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155.

Jonathan und David.

Zur Zeit Saul, des Königs von Ifrael, lebten die Propheten des Herrn: Nathan und Gad, und beide waren sehr bekümmert um Saul und den bösen Geist der Unruhe, der über ihn gekommen war. Aber mit Wohlgefallen schaueten die Männer Gottes auf Jonathan, den Sohn des Königs. Denn sie dachten, in ihm wohnet der Geist der Liebe und er wird sein Volk trösten zu seiner Zeit.

Darum beobachteten ste den Jüngling und forschten sein Wesen heimlich, vor allen aber achteten ste auf seine Liebe und Freundschaft zu David, dem Sohne Isai. Denn die Liebe, dachten sie, ist die Blüthe des Menschen. Darum wollen wir aus ihr des Jünglings Herz und Wesen erkennen.

Und wenn die Jünglinge gemeinsam wandelten und ihrer Jugend sich freueten, oder zur heiligen Tonkunst und Weisheit ihre Herzen neigten, so waren die Männer Gottes ihnen nahe, ohne daß die Jünglinge es wußten.

Siehe, da ergrimmte der König auf David und verdammte ihn und schwur ihm den Lod. David aber mußte flüchtig werden und floh gen Rama. Da sprachen die Propheten: Wird Jonathan ihm treu bleiben, und sich zu ihm halten in der Noth? Und sie gingen Jonathan nach, als er hinauszog zu David. Und als Jonathan David sah von ferne, lief er zu ihm und fiel ihm um den Hals, und sie weineten miteinander, und Jonathan tröstete die Seele seines Freundes David.

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Darob freuten sich die Propheten, und sprachen untereinander: Jonathan ist ein guter Jüngling; er hat seines Freundes im Unglück nicht vergessen, sondern den Bund seines Herzens befestigt. Dem zeugen seine Thränen.

Nach diesen Tagen sprach Gad zu Nathan: Siehe, die schwerste Probe stehet unserm Jonathan bevor. Samuel hat David zum König gesalbet, und zum Ersten in Israel .

Da ward Nathan ernst und bekümmert in seiner Seele und sprach: Gern möchte ich deß ledig sein; aber der Geist des Herrn gebeut ihn zu prüfen.

Und die Männer Gottes traten zu Jonathan und begleiteten ihn auf seinem Wege zu David in der Wüften Siph. Und als sie nun in die Wüste kamen, nahe bei der Höhle auf dem Berge Hachila, sprach Gad der Prophet zu Jonathan, dem Sohne Saul, des Königs: Siehe, Samuel hat David gesalbet zum König von Israel.

Als Jonathan solches hörte, sprang er auf und fiel David um den Hals und weinete vor Freuden, und rief: Du wirst leben und König sein über Israel.

Als dieses die Männer sahen, waren sie sehr erfreuet und Nathan sprach: Diese Thränen der Freude sind köftlicher noch als die andern. Mit den Fröhlichen sich freuen ist mehr, als weinen mit den Weinenden.

Und die Propheten segneten Jonathan. Aber es war ihnen verborgen, daß Jonathan fallen sollte zur Seite seines Vaters auf dem Gebirge Gilboa.

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156.

Das Orakel.

Strephon, ein vornehmer griechischer Jüngling, sprach eines Tages zu seinem Lehrer: Ich möchte gern nach Delphi gehn, mir meine Zukunft weissagen zu lassen. Viel besser werd' ich alsdann, so scheint es mir, mein Leben gestalten und sicherer den Weg der Weisheit erwählen. Wenn du meinest, antwortete der Lehrer, so will ich dich begleiten.

Sie begaben sich auf den Weg und kamen nach Delphi. Mit eigenen Empfindungen der Ehrfurcht betrat der Jüngling die schauerliche Gegend, die das Heiligthum umgab. Sie gelangten zum Tempel und festen sich gegenüber. Da las Strephon die Aufschrift des Tempels über dessen Eingang: „Erkenne dich selbst." Was wollen diese Worte? fragte er den Lehrer.

Dieser antwortete: Sie sind leicht zu deuten. Be denke, wer du bist, und wozu du das Leben empfangen hast. Man muß doch wohl zuvor sich selbst erkennen, ehe man an die Erforschung seiner Zukunft sich wagt.

Wer bin ich denn? fragte der Jüngling. Du bist Strephon, antwortete der Lehrer, der Sohn des redlichen. Agathias. Aber wenn dich jest, wie vor kurzem deinen Bruder Kallias, der Tod überraschte, würde ich dann auch zu deinem entseelten Körper oder zu deiner Asche sprechen: Mein lieber Strephon? Siehe, das Wesen, das in dir denket, und nun bald seine Zukunft aus dem Munde des Priesters erfahren wird das bist du selbst.

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Cin

157.

Selbstprüfung.

in frommer Vater hatte einen ungerathenen Sohn, der alle Ermahnungen verschmähend in der Gesellschaft böser Buben seine Tage verlebte und jedem Gelüste seiner Sinnlichkeit fröhnte. So wurde sein Herz immer mehr verderbt und jegliches Gute in ihm erstickt. Der Vater aber trauerte im Stillen über die verkehrten Wege des Jünglings.

Nach einiger Zeit fiel der Vater in eine schwere Krankheit, und als er fühlte, daß er sterben sollte, ließ er seinen Sohn zu sich kommen. Als nun der Sohn an das Bett seines Vaters trat, sprach dieser zu ihm: Fürchte nicht, mein Sohn, daß ich dir Vorwürfe machen werde über deinen Wandel. Siehe, ich sterbe und lasse dich zum Erben meiner Güter. Dafür erfülle du denn meine lezte Bitte, die ich an dich thun werde. Sie ist leicht zu vollbringen, so wirst du deren Erfüllung mir gerne versprechen und halten.

Der Sohn antwortete, daß er es gerne thun wolle, wofern er irgend vermöchte.

Da sagte der sterbende Vater: So versprich mir, mein Sohn, daß du zween Monden lang an jedem Abend eines vollbrachten Tages in diese Kammer gehen, und dich daselbst eine halbe Stunde lang in der Einsamkeit mit dir selbst unterhalten willst.

Der Sohn versprach, solches vollkömmlich zu halten, und reichte dem Vater die Hand darauf.

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