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68.

Der Schmetterling.

Der kleine Rudolph kam in wilder Freude aus dem Garten gesprungen und rief: Welch ein schönes Vöglein hab' ich gefangen! Es saß auf einer Blume, und seine Flügel glänzten wie lauter Gold und Silber und noch viel schöner! Da trat ich leise hinan, und griff darnach, da hatt' ich es sogleich! Nun will ich es aber auch recht gut bewahren und es soll mir nicht entkommen, und will ihm Milch und Brod zu essen geben. Also redete der kleine Rudolph.

Da sprach der Vater: Nun Rudeli, so laß uns doch auch deinen Fang bewundern!

Darauf griff der Knabe hastig in seinen Busen und zog einen schönen Sommervogel hervor.

Aber siehe, die Fittige des Vögleins hatten ihren Glanz verloren, der bunte Flügelstaub klebte an den Fingern des Knaben, und die zarten Schwingen waren ganz zerzauset.

Da seufzte der Knabe bitterlich und sprach: O, wie das Ding so jämmerlich entstellt worden! Sieht es doch dem Vöglein nicht mehr ähnlich, das auf der Lilie saß! Pfui! wenn sie auch so gebrechlich sind? —— So sprach der Knabe und warf den Schmetterling zürnend zur Erde. Der Vater aber antwortete und sprach: Wem zürnest du? Ist es denn des Vögleins Schuld, daß es so zart gebildet wurde?

Du hast es mit rauhen Händen angefaßt, darum verwelkte sein Flügelglanz und sein Blumenleben.

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genesen! Und sie aß und trank und schlummerte von

neuem.

Da ward es dem Mägdlein wunderlich im Herzen vor Freude. Und Cornelia ging leise aus dem Kämmerlein, und hüpfte hinaus in das Feld, und stieg auf einen Hügel zur Zeit der Dämmerung. Hier stand sie, bewegt von mancherlei kämpfenden Gefühlen des Schmerzes und der Hoffnung. Da stieg die Morgenröthe empor und umstrahlte ihr Antlig, und Cornelia gedachte des neuen Lebens der Mutter nach dem erquickenden Schlummer, und der Angst, die sie empfunden. Aber sie vermochte nicht länger die Fülle der Empfindung im Herzen zu fassen; sie knieete nieder auf die Blumen des Hügels, und neigte ihr Antlig, und ihre Thränen vereinigten sich mit dem Thaue des Himmels.

Darauf erhob sie ihr Haupt und kehrte zurück in die Heimath und in das Kämmerlein der Mutter: Und Cornelia war schöner und lieblicher, als zuvor. ste hatte mit Gott geredet.

Denn

70.

Das Lämmchen.

Ein Vater wandelte mit seinem Söhnlein auf dem Felde, da sahen ste ein säugendes Schaaf, und ein weißes Lämmchen sog an dessen Brüsten; die Mutter aber leckte das Lämmchen.

Der Knabe freuete sich des lieblichen Anblicks, und als er lange das Schaaf und Lämmchen betrachtet hatte,

Tächelte er und sprach: Das Lämmchen sauget an seiner Mutter, wie ein Kind. Aber wo ist denn sein Vater?

Es kennet ihn nicht und wird auch nimmer ihn kennen! erwiederte der Vater des Knaben.

Der Knabe fragte: Wird es denn nun immer bei der Mutter bleiben?

Der Vater antwortete: Auch bei dieser nur so lange es ihrer Milch zu seiner Nahrung bedarf. Sobald es selber Gras zu essen vermag, verläßt es die Mutter und vergißt ihrer, und neiget sein Haupt zur Erde.

Wie machen es denn die Kindlein der Menschen, fragte der Knabe.

Siehe, sprach der Vater, als du geboren wurdest, da lagest du in der Mutter Schooß und sogest an ihren Brüsten, wie dieses Lamm, und schlummertest einige Monden lang. Da aber erhellete sich dein Antlig und schauete von der Brust hinauf und du lächeltest die Mutter an. Siehe, das vermag dies Lämmchen nicht. Und nach einigen Monden erkanntest du die Mutter vor allen Andern, und lalletest und strecktest die Händchen nach ihr aus. Siehe auch das vermag dieses Lämmchen nicht. Und abermals nach einigen Monden erkanntest du auch den Vater, und wandtest dein kleines Antlig von der Mutter zu dem Vater hinauf, und sprachest: Vater und Mutter! Siehe, das vermag dieses Lämmchen nicht. Es neiget sein Haupt zur Erde. Du aber richtest dein Angesicht nicht allein zur Erde, sondern auch empor gen Himmel..

Aber siehe, fuhr der Vater fort, auch das wird dir nicht genügen. Du wirst verlangen, durch die Himmel zu schauen, und über ihrem Heer ein Angesicht suchen...

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