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lings und seines guten Verstandes. Aber bald vernahm er, daß Maimon der eigenen Weisheit zu sehr vertraue und des Gebets sich gänzlich entschlage.

Denn der Jüngling sprach in seinem Herzen: Wozu das Beten? Bedarf der Allwissende unseres Wortes, daß er helfe und gebe? So wär' er ein Menschenkind. Kann menschliches Bitten und Seufzen die Rathschlüsse des Ewigen ändern? Wird der Gütige uns nicht von selbst, was gut und heilsam, gewähren ? So waren des

Jünglings Gedanken.

Aber Hillel war bekümmert in seiner Seele, daß Maimon sich weiser dünkte, denn das göttliche Wort, und er sagte sich vor, ihn zu belehren.

Als nun Maimon eines Tages zu ihm ging, saß Hillel in seinem Garten in dem Schatten der Palmen, sinnend und sein Haupt auf die Hand gelehnt. Da fragte Maimon und sprach: Meister, wem sinnest du nach?

Da erhob Hillel sein Haupt und redete in diesen Worten: Siehe, ich habe einen Freund, der lebet von dem Ertrag seines Erbes, das er bisher mit Sorgfalt bebauete, so daß es ihm reichlich die Mühe vergolten. Aber jezt hat er Pflug und Karst abgethan, und will den Acker sich selbst überlassen. So wird er verarmen und Noth leiden.

Hat sich ein Geist des Unmuths seiner Seele be= mächtigt, oder ist er ein Narr worden? fragte der Jüngling.

Keines von Beiden, antwortete Hillel. Er ist wohlerfahren in göttlicher und menschlicher Weisheit und from= men Sinnes. Aber er sagt: Der Herr ist allmächtig, so mag er mir leichtlich die Nahrung verleihen, ohne

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daß ich mein Haupt zur Erde neige; und er ist gütig, so wird er meinen Tisch segnen und seine milde Hand aufthun. Und wie läßt sich dem widersprechen?

Wie sagte der Jüngling heißt das nicht, Gott den Herrn versuchen? Hast du ihm das nicht ge= sagt, Rabbuni?

Da lächelte Hillel und sprach: Ich will es ihm sagen. Du, mein geliebter Maimon, bist der Freund, von welchem ich rede.

Ich? sagte der Jüngling und entsegte sich. Der Greis aber antwortete und sprach: Versuchest du nicht auch den Herrn? Ist das Gebet weniger, denn die Arbeit, und die geistige Gabe geringer, als die Frucht des Feldes? Und Er, der dich heißet das Haupt zur Erde neigen der irdischen Frucht willen, ist er ein anderer, als der dich heißet dein Haupt gen Himmel erheben, den himmlischen Segen zu empfahn? O, mein Sohn, sei demüthig, glaube und bete!

Also redete Hillel und sah auf gen Himmel. Maimon aber ging hin und betete, und sein Leben ward ein göttliches.

176.

Der Greis und der Jüngling.

Geron, ein achtzigjähriger Greis, saß vor der Thüre seines ländlichen Hauses und freute sich des heitern. Herbstmorgens. Sein Auge ruhete bald auf den blauen.

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Bergen der Ferne, von deren Spigen die Nebel wie Opferwolken emporstiegen, bald auf den muntern Urenkeln, die vor ihm spielten.

Da trat ein Jüngling aus der Stadt zu dem Greise und unterredete sich mit ihm. Als er nun die Zahl seiner Jahre aus seinem Munde vernahm, wunderte er sich seines kräftigen Alters und blühenden Aussehens. Darnach befragte er den Greis, was er gethan habe, um solcher Kraft und Heiterkeit in dem Spätherbste des Lebens zu genießen?

Darauf erwiederte Geron: Mein Sohn, es ist, wie jedes Gute, eine Gabe, die von oben kommt, und deren wir uns nicht zu rühmen haben: jedoch können wir hier unten auch einiges thun, ste zu empfahen.

Nach diesen Worten erhob sich der Greis und führte den Fremdling in den Obstgarten, und zeigte ihm die hohen herrlichen Bäume voll köstlicher Früchte, deren Anblick das Herz erfreute.

Darauf sprach der Greis: Wunderst du dich auch, daß ich jezt die Früchte dieser Bäume genieße? Siehe, mein Sohn, diese pflanzte ich in meiner Jugend. Hier haft du das Geheimniß meines heitern, fruchtreichen Alters.

Der Jüngling aber winkte dem Greise; denn er verstand seine Worte und nahm ste zu Herzen.

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177.

Die Aehre und die Distel.

Ein frommer Landmann mit silberweißem Haar wandelte mit seinem Enkel, einem Jüngling, auf dem Felde zur Zeit der Aernte. Da scherzte der Greis mit den Schnittern, wie sie nur Kinder gegen ihn seien, der mehr denn sechzig Aernten gewältigt.

Da reichte einer der Schnitter ihm eine Sense, der Greis aber nahm sie und mähete einen Schwaden zu Boden wie ein rüstiger Jüngling. Und die Schnitter jauchzten und strichen die Sensen ihm zu Ehren.

Der Jüngling, sein Enkel, aber spräch zu ihm: Mein Großvater, woher hast du solch ein gutes Alter?

Da antwortete der Greis und sprach: Siehe, mein Sohn, ich habe von Jugend an auf Gott vertraut in guten und bösen Tagen, dadurch hab' ich mir den frischen Muth bewahrt; ich habe fleißig meines Berufs gewartet, und treu gearbeitet, dadurch gewann ich des Leibes Stärke und Gottes Segen; ich wandelte fromm vor Gott und friedsam mit den Menschen, dadurch habe ich mir Friede und Freudigkeit bereitet. Und mit den Jahren ist solches alles durch Gottes Gnade in mir be= festigt und gegründet worden. Thue desgleichen,

mein Sohn, so wird dein Alter sein wie eine volle Garbe, die der Herr der Aernte mit Freuden in die Scheune sammelt.

Wem vergleichst du denn ein böses Alter? fragte der Jüngling.

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