel, so viel du willst. Merke dir fürs ganze Leben: Ehrlich währt am längsten."

Nach Weigeldt und Richter.

165. Wie der Apfelbaum entsteht.

In einem Dorfe wohnte ein reicher Mann, der saß einmal in seinem großen Garten auf einer Rasen-bank. Neben ihm stand ein Korb mit schönen, gold-gelben Aepfeln. Er griff in den Korb hinein, nahm einen Apfel und aß ihn. Mitten in dem Apfel war ein Häuschen mit niedlichen Stübchen. In jedem dieser Stübchen saßen schöne, braune Kerne. Einen von diesen Kernen nahm der Mann in die Hand, tupfte neben sich in das Garten-beet ein Loch mit dem Finger, steckte den Kern hinein und bedeckte ihn mit Erde. „Was soll jezt aus mir werden ?“ sprach der Kern zu sich selbst.

„Wäre ich doch nur noch im Apfel, in dem schönen, blanken Stübchen!" Mit allerlei Gedanken schlief er endlich ein. Da zog eine finstere Gewitter-wolke über den Garten, es donnerte und warme Regen-tropfen fielen auf die Erde. Einige davon sanken dem Kerne gerade in den Mund, und er schlürfte sie begierig ein. Am andern Morgen schien die Sonne so warm, dass es der Kern bald merkte. Er dehnte sich und wäre gern oben gewesen. Auf einmal plaßte ihm das braune Röckchen. Durch diesen Riss schlüpften nun die Würzelchen in den Boden und suchten überall herum, ob sie nichts Gutes zum Trinken fänden. Zum Glück gab's dort Nahrung die Hülle und Fülle. Sie tranfen und tranken und wurden immer größer und stärfer.

Einige Zeit nachher kam der Mann wieder in den Garten und seßte sich auf die Rasen-bank. Da sah er vor sich ein kleines Stückchen Erde, das sich in die Höhe gehoben hatte und zu Boden fiel. Gleich hinter-her kam der Apfel-fern, der zu einem winzigen Bäumchen geworden war. Um das kleine Köpfchen hatte er sich den zerrissenen Rock gebunden, damit ihm die Sonne nicht gar zu sehr stechen sollte. Der Mann aber freute sich, dass er einen Apfelbaum bekommen würde, und er goss einen Finger-hut voll Wasser darauf. Gegen Ende des Sommers war das Bäumchen schon so dick wie ein Feder-kiel. Mit jedem Jahre wurde es größer. Es bekam viele Aeste, Zweige und Blätter, und das Bäumchen wurde ein Baum, der alle Jahre eine große Menge der besten Aepfel trug.

Nach Fix und Jung.

166. Das Wunderkästchen.

Eine Hausfrau hatte in ihrer Haushaltung allerlei Unglücksfälle und ihr Vermögen nahm jährlich ab. Da ging sie in den Wald zu einem alten Einsiedler, erzählte ihm ihre betrübten Umstände und sagte: „Es geht in meinem Hause einmal nicht mit rechten Dingen zu. Wißt ihr kein Mittel, dem Uebel abzuhelfen?"

Der Einsiedler, ein fröhlicher Greis, hieß sie ein wenig warten, ging in die Neben-kammer seiner Zelle, brachte über eine Weile ein kleines, versiegeltes Kästchen und sprach: „Dieses Kästlein müßt

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ihr ein Jahr lang dreimal bei Tag und dreimal bei Nacht in Küche, Keller, Stallungen und allen Winkeln des Hauses herum-tragen, so wird es besser gehen. Bringt mir aber übers Jahr das Kästchen

wieder zurück!"

Die gute Hausmutter sezte in das Kästchen großes Vertrauen und trug es fleißig umher. Als sie den nächsten Tag in den Keller ging, wollte der Knecht eben einen Krug Bier heimlich herauftragen. Als sie noch spät in der Nacht in die Küche kam, hatten die Mägde sich einen Eier-kuchen gemacht. Als sie die Stallungen durch-wanderte, standen die Kühe tief im Rothe, und die Pferde hatten anstatt des Hafers nur Heu und waren nicht gestriegelt. So hatte sie alle Tage einen andern Fehler abzustellen.

Nachdem das Jahr herum war, ging sie mit dem Kästchen zum Einsiedler und sagte vergnügt: „Alles geht nun besser. Laßt mir das Kästlein noch ein Jahr, es enthält ein gar treffliches Mittel."

Da lachte der Einsiedler und sprach: „Das Kästchen kann ich Euch nicht lassen; das Mittel aber, das darin verborgen ist, sollt Ihr haben." Er öffnete das Kästchen, und sieh, es war nichts darin, als ein weißes Blättchen Papier.

Chr. Schmid.

167. Die Nufsschale.

Die kleine Martha fand in dem Garten eine Nuss, die noch in der grünen Schale war. Martha sah sie für einen Apfel an und wollte sie essen. Kaum hatte sie aber hinein-gebissen, so rief fie: Pfui, wie bitter!" und warf die Nuss weg.

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Eduard, ihr Bruder, der flüger war, hob die Nuss sogleich auf, schälte sie mit den Zähnen ab und sagte: „Ich achte dieser bitteren Schale nicht, weiß ich doch, dass ein süßer Kern darin verborgen steckt, der mir dann desto besser schmecken wird.“

Acht' feiner Mühe Bitterkeit,

die dich mit süßem Lohn erfreut.

Chr. Schmid.

168. Der Schmetterling.
Lieber Knabe, ach tödte mich nicht!
Raum begrüßt' ich das Sonnen-licht,
habe gewartet manche Wochen,
eh' ich die enge Puppe zerbrochen!
Bin so vergnügt,

hätte mich gern auf den Blumen gewiegt:
Sieh'! wie so herrlich mich Gott geschmückt!
Flügel hab' ich mit Gold gestickt,
einen Mantel mit Sammet belegt,
wie ihn der Kaiser nicht schöner trägt!
Ach, und die ganze, prächtige Zier
wolltest du grausam zerstören mir ?
Wolltest mit deinem spißigen Eisen
mir das fröhliche Herz zerreißen?
Lieber Knabe, ach, lass mich leben!
Gott hat uns beiden den Frühling gegeben!
Mir und dir auch ein Herz dabei,

das gern glücklich schlägt und frei!

169. Der Hahn und der Fuchs.

Ein alter Haushahn hielt auf einer Scheune Wache; da kommt ein Fuchs mit schnellem Schritt

und ruft: „ frähe! Freund, nun ich dich fröhlich mache;

ich bringe gute Zeitung mit.

Der Thiere Krieg hört auf, man ist der Zwietracht müde.
In unserm Reich ist Ruh' und Friede,

ich selber trag' ihn dir von allen Füchsen an.

Freund, komm bald herab, dass ich dich herzen kann! Wie guchst du so herum ?" Fang, Halt und Bellart kommen, die Hunde, die du kennst," versezt' der alte Hahn, und als der Fuchs entläuft: „Was," fragt er, „ficht dich an?" Nichts, Bruder," spricht der Fuchs, der Streit ist abgethan; allein ich zweifle noch, ob die es schon vernommen."

Hagedorn,

geh. 1708 zu Hamburg, gest. 1754 zu Hamburg,

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